Berliner Schulverhältnisse
Eigentlich sind ältere Schüler heute viel netter als früher, aufmerksamer und manchmal richtig höflich. Doch ich sehe bei Lesereisen nur jene Schulen (meist Gymnasien, selten eine Real- Gesamt- oder Berufsschule), in denen junge Erwachsene ihre Chancen wahrnehmen.
Auch da gibt es Probleme mit Drogen, Geld und Statussymbolen. Gewalt kommt meist verdeckt als psychischer Druck bei Schülern an. Oder sie werden von einer Gruppe Schulfremder, Schulschwänzer oder Schulabbrecher bedroht, erpresst, abgezogen, überfallen. Neuerdings auch, um die Unterlegenen für eine Live-Handy- Übertragung zu quälen. Es sind (meist männliche) Jugendliche, die sich dafür entschieden haben, in einer Dauerpubertät zu verharren, die kriminelle Energien auslebt.
Anfang der achtziger Jahre verfolgte ich ein Gespräch Ostberliner Jugendlicher, die beim Kaffee plauderten, ob sie Polizist, Drogendealer, den Bundesgrenzschutz oder das Rotlicht-Milieu als Lebensperspektive wählen sollten. Bei schlecht beschulten Jung-Gangstern heute fällt der Staatsdienst als Alternative weg. Eine fast mühelos ins kriminelle transformierbare Clique wird für immer mehr in immer früherer Kindheit zur logischen Lebensperspektive.
Es gibt da kein Ausländerproblem. Berlin und Deutschland könnten durchaus aus so manchem Teil der Welt mehr Zuzügler brauchen, die nicht eine Armutsimmigration nach Deutschland treibt. Es gibt nur jeweils spezifische Probleme mit wenigen Herkunftsländern. Im schwedischen Malmö löste gerade der Bezirksbürgermeister ganze Klassenstufen einer Schule auf, weil die Lehrer kein Rezept mehr gegen Mafiastimmung und Ghettomentalität unter den Schülern hatten.
In Berlin kommen dieser Tage Not-Signale auch schon von Grundschulen. Das nette Gerede von der zu verbessernden Integration geht bei einer bestimmten Personengruppe am Thema vorbei. Sie betreiben eine aus ihrer Sicht erfolgreiche Integration auf ihre Weise, in dem sie andere ausländische oder deutsche Kinder in Machtabhängigkeiten bringen. In Berlin verzeichnet die Polizeistatistik rund 400 Kinder als Intensivtäter also jene, die bis zum vierzehnten Lebensjahr hunderte Straftaten hinter sich haben.
Zu 77 Prozent sind diese Straftäter - allesamt schulpflichtig - arabischer oder türkischer Herkunft. Bis zu diesem Lebensalter kann der Staat gar nichts machen, klagte gerade ein ermittelnder Anwalt im Fernsehen. (Da kann es schon mal vorkommen, dass ein Elfjähriger eine Fensterscheibe einwirft, um sich von eintreffender Polizei bequemer nach Hause fahren zu lassen.) Der Staatsanwalt verlangte im Fernsehen Ausweisungsmöglichkeiten für solche Kinder und für Eltern, denen dies gleichgültig ist oder die ihren Sohn verteidigen. Strafe und Repression sind letztlich keine Lösung für die Integrationsprobleme der allermeisten - aber der Verzicht auf Strafdrohung und durchführbare Strafen kapituliert vor jeglicher Lösung.
Diese Kinder-Gangster sind die Speerspitze einer Gewalt-Spirale, die in die Schulen getragen wird und dann zur Anpassungs-Gewalt Anderer führt. Man macht mit, um nicht selbst zum Opfer zu werden. Man stammelt dann schon mal gebrochen Deutsch, um sich nicht als Einheimischer als Opfer zu empfehlen. (Eine mitgehörte Begrüßungsformel, die jemand freundlich für die eigene Clique anwirbt: 'Komm zu uns, du Pisser, wir machen dich auch nicht platt!' Oder Zwei Jung-Männer im Noch-Schulalter flirten in der U-Bahn um ein Mädchen und prahlen, was sie ihr jetzt im Kaufhaus am Hermannplatz stehlen werden. Die junge Türkin genießt es und äußert Wünsche. Sie besteht darauf, dass beide Deutsch sprechen und möchte dass alle alles mithören.) Die Großstädte sind natürliche Ballungsräume gesellschaftlicher Probleme, die Schulen Orte, an denen auch Parallelkulturen aufeinander treffen.
In immer mehr Hauptschulen droht die Leitkultur gewalttätigen Verhaltens die Maßstäbe zu setzen. Diese Schulen aufzulösen hieße nur die anderen Schulformen auch zu gefährden. Dafür gibt es zu viele Problemjugendliche. In Berlin wirken ein paar Westberliner Hinterlassenschaften aus der Zeit des Kalten Krieges zusätzlich weiter. Damit sind weniger die in der Hauptstadt besonders zahlreichen Aussteiger aus der Westgesellschaft samt Kindern und Enkel gemeint, sondern die Art des Zuzugs Nicht-Deutscher in die offene Stadt Westberlin, den einzigen Ort Westeuropas, an dem man unkontrolliert aus dem Osten in den Westen kam. Wenn die DDR mitspielte. Über den Flughafen Schönefeld reisten jene arabische Großfamilien ein, oft aus dem Libanon oder staatenlos. Deren Kinder, Enkel oder Nach-Zügler bilden heute mit Abstand das höchste Potential an verhaltensauffälligen oder kriminellen Kindern. Die Namen dieser Clans sind bekannt und jedes strafver- setzte Kind gefährdet die neue Schule - einschließlich jener Freundes-Clique, die er dann herbeilockt.
In den vergangenen Jahren erzählten mir Lehrer unglaubliche und von den Medien verschwiegene Episoden. An einer Grundschule ließ ein in eine fünfte Klasse strafversetzter Schüler libanesischer Herkunft sofort andere in seinem Namen unter Druck setzen oder verprügeln. Bis er den männlichen Teil seiner 5. Klasse vor dem Sportunterricht entblößen ließ, um zu kontrollieren, das kein beschnittener Jude darunter sei. Er ist dann wohl wieder versetzt worden.
Gewalt an Schulen speist sich aus unterschiedlichen Quellen. Diese eine ganz konkrete verlangt konkretes Handeln gegen eine Gruppe, die neben archaischen Gewaltritualen auch Judenfeindlichkeit, Frauenverachtung, Intoleranz gegenüber Schwulen und Schwachen, so manches andere mitbringt, das eine Errziehung zur Demokratiefähigkeit unmöglich macht. Da geht es längst nicht mehr um verbesserte Schulstrukturen. Da geht es neben Ausweisungsdrohungen um die Herausnahme aus dem regulären Schulbetrieb.
Es braucht speziell geschulter Lehrer und eine Art Ganz-Tages-Schule. Und wenn die Eltern kriminelle Karrieren fördern oder dulden, auch eine Trennung per Zwang von den Eltern. Das kostet alles viel Geld und Aufmerksamkeit. Wir können natürlich noch eine Weile herumpalavern und Wünsche mit Realitäten verwechseln. Und erst bestimmte Plätze und Straßen, dann ganze Stadtteile nicht mehr betreten und deren Schulen stillschweigend meiden, in die ohnehin keiner und keine mehr geht, die vom Leben mehr als gewalttätigen täglichen Überlebenskampf erwartet.
Lutz Rathenow, Schrifsteller, 1952 in Jena geboren, Studium Germanistik/Geschichte, kurz vor dem Examen wegen nicht konformer Ansichten und Handlungen relegiert, Transportarbeiter, 1977 Übersiedlung nach Ostberlin, knapp 15. 000 Seiten Stasi-Akten zeugen von Aktivitäten und Repressalien, wegen des ersten nur im Westen verlegten Buches 1980 kurzzeitig verhaftet, Lyriker, Essayist, Kinderbuchautor, Satiriker, Kolumnist, Gelegenheitsdramatiker. Zusammen mit Harald Hauswald (Fotografie) schrieb er den erfolgreichen Foto-Text-Band "Ost-Berlin - Leben vor dem Mauerfall" (Jaron Verlag, 2005, englisch/deutsch). 2006 erscheinen "Ein Eisbär aus Apolda" (Kindergeschichten), "Gelächter, sortiert" (Fußballgedichte) und wieder mit dem Kult-Fotografen Harald Hauswald "Gewendet - vor und nach dem Mauerfall. Fotos und Texte aus dem Osten" (Jaron Verlag).
Anfang der achtziger Jahre verfolgte ich ein Gespräch Ostberliner Jugendlicher, die beim Kaffee plauderten, ob sie Polizist, Drogendealer, den Bundesgrenzschutz oder das Rotlicht-Milieu als Lebensperspektive wählen sollten. Bei schlecht beschulten Jung-Gangstern heute fällt der Staatsdienst als Alternative weg. Eine fast mühelos ins kriminelle transformierbare Clique wird für immer mehr in immer früherer Kindheit zur logischen Lebensperspektive.
Es gibt da kein Ausländerproblem. Berlin und Deutschland könnten durchaus aus so manchem Teil der Welt mehr Zuzügler brauchen, die nicht eine Armutsimmigration nach Deutschland treibt. Es gibt nur jeweils spezifische Probleme mit wenigen Herkunftsländern. Im schwedischen Malmö löste gerade der Bezirksbürgermeister ganze Klassenstufen einer Schule auf, weil die Lehrer kein Rezept mehr gegen Mafiastimmung und Ghettomentalität unter den Schülern hatten.
In Berlin kommen dieser Tage Not-Signale auch schon von Grundschulen. Das nette Gerede von der zu verbessernden Integration geht bei einer bestimmten Personengruppe am Thema vorbei. Sie betreiben eine aus ihrer Sicht erfolgreiche Integration auf ihre Weise, in dem sie andere ausländische oder deutsche Kinder in Machtabhängigkeiten bringen. In Berlin verzeichnet die Polizeistatistik rund 400 Kinder als Intensivtäter also jene, die bis zum vierzehnten Lebensjahr hunderte Straftaten hinter sich haben.
Zu 77 Prozent sind diese Straftäter - allesamt schulpflichtig - arabischer oder türkischer Herkunft. Bis zu diesem Lebensalter kann der Staat gar nichts machen, klagte gerade ein ermittelnder Anwalt im Fernsehen. (Da kann es schon mal vorkommen, dass ein Elfjähriger eine Fensterscheibe einwirft, um sich von eintreffender Polizei bequemer nach Hause fahren zu lassen.) Der Staatsanwalt verlangte im Fernsehen Ausweisungsmöglichkeiten für solche Kinder und für Eltern, denen dies gleichgültig ist oder die ihren Sohn verteidigen. Strafe und Repression sind letztlich keine Lösung für die Integrationsprobleme der allermeisten - aber der Verzicht auf Strafdrohung und durchführbare Strafen kapituliert vor jeglicher Lösung.
Diese Kinder-Gangster sind die Speerspitze einer Gewalt-Spirale, die in die Schulen getragen wird und dann zur Anpassungs-Gewalt Anderer führt. Man macht mit, um nicht selbst zum Opfer zu werden. Man stammelt dann schon mal gebrochen Deutsch, um sich nicht als Einheimischer als Opfer zu empfehlen. (Eine mitgehörte Begrüßungsformel, die jemand freundlich für die eigene Clique anwirbt: 'Komm zu uns, du Pisser, wir machen dich auch nicht platt!' Oder Zwei Jung-Männer im Noch-Schulalter flirten in der U-Bahn um ein Mädchen und prahlen, was sie ihr jetzt im Kaufhaus am Hermannplatz stehlen werden. Die junge Türkin genießt es und äußert Wünsche. Sie besteht darauf, dass beide Deutsch sprechen und möchte dass alle alles mithören.) Die Großstädte sind natürliche Ballungsräume gesellschaftlicher Probleme, die Schulen Orte, an denen auch Parallelkulturen aufeinander treffen.
In immer mehr Hauptschulen droht die Leitkultur gewalttätigen Verhaltens die Maßstäbe zu setzen. Diese Schulen aufzulösen hieße nur die anderen Schulformen auch zu gefährden. Dafür gibt es zu viele Problemjugendliche. In Berlin wirken ein paar Westberliner Hinterlassenschaften aus der Zeit des Kalten Krieges zusätzlich weiter. Damit sind weniger die in der Hauptstadt besonders zahlreichen Aussteiger aus der Westgesellschaft samt Kindern und Enkel gemeint, sondern die Art des Zuzugs Nicht-Deutscher in die offene Stadt Westberlin, den einzigen Ort Westeuropas, an dem man unkontrolliert aus dem Osten in den Westen kam. Wenn die DDR mitspielte. Über den Flughafen Schönefeld reisten jene arabische Großfamilien ein, oft aus dem Libanon oder staatenlos. Deren Kinder, Enkel oder Nach-Zügler bilden heute mit Abstand das höchste Potential an verhaltensauffälligen oder kriminellen Kindern. Die Namen dieser Clans sind bekannt und jedes strafver- setzte Kind gefährdet die neue Schule - einschließlich jener Freundes-Clique, die er dann herbeilockt.
In den vergangenen Jahren erzählten mir Lehrer unglaubliche und von den Medien verschwiegene Episoden. An einer Grundschule ließ ein in eine fünfte Klasse strafversetzter Schüler libanesischer Herkunft sofort andere in seinem Namen unter Druck setzen oder verprügeln. Bis er den männlichen Teil seiner 5. Klasse vor dem Sportunterricht entblößen ließ, um zu kontrollieren, das kein beschnittener Jude darunter sei. Er ist dann wohl wieder versetzt worden.
Gewalt an Schulen speist sich aus unterschiedlichen Quellen. Diese eine ganz konkrete verlangt konkretes Handeln gegen eine Gruppe, die neben archaischen Gewaltritualen auch Judenfeindlichkeit, Frauenverachtung, Intoleranz gegenüber Schwulen und Schwachen, so manches andere mitbringt, das eine Errziehung zur Demokratiefähigkeit unmöglich macht. Da geht es längst nicht mehr um verbesserte Schulstrukturen. Da geht es neben Ausweisungsdrohungen um die Herausnahme aus dem regulären Schulbetrieb.
Es braucht speziell geschulter Lehrer und eine Art Ganz-Tages-Schule. Und wenn die Eltern kriminelle Karrieren fördern oder dulden, auch eine Trennung per Zwang von den Eltern. Das kostet alles viel Geld und Aufmerksamkeit. Wir können natürlich noch eine Weile herumpalavern und Wünsche mit Realitäten verwechseln. Und erst bestimmte Plätze und Straßen, dann ganze Stadtteile nicht mehr betreten und deren Schulen stillschweigend meiden, in die ohnehin keiner und keine mehr geht, die vom Leben mehr als gewalttätigen täglichen Überlebenskampf erwartet.
Lutz Rathenow, Schrifsteller, 1952 in Jena geboren, Studium Germanistik/Geschichte, kurz vor dem Examen wegen nicht konformer Ansichten und Handlungen relegiert, Transportarbeiter, 1977 Übersiedlung nach Ostberlin, knapp 15. 000 Seiten Stasi-Akten zeugen von Aktivitäten und Repressalien, wegen des ersten nur im Westen verlegten Buches 1980 kurzzeitig verhaftet, Lyriker, Essayist, Kinderbuchautor, Satiriker, Kolumnist, Gelegenheitsdramatiker. Zusammen mit Harald Hauswald (Fotografie) schrieb er den erfolgreichen Foto-Text-Band "Ost-Berlin - Leben vor dem Mauerfall" (Jaron Verlag, 2005, englisch/deutsch). 2006 erscheinen "Ein Eisbär aus Apolda" (Kindergeschichten), "Gelächter, sortiert" (Fußballgedichte) und wieder mit dem Kult-Fotografen Harald Hauswald "Gewendet - vor und nach dem Mauerfall. Fotos und Texte aus dem Osten" (Jaron Verlag).