Syrische Künstler werden massiv bedroht
Nehmen syrische Bürgerkriegsparteien oder die antiisraelische Boykottbewegung Einfluss auf Veranstaltungen in Deutschland? Gestern wurde im Pergamonmuseum in Berlin eine Veranstaltung mit syrischen Künstlern und Intellektuellen abgesagt − nach massiven Drohungen.
Die Absage kam überraschend per Mail am Vorabend der Veranstaltung, die Formulierung war kryptisch. Aufgrund "innersyrischer Entwicklungen", hieß es, müsse der Abend leider ausfallen. Recherchen des Deutschlandradios ergaben, dass syrische Teilnehmer offenbar massiv unter Druck gesetzt worden waren, der Veranstaltung fernzubleiben – aufgrund der Tatsache, dass als Rahmenprogramm ein Streichquartett aus zwei syrischen und zwei israelischen Musikern auftreten sollte.
Woher die Drohungen kamen, ist nicht ganz klar. Sicher ist jedoch, dass es massiven Druck aus dem Libanon gegeben hat – von der dort agierenden Boykott-Kampagne gegen Israel und aus dem Umfeld der der Hisbollah nahestehende Al Akhbar-Zeitung. Dort war unter Namensnennung sämtlicher syrischer Teilnehmer an der Berliner Veranstaltung gegen die Teilnahme gewettert worden, die einen Versuch darstelle, "das blutige Image Israels aufzupolieren, in dem man es mit schöner Musik bekleide."
"Die 'Kampagne zum Boykott von Israel und seinen Unterstützern' im Libanon sehen die Teilnahme von Arabern und Israelis an dem Berliner Festival als eine Form der Normalisierung der kriminellen und rassistischen Besetzung Palästinas. Kunst, die angeblich 'Grenzen überwindet' darf nicht die Grenzen zwischen Mörder und Opfer verwischen. Sie sollte die Dynamik von Ungerechtigkeit und Unterdrückung anklagen."
Anrufe, Shitstorms, Beschimpfungen
Syrische Teilnehmer der geplanten Veranstaltung im Pergamonmuseum berichteten von Anrufen, Shitstorms und Beschimpfungen auf Facebook und Twitter – es habe auch Drohungen gegenüber noch in Syrien lebenden Familienmitgliedern gegeben. Mehrere Teilnehmer hätten ihre Zusage schließlich zurückgezogen, der Veranstalter, das Museum für Islamische Kunst, sagte daraufhin die ganze Veranstaltung ab. Man wolle den syrischen Künstlern helfen und sie nicht in Gefahr bringen, begründete Stefan Weber, Direktor des Museums für Islamische Kunst, die Entscheidung.
Besonderer Druck war offenbar auf die beiden syrischen Musiker ausgeübt worden, die daraufhin auch gleich einen weiteren geplanten Auftritt mit den beiden Israelis absagten. Das Streichquartett sollte in der gleichen Besetzung auch am 21. Oktober zur Eröffnung des "ID-Festivals" im Radialsystem spielen, bei dem es um israelische Künstler in Deutschland geht. Auf Twitter erklärten die beiden später demonstrativ ihre Solidarität mit Palästina und dass sie nicht gewusst hätten, dass sie mit Israelis zusammen spielen sollten. Der Veranstalter habe sie darüber im Unklaren gelassen. Auch Ghassan Salameh, Leiter der arabischen Kulturstiftung "Arab Fund for Arts and Culture" sagte seine Teilnahme ab und erklärte auf Twitter:
Zitat: "Ich nehme nicht an dem Treffen in Berlin teil, Punkt. Sich um syrische Flüchtlingskinder zu kümmern ist das eine, aber es ist etwas anderes ,wenn einige das Treffen ausnutzen, um andere Ziele zu verfolgen."
Salameh, früherer Kulturminister und UN-Berater im Libanon, ist als UNESCO-Generalsekretär im Gespräch*. Eine in Deutschland lebende Vertreterin der Boykott-Kampagne gegen Israel, Nadine Taufiq, erklärte gegenüber Deutschlandradio, es sei legitim, Araber dazu aufzufordern, nicht an Veranstaltungen mit Israelis teilzunehmen, solange es durch die blutige Besatzungspolitik keine Grundlage für einen Dialog gebe. Von Drohungen und Einschüchterungen wisse sie nichts.
Das Auswärtige Amt wollte sich zu den Ereignissen nicht äußern – immerhin hatte Steinmeier seine schützende Hand über die Veranstaltung halten wollen. Am Wochenende findet im Radialsystem das Festival "Action for hope" mit syrischen und auch einer israelischen Künstlerin statt. Absagen habe es aber bislang keine gegeben, erklärten die Veranstalter.
* In einer früheren Version dieses Beitrags hieß es, Ghassan Salameh werde als Nachvolger von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon gehandelt, tatsächlich ist er als UNESCO-Generalsekretär im Gespräch.