Berliner "Somos"-Galerie

Hip-Hop und Graffiti made in Iran

Anti-Amerikanische Graffiti an der Wand der ehemaligen US-Botschaft in Teheran, die eine Freiheitsstatur mit Totenkopf und Stahlkrone zeigt.
Die Amerikaner sind in iranischen Schulbüchern "die Unterdrücker" - antiamerikanisches Graffiti an der Wand der ehemaligen US-Botschaft in Teheran. © picture alliance / dpa / Abedin Taherkenareh
Von Gerd Brendel |
Auf die uralte Kunst islamischer Kalligrafien gehen moderne Graffitis zurück - nur mit der Spraydose umgesetzt. In der Berliner "Somos"-Galerie ist zu sehen, wie lebendig und gleichzeitig gefährdet die heutige Street-Art-Szene in Teheran ist.
"Es ist auch illegal, das ist alles Underground."
Die Rede ist von Graffiti im Iran. Kein Wunder, dass zur Ausstellungseröffnung in Berlin-Neukölln die Besucher Schlange standen, um die verbotene Kunst zu sehen.
"Viele von uns von Hip-Hop Kultur wir müssen nach Ausland kommen, weil wir können nicht mehr dort leben."
Wie zum Beispiel der Graffiti Künstler Oham. Seit zwei Jahren lebt er in Deutschland. Andere wie Bambam leben noch im Iran. Seine an Teppichmuster erinnernden Arbeiten hängen neben Ohams grellbunten Graphiken. In Teheran überdauern sie selten länger als ein paar Wochen, bevor sie von den Revolutionswächtern mit regierungstreuen Slogans übermalt werden. Auf Mauern und Häuserwänden wird der Kampf um die Zukunft der iranischen Gesellschaft mit der Spraydose ausgetragen. Das war schon zu Schah-Zeiten so.
Nur dass die Oppositionellen von damals jetzt an der Macht sind. Mit viel Glück kann man noch immer hier und da den Abdruck einer roten Hand finden: Zeichen der Schah-Gegner vor der islamischen Revolution. Die anti-amerikanischen Graffitis an der Mauer der ehemaligen US-Botschaft sind so berühmt wie die Sprühbilder auf der Berliner Mauer. Was als Protest begann ist längst zum Propaganda-Instrument geworden: Von Häuserwänden blicken noch immer überlebensgroße Chomeini -Porträts den Teheranern schon von weitem entgegen und lassen sie nicht aus den Augen.
"Überall im Iran gibt es vielleicht drei freie Wände und die anderen sind überhaupt illegal."
Als vor sechs Jahren die Jugend auf die Straße ging, tauchten mit einem Mal grüne "V"s wie "victory", Sieg, als stumme Protestzeichen auf. Und heute? Geschickt nutzen Künstler wie Oham die Nischen des Systems. Was auf der Straße verboten ist, darf als Kunstprojekt in den Hochschulen stattfinden.
"Ich hab zwei große Festivals organisiert … über Graffiti ... in Teheran University of Art.",
erzählt der gelernte Grafik- und Mode-Designer.
"Wir haben die Erlaubnis auf die Leinwände Graffiti zu malen und die Polizei kann nicht reinkommen."
Beißende Kommentare zur aktuellen Politik
Auch wenn Oham und andere Künstler das Land mittlerweile verlassen haben ist die Street-Art-Szene lebendiger denn je. Einer der Stars der Street-Art Szene ist der anonyme Black hand. Seine oder ihre Stencils – Schablonenbilder – lesen sich als beißender Kommentar zur aktuellen Politik. Als weiblichen Fußballfans vor einem Jahr verboten wurde, die Stadien zu besuchen, klebte er eine Frau im knappen Fußballtrikot, die eine Spüli-Flasche wie einen Championspokal über ihr Kopftuch hält. Ein anderes Stencil zeigt zwei Männer mit Auktionshämmerchen, zwischen ihnen ein aufgeklappter Torso wie aus einem Medizin-Lehrbuch: So karikiert Black hand den florierenden Handel mit Organen in seinem Heimatland und wehrt sich mit subtiler Ironie gegen die Propaganda der offiziellen Wandbilder. Dass der Künstler anonym bleibt, hat seinen guten Grund. Auch in Deutschland ist sprayen meistens illegal. Nur wer im Iran erwischt wird, dem drohen nicht nur eine Anzeige wegen Sachbeschädigung.
"Einmal ich war auf der Straße mit meinem Freund in der Nacht, ungefähr elf Uhr, wir haben gemalt und die Polizei ist gekommen",
erinnert sich Oham an seine erste Verhaftung.
"Der hat mit der Waffe, hat uns gesagt, sitzen, was machst Du da? Was hast Du gemacht? Das ist unsere Signatur. Und er hat gesagt: 'Nein das ist Satanismus!'"
Ein schwerer Vorwurf im theokratischen Iran und ein Vorwurf, der nicht nur Graffiti-Sprayer trifft, sondern auch unliebsame Hip-Hop-Musiker, die ihre Tracks ohne Genehmigung des Kulturministeriums im eigenen Studio produzieren und hochladen. Einer der bekanntesten "Hichkas", auf Deutsch "Niemand", taucht auf einem der Graffiti-Bilder von Oham auf. Daneben hat er einen seiner Texte gesprüht:
Sprecher: "Ich habe mir versprochen, keine Zeit zu verschwenden."
Und die Zeit ist auf der Seite der Graffiti-Künstler und der Musiker aus dem Iran. So rasch wie ihre Werke übermalt werden, ihre Musik verboten wird, so schnell tauchen sie im Internet auf ,verbreiten sich mit Windeseile und finden Nachahmer in der Realität. Wie hat ein anonymer Sprayer vor kurzen an eine Teheraner Häuserwand gesprüht?
Sprecher: "Kunst beginnt auf der Straße und stirbt auf der Straße."
Die Bilder im Netz allerdings beweisen das genaue Gegenteil.
Mehr zum Thema