Kunstexperte: "Keine Wege in die Zukunft aufgezeigt"
Eine Tagung in Berlin hat die vor 20 Jahren verabschiedeten Washingtoner Prinzipien zur NS-Raubkunst erneuert. Unser Kunstexperte Stefan Koldehoff hat die Konferenz beobachtet und viele Versäumnisse der Veranstalter festgestellt.
Die "Wege in die Zukunft", die das Motto der Berliner Raubkunst-Konferenz waren, habe er ein bisschen vermisst, sagt unser Kunstexperte Stefan Koldehoff.
"Es war sehr viel Rückblick, sehr viel Schulterklopfen, sehr viel Lob. Nicht Eigenlob, sondern durchaus Lob aus dem Ausland, dass in Deutschland in den letzten 20 Jahren eine ganze Menge passiert sei. Nur die Fragen, die in die Zukunft gerichtet sind, wie geht es denn jetzt weiter, welche Fragen stellen sich nach wie vor, die sind bestenfalls thematisiert worden, aber ohne Wege aufzuzeigen."
Washingtoner Prinzipien berühren Privatsammlungen nicht
Eines dieser Probleme sei die Zielsetzung der Washingtoner Prinzipien, die sich an öffentliche Museen und nicht an Privatsammlungen richten, so Koldehoff.
"Auf den sogenannten Judenaktionen zwischen 1933 und 1945 haben nicht nur Museumsdirektoren, sondern auch Privatleute eingekauft. Und natürlich hängen diese Bilder noch bei diesen Familien." In diesen Fällen gäbe es oft rechtliche Hemmnisse, die Verjährung und die Ersitzung. Unter gewissen Umständen könne man sich in Deutschland dadurch den rechtmäßigen Besitz eines Kunstwerks sichern.
Ein anderes Hemmnis bestünde in den Fällen, in denen ein Kunstwerk schon mehrfach den Besitzer gewechselt habe, über drei Galerien, mehrere Auktionen und Vorbesitzer, und man davon ausgehen müsse, dass der jetzige Besitzer nicht mehr wissen könne, dass es sich um Raubkunst handele. Ein sehr interessanter Ansatz, wie man an solche Bilder herankommen könnte, sei die Idee von Rainer Stamm, dem Direktor des Niedersächsischen Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg. Der böte Bürgerinnen und Bürgern nämlich an:
"Wenn ihr was zuhause habt, von dem ihr wisst, dass es in dieser Zeit angekauft wurde, aber nicht wisst in welchen Zusammenhängen, dann forschen wir gerne nach."
Finanzielle Anreize für Privatsammler
Eine weitere Möglichkeit wäre finanzielle Anreize zu schaffen, sagt Koldehoff, indem man nämlich privaten Sammlern anböte, wenigstens einen Teil des Marktwerts des betreffenden Kunstwerks zu kompensieren. Das seien aber nur Appelle. "Da wäre es schön gewesen, wenn man da konkrete Wege aufgezeigt hätte, wenn man unter Juristen und Fachleuten aus Museen diskutiert hätte, was konkret denkbar wäre."
Es sei außerdem sehr traurig, dass aus den "östlichen Reichsprotektoraten" im heutigen Polen und Tschechien keinerlei Referenten eingeladen waren, obwohl dort auch Kunstwerke geraubt worden seien. "Das ist ein Versäumnis der Veranstalter, genauso wie man den freien Provenienzforschern, die nicht an Museen angedockt sind, Sitz und Stimme auf dem Podium hätte geben müssen."