Neue Gesichter, neue Stoffe
Vor zehn Jahren fand erstmals "Beyond Belonging" im Hebbel am Ufer statt. Das Theaterfestival nahm das Thema Migration in den Fokus. Für die kulturelle Öffnung der Berliner Bühnen und darüber hinaus war das Festival ein nachhaltig prägendes Ereignis.
Ob das Theater an der Ruhr in Mühlheim, das Arkadas Theater in Köln oder das Tiyatrom in Berlin – schon in den 70er- und 80er-Jahren gründeten Migranten in Deutschland freie Theater, um ihre eigenen und klassische Geschichten aus neuer Perspektive zu erzählen. Allerdings existierten sie lange Zeit nur als Paralleluniversum zu den großen Häusern, die sich offenbar nicht anstecken lassen wollten von ihrer Multi-Ethnizität. Die kulturelle Öffnung der Theater in Deutschland kam spät.
Ein prägendes Ereignis für die Berliner Bühnen – und darüber hinaus – war das "Beyond Belonging"-Festival am Theater Hebbel am Ufer. Hier bekamen ab 2006 Künstler wie Nurkan Erpulat eine Chance, sich auf einer renommierten, nicht vornehmlich migrantisch geprägten Bühne und vor größerem Publikum zu zeigen.
Der türkische Regisseur debütierte dort mit seinem Stück "Faked" über vier entwurzelte Menschen auf der Suche nach Anerkennung, einem Zuhause, einer Identität. Initiator des Festivals war der damalige Hebbel-Intendant, erzählt Nurkan Erpulat.
"Matthias Lilienthal, einer von den Vorreitern, die auch die auch diese Idee vorangebracht hat beziehungsweise die auch die politische Ebene kommuniziert und vorbereitet hat, hat eine Idee von einem Festival gehabt und da hat er Shermin Langhoff engagiert, jemand aus der Filmszene eigentlich, ein Producer aus der Filmszene, weil tatsächlich in der Hinsicht – es gab viele Schauspieler, paar Regisseure, aber in dem Sinne Kunstproduzent im Theaterbereich von türkischen, jugoslawischen, arabischen Milieu gab's tatsächlich nicht. Und dadurch ist Shermin auch zum Theater gekommen."
Initialzündung für viele Künstler
Im "Beyond Belonging"-Festival sieht Nurkan Erpulat eine Initialzündung für viele Künstler und solche, die es werden wollten.
"Da ist ein Pool entstanden, ein Pool von verschiedenen Künstlern, also Regisseuren, Schauspielern vor allem."
Mit dem Ballhaus Naunynstraße bekamen diese Theatermacher ab 2008 unter der Leitung von Shermin Langhoff einen festen Ort. Und einige nahm sie wiederum mit ans Maxim Gorki Theater, als sie dort 2012 Intendantin wurde.
Die neuen Stoffe, die Qualität und der Publikumserfolg schürten nicht nur die Aufmerksamkeit der Medien, sondern auch die der anderen Theaterinstitutionen.
"Ich glaube, dass man heutzutage nicht mehr so einfach sagen kann, da gibt’s doch keine guten Schauspieler, wie das doch nen paar Kollegen in den letzten Jahren durchaus getan haben, egal ob es die Hautfarbe betraf oder die Herkunft. Also da gab es gar keine andere Chance als umzugehen mit den Realitäten, und das tun die Häuser, und das ist jetzt nicht etwas, was man besonders loben muss, sondern ich würde sagen, eher etwas, was wir sehr lange im deutschsprachigen Theater versäumt haben, viel zu lange, und insofern jedem Theater gut ansteht, das zu tun. Und fruchtbar ist für die künstlerische Arbeit am Theater, und für, auch vielleicht, zu sagen, Bedeutungskonstruktion, die man ja immer wieder betreiben muss."