"Die Deutschen wurden zum Fleischkonsum erzogen"
Tofu-Wurst und Veggie-Klopse bieten inzwischen auch Supermärkte an. In Berlin hat nun "Der Vegetarische Metzger" eröffnet. Dessen Gründer sagen, es gehe ihnen in erster Linie um einen Kampf gegen die Massentierhaltung - und damit Geld zu verdienen, sei auch legitim.
Die Männer, deren Fleisch Gemüse ist, sitzen im Café vis-à-vis des "Vegetarischen Metzgers" in Berlin-Kreuzberg. Wenige Stunden bleiben noch bis zur Eröffnung des Ladens von David Meyer und Florian Tenfelde.
In dem Geschäft, das mit weißen Kacheln und Retro-Ladenwaage aussieht wie ein gewöhnlicher Metzger, werden ausschließlich Fleisch-Ersatzprodukte eines niederländischen Herstellers angeboten: Hähnchengeschnetzeltes, Wurst, Burger-Patties – alles rein vegetarisch und bio, tiefgefroren oder frisch.
Die Betreiber, David Meyer und Florian Tenfelde, sind beide Vegetarier und von den Produkten zutiefst überzeugt.
Deutschlandradio Kultur: Herr Tenfelde, warum müssen Gemüse und Soja so verarbeitet werden, dass sie wie Fleisch schmecken und wie Wurst riechen?
Tenfelde: Weil es Menschen gibt, die gerne Fleisch essen, aber mit der Problematik der Massentierhaltung einen ethisch-moralischen Konflikt entwickeln und dadurch kein Fleisch mehr mögen. Mit unseren Produkten ist es für diese Menschen kein Problem mehr, den Fleischgenuss zu erleben – aber es muss keine Seele mehr dafür leiden.
Deutschlandradio Kultur: Also besteht Ihre Zielgruppe hauptsächlich aus Fleischessern mit schlechtem Gewissen?
Tenfelde: Die Zielgruppe sind hauptsächlich die Fleischesser. Wir wollen die davon überzeugen, dass es keinen Grund mehr gibt, Fleisch zu essen, weil wir wirklich eine sehr gute Alternative haben.
Fleischesser können nicht glauben, dass es kein Fleisch ist
Deutschlandradio Kultur: Und wie schmeckt es denen?
Tenfelde: Die Resonanz, die ich bekommen habe, ist diese: Dass Fleischesser in 99 Prozent der Fälle ausflippen und es nicht glauben können, dass es kein Fleisch ist.
Deutschlandradio Kultur: Deshalb auch der Metzger im Namen und das Fleischer-Ambiente Ihres Ladens, mit weißer Kachelwand und Fleischwaage?
Tenfelde: Wir wollen mit dem Namen auch ein wenig provozieren. Der soll natürlich im Gedächtnis bleiben und bei den Verbrauchern ankommen. Und wenn man mich auf den "Metzger" anspricht, sage ich: Ja, wir köpfen nur Karotten, wir metzeln Gemüse.
Deutschlandradio Kultur: Einen vielversprechenden Geschäftszweig haben sie sich jedenfalls ausgesucht. Vegetarismus und Veganismus werden in Deutschland immer beliebter…
"Gegen gutes Biofleisch haben wir nichts"
Tenfelde: Die Hauptintention ist, die Massentierhaltung zu reduzieren und - am Schluss - Tiere aus der Nahrungskette des Menschen zu befreien.
Meyer: Gegen artgerechte Tierhaltung und gutes Biofleisch haben wir aber nichts. Und wir wollen auch niemanden bekehren.
Deutschlandradio Kultur: Gut und jetzt mal Hand aufs Herz: Welches tierische Produkt kriegen Sie einfach nicht imitiert?
Meyer: Gänsebraten geht noch nicht.
Deutschlandradio Kultur: Was noch?
Meyer: Wir arbeiten in Holland gerade an einem Prototypen für ein richtig gutes Rindersteak. Wir haben schon Beef Stripes, aber ein Steak hinzukriegen – auch von der Textur her, von der Faserigkeit –, daran arbeiten wir gerade.
Deutschlandradio Kultur: Was erwarten Sie sich für die Zukunft?
Meyer: Noch ist es einfach so, dass der deutsche Konsument einfach diesen Fleischgeschmack sucht und gerne haben will. Dazu wurden ja die Deutschen nach dem Krieg erzogen, nämlich zum täglichen Fleischkonsum. In 50 Jahren wird es vielleicht keine Fleischalternativ-Produkte mehr geben müssen.
Das Interview führte Tobias Kurfer.