Berliner Tierschutz-Initiative

"Die Taube ist die ärmste Sau auf der Welt"

Eine Taube läuft über eine Straße.
Tauben sind in der Stadt unbeliebt. In Berlin wollen die "Freunde der Stadttauben" ihnen helfen. © dpa/ picture-alliance/ Britta Pedersen
Von Magdalena Bienert |
Tauben haben ein Image-Problem: Sie sind dreckig, oft krank, nerven nur und übertragen Krankheiten - das denken zumindest die meisten Menschen. Die "Freunde der Stadttauben" aus Berlin kümmern sich um die Tiere und teilen sogar ihr zuhause.
"Hallo, heute haben wir mal die Presse hier."
Einmal im Monat trifft sich in Berlin Charlottenburg der Stammtisch der "Freunde der Stadttauben". Natürlich in einem vegan-vegetarischen Restaurant, denn wenn schon Tierfreund, dann richtig.
Warum setzen Sie sich für die Taube ein?
"Weil es die ärmste Sau ist auf der Welt. Weil die nur missachtet wird, mit schlechten Adjektiven betitelt wird, aber wenn man heiratet will man Täubchen, die man hochschmeißt. Ich find das ungerecht. Mir tun die ganz doll leid."
Antje Horstmann erzählt den anderen neun von ihrem vergeblichen Versuch, auf einem Bahnhof das Personal auf tote Tauben in einer Zwischendecke aufmerksam zu machen. Die anderen nicken, sie kennen das Problem.
"Gut, vielleicht haben sie viel zu tun, aber ich merke oft auch Desinteresse beim Thema Tierschutz."
Warum hat denn die Taube so ein Imageproblem?
"Liegt wahrscheinlich daran, dass eine ganze Industrie von diesem Problem lebt. Wir hatten ja das Thema Vogelabwehr und die Schädlingsbekämpfungsindustrie mit ihren Spikes, die übrigens gar nichts bringen außer, dass die Tauben drin nisten, und Netze, Spikes, alles Mögliche an Vogelabwehr – die Industrie verdient gut daran und setzt alles dran die Taube unbeliebt dastehen zu lassen."
Die Küche als Taubenschlag
Die 27-jährige Andrea Lauschke hat den Stammtisch der Taubenfreunde vor knapp einem Jahr ins Leben gerufen. Hier tauschen sich die Vogelfreunde über für Tauben kritische Orte aus, erzählen von Rettungsaktionen und klären Neulinge wie mich über die Stadttaube auf. Die Taube: das verwilderte, unbeliebte Haustier, das eigentlich unseres Schutzes bedarf. Es findet nämlich keine taubengerechte Körnernahrung in der Stadt, wodurch der Vogel uns Menschen als stets hungriges und nervöses Tier unangenehm auffällt. Wer möchte schon eine Taube fangen, um ihre Füße von Haaren und Fäden zu befreien, damit sie nicht abgeschnürt werden? Für die Freunde der Stadttauben eine Selbstverständlichkeit. Und nicht nur das.
"Ich hab 13 Tauben zuhause."
Wie muss man sich das vorstellen?
"Meine Küche ist ein Taubenschlag und ein Teil meines Flures. Muss man gut saubermachen. Gerade hab' ich eine mitgenommen, die sich einen Fuß auf einer Hochspannungsleitung verschmort hat. Die ist schwerstbehindert."
Zwei Tage später gehe ich mit Andrea Tauben füttern. Mit artgerechten Körnern natürlich. Das ist in der Hauptstadt erlaubt. Andrea wirft eine Handvoll vor sich auf den Boden, schnell kommen die Vögel näher.
Zu wenig Taubenschläge in Berlin
"Die Leuten mögen halt den Kot nicht, kann ich auch verstehen, finde ich auch nicht schön. Deshalb brauchen wir ja betreute Taubenschläge, in denen der Kot entsorgt wird. Denn wenn die Tauben hier nicht den ganzen Tag wären, wäre auch nicht der ganze Kot da."
Tauben halten sich gut 80 Prozent ihrer Zeit in Taubenschlägen auf. In Augsburg und Aachen, den Vorreiterstädten in Sachen Taubenschutz, dürfen die Vögel sogar in denkmalgeschützten Gebäuden nisten und das Stadtbild ist seitdem deutlich sauberer geworden. Zudem lässt sich in Taubenschlägen auch ihre Population kontrollieren, denn den brütenden Vögeln werden künstliche Eier untergeschummelt. Funktioniert bereits - außer in Berlin, wo es viel zu wenig Schläge für die rund 15.000 Tiere gibt. Und die, die es gibt, werden privat finanziert, die Stadt will für das Problem kein Geld ausgeben.
"Wenn man die jetzt füttert, nerven sie nicht, weil sie dann nicht zwischen den Menschen rumrennen müssen. Da steht eine auf einem Bein, die hat verschnürte Füße, die sollte zum Tierarzt. Einfachster Tierschutz ist: Fäden aufheben. Verschnüren sich keine Tiere drin und die Tierschützer haben weniger Kosten beim Tierarzt."
Mehr zum Thema