"So ein Preis ist Gold wert"
Der Verlag Klaus Wagenbach hat den Berliner Verlagspreis erhalten. Verlegerin Susanne Schüssler freut sich darüber, denn gerade für kleinere Verlage sei das Geschäft angesichts schwindender Leser sehr schwierig geworden. Der Verlagspreis helfe beim Überleben.
Frank Meyer: Kleinere und unabhängige Verlage haben es zunehmend schwer. Einige von ihnen mussten schon aufgeben in der letzten Zeit. Als Ermutigung und Unterstützung hat das Land Berlin den Berliner Verlagspreis jetzt ins Leben gerufen. Gestern wurde der erstmals vergeben an drei Verlage. Die zwei Förderpreise sind mit jeweils 15.000 Euro dotiert. Die sind an den Comicverlag Reprodukt und an das Verlagshaus Berlin gegangen. Der Hauptpreis mit 35.000 Euro ging an den Verlag Klaus Wagenbach, und deren Verlegerin Susanne Schüssler ist jetzt hier im Studio. Seien Sie willkommen, und herzlichen Glückwunsch!
Susanne Schüssler: Vielen Dank!
Meyer: Sie haben gerade auch einen anderen großen Erfolg mit einem Buch einer italienischen Autorin, Francesca Melandri, "Alle außer mir" heißt das Buch, 70.000 Exemplare, glaube ich, verkauft. Sehr viel für einen Verlag Ihrer Größe. Man muss da eigentlich sagen, jetzt, wo der Berliner Verlagspreis noch draufkommt, wenn's läuft, dann läuft's, oder?
Schüssler: Ja, manchmal ist das so, wenn es läuft, dann läuft's. Aber dann gibt es auch wieder schwierige Zeiten, Durststrecken, durch die man kommen muss. Und dann, in so Momenten, wo es läuft, muss man eben thesaurieren und das Geld aufheben, damit man es wieder für tolle Projekte, die wir halt leider auch haben und die sich nicht so gut verkaufen, einsetzen kann.
Meyer: Was ist denn jetzt wichtiger an dem Preis? Die Ehre, die damit einhergeht, oder die 35.000 Euro?
"Wir brauchen die Aufmerksamkeit für kleinere Verlage"
Schüssler: Ich glaube, beides ist sehr wichtig. Die Ehre ist ja nun eine Sache, von der kann man sich nichts kaufen. Aber sie ist insofern wichtig, als sie unsere Arbeit eben auch hochschätzt. So ein Preis ist Gold wert, ob den nun wir oder irgendjemand anderer bekommt. Wir brauchen die Aufmerksamkeit für Bücher, wir brauchen die Aufmerksamkeit für kleinere Verlage, die eben die schwierigen Dinge in der Regel machen.
Bei den ganz großen Verlagen finden Sie selten die komplizierten Sachen, die finden Sie immer bei den kleineren Verlagen. Und für diese Arbeit brauchen wir die Aufmerksamkeit, und es ist ganz großartig, dass das Land Berlin das gemacht hat.
Meyer: An Ihrem Verlag ist ja bemerkenswert, wie lange Sie sich treu geblieben sind und offenbar auch bleiben in Ihrem Verlagsprogramm. Einmal der Schwerpunkt bei der italienischen oder überhaupt der romanischen Literatur. Dann eine dezidiert linke Ausrichtung, ohne dabei dogmatisch oder unsinnlich zu werden. Und dann besonders schön gestaltete Bücher. Fühlen Sie sich jetzt auch gerade für diese Beständigkeit ausgezeichnet?
"Wir machen Bücher aus Überzeugung"
Schüssler: Ja, natürlich ist es nicht einfach, in Zeiten, wo es immer schwieriger wird, wo immer weniger Leser da sind. Wir haben ja diese berühmten Studien, dass wir sechs Millionen Leser verloren haben. In diesen ganzen komplizierten Zeiten, wo die Leute ganz gern auf ihrem Handy rumdaddeln und nicht mehr ganze Bücher von vorn bis hinten durchlesen, in diesen Zeiten, wo es immer schwieriger wird, ist es natürlich toll, wenn man irgendwie in der Lage ist, an seinen Ideen festzuhalten, an seinen Vorstellungen festzuhalten, also sowohl politisch als auch qualitativ.
Wir machen ja nach wie vor Bücher aus Überzeugung, weil wir sie für wichtig halten, weil wir sie für sehr gut halten, manchmal auch literarisch, inhaltlich besonders fortschrittlich. Also, wir machen Bücher aus Überzeugung, das ist natürlich nicht einfach. Und wenn man dafür dann so eine Anerkennung bekommt, das ist toll. Und wenn man eben auch es schafft, diese Überzeugungen weiterzutragen.
Meyer: Die kleineren Verlage haben zu kämpfen, ich habe es vorhin schon gesagt, Sie haben es schon eben angesprochen. Der Verlust von vielen Millionen tatsächlich Buchkäufern, davon haben wir viel gelesen in der letzten Zeit. Was sind denn andere Probleme, die Sie auch selbst spüren, die das Leben für kleinere Verlage schwerer machen?
Problem der Eventisierung
Schüssler: Die Eventisierung. Das ist was, was mir eigentlich hauptsächlich Sorgen macht, dass Dinge, die nicht in irgendeinem Event dargestellt werden, nicht existieren. Insofern brauchen wir vor allem den kleinen, unabhängigen Buchhandel, weil dort haben wir Buchhändler, die Sortimenter sind – die heißen ja Sortimenter und sortieren die Bücher, also überlegen, welche Bücher sie in ihrer Buchhandlung haben wollen. Und die sind gerade für die schwierigen und für die anspruchsvollen Bücher sehr wichtig, weil sie die fördern und an die Leser bringen, empfehlen.
Meyer: Nora Bossong, die Autorin, hört hier mit zu. Wie sehen Sie jetzt eigentlich darauf, neuer Preis, jetzt wird Geld an die Verlage ausgegeben, das dann vielleicht für die Autoren nicht da ist? Sehen Sie da mit einem lachenden und einem weinenden Auge drauf?
Nora Bossong: Nein, gar nicht. Ich meine, es ist ja nicht so, dass es aus meinem Portemonnaie rausgenommen wird. Ich glaube, dass es wichtig ist, so was zu fördern, weil es natürlich auch uns Autorinnen und Autoren mehr Freiraum gibt. Ich bin ja auch eine Autorin, die jetzt nicht nur marktkonforme Sachen schreibt, sonst würde ich mich an die Lyrik gar nicht dransetzen.
Und wenn kleinere Verlage mit einem dezidiert literarischen, ungewöhnlichen Programm gefördert werden, muss ich noch nicht mal bei dem Verlag verlegt werden, um selbst nun wieder den Freiraum mehr zu spüren.
Und wo ich auch zustimmen würde, ist diese Eventisierung, die ich hochproblematisch finde, nicht nur in der Literatur. Ich finde es auch im politischen Bereich – teilweise wird etwas zum Event gemacht. Das Nachdenken finde ich meistens wichtiger als das Event selbst, und wie viele Leute, die zum Event kommen, dann das Nachdenken noch weiter mitmachen, stelle ich mal so als Frage in den Raum.
Schüssler: Es passiert leider oft, dass man eine tolle Veranstaltung hat mit 150 Leuten, und es wird kein Buch hinterher gekauft, weil alle das Gefühl haben, na ja, jetzt weiß ich ja schon, worum es geht. Und das ist eigentlich so sehr schade, weil wir in so anderthalb Stunden natürlich nie begreifen können, was in einem Buch drin steht.
Meyer: Jetzt soll es noch einen anderen Verlagspreis geben, einen neuen, auf Bundesebene. Das hat die Kulturstaatsministerin gerade angekündigt, also Monika Grütters, dass es eben so einen Bundesverlagspreis geben soll. 1,5 Millionen Euro sollen dafür zur Verfügung gestellt werden. Was würden Sie denn sagen, wie sollte so ein Bundesverlagspreis, wie sollte der am besten strukturiert sein, damit er der literarischen Landschaft am besten hilft?
"Wir brauchen eine Aufwertung des Buchs"
Schüssler: Ich denke, er sollte ähnlich strukturiert sein wie der Buchhandelspreis, den Frau Grütters ja schon, glaube ich, dreimal verliehen hat oder viermal. Das geht über alle Bundesländer, und es gibt Hauptpreise, drei, und es gibt dann drei mittlere Preise und eine ganze Reihe, also wirklich viele kleinere Preise. Und wenn man das so aufteilt und eine ordentliche Jury hat, dann kann man das, glaube ich, auch ziemlich gerecht verteilen.
Das finde ich eine ganz großartige Sache, weil es vielen Verlagen von den kleineren die Möglichkeit gibt, zu überleben. Also, das eine, wie Sie vorher schon angesprochen haben, das eine ist die Ehre. Wir brauchen natürlich eine Aufwertung des Buchs. Es muss klar sein, dass das Buch so was Wichtiges ist, dass das Buch Dinge ermöglicht, die das Netz und so weiter nicht ermöglichen. Das ist die eine Sache. Und die andere Sache ist eben, dass wir auch eine finanzielle Unterstützung für die kleineren Verlage brauchen.
Meyer: Das sagt Susanne Schüssler, die Verlegerin des Verlags Klaus Wagenbach, gestern ausgezeichnet mit dem Berliner Verlagspreis, dem Hauptpreis. Die Förderpreise gingen an den Verlag Reprodukt und das Verlagshaus Berlin. Danke Ihnen sehr für das Gespräch!
Schüssler: Danke!
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