Stasi-Gutachten entlastet Holger Friedrich
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Marianne Birthler und Ilko-Sascha Kowalczuk haben die Stasi-Akten des neuen Eigentümers des Berliner Verlags, Holger Friedrich, analysiert. Ihr differenzierter Bericht zeigt einen anderen Umgang mit schuldhafter Vergangenheit auf, kommt aber zu spät.
Mitte November machte Springers "Welt am Sonntag" öffentlich, dass Holger Friedrich, der neue Verleger des Berliner Verlags ("Berliner Zeitung", "Berliner Kurier"), in seiner Armeezeit von 1988 bis 1989 Inoffizieller Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit war.
Die "Berliner Zeitung" bat daraufhin die ehemalige Stasiunterlagen-Beauftragte Marianne Birthler und den dort arbeitenden Historiker Sascha-Ilko Kowalczuk um ein Gutachten. Diese "Expertise" liegt seit dem 11. Dezember vor, nachzulesen auf den Websites von "Berliner Zeitung" und der Robert-Havemann-Gesellschaft.
Keine politischen oder moralischen Urteile
Auf 25 Seiten legen Birthler und Kowalczuk ihre Erkenntnisse aus dem Aktenstudium dar. Sie formulieren am Ende eine "Bewertung" unter sechs Punkten, enthalten sich aber "politischer" oder "moralischer" Urteile, weil alle, die sich die Mühe der Lektüre machten, "auf der Grundlage der vorliegenden Erläuterungen zu ihren eigenen Einschätzungen kommen werden.
Diese werden wahrscheinlich unterschiedlich ausfallen: Wie in anderen Fällen spielt hier nicht nur die Aktenlage eine Rolle, sondern auch Grundhaltungen zum Thema DDR-Aufarbeitung und die Frage des Umgangs mit den Angelegenheiten in den zurückliegenden drei Jahrzehnten."
Diese Zurückhaltung prägt den Text – und prädestiniert ihn für einen anderen Umgang mit schuldhafter Vergangenheit aus DDR-Zeit. Birthler und Kowalczuk haben auch die Opferakte von Friedrich einsehen können. Ihr Text erzählt die Vorgeschichte der Anwerbung mit, die unter Druck geschah – auch wenn Friedrich nicht wissen konnte, wie es am Ende heißt, dass die Stasi den Verdacht auf eine von ihm geplante Republikflucht fallen gelassen hatte.
Ermittelt wurde allerdings: Friedrich wird bei einem Urlaub mit seiner Freundin 1987 von 16 Leuten überwacht, später verschafft die Stasi sich mit einem Nachschlüssel Zugang zu seiner Wohnung, um Material zu kopieren. Was eine Erklärung sein könnte, warum Friedrich in der "Kontaktierungsphase" bemüht war, "den Anforderungen des MfS an eine inoffizielle Zusammenarbeit gerecht zu werden".
Folgen seiner IM-Tätigkeit
Die Folgen von Friedrichs IM-Tätigkeit können Birthler und Kowalczuk in einem Fall benennen: "strafrechtliche Belehrung" eines anderen. "Weitere Folgen, die durch Friedrichs Informationen zu konstatieren wären, ließen sich nur mit Akten, die über Dritte eventuell existieren, ersehen. Sehr wahrscheinlich erscheint das nicht."
Der Bericht stellt weiterhin "eine Diskrepanz zwischen den Einschätzungen des Führungsoffiziers über die abgegebenen Informationen und den in dem Vorgang dokumentierten Informationen in Form von Berichten (eigenhändig oder Abschriften vom Tonband)" fest. Nicht nur in diesem Sinne deckt sich das Gutachten mit der Erzählung Friedrichs.
Bemerkenswert ist der Text darüber hinaus, weil er die Bedingungen reflektiert, unter denen die Aktenvermerke entstanden sind: dass ein Bericht Friedrichs unter Anleitung des Führungsoffiziers geschrieben wurde und dass es sich häufig um Zusammenfassungen des hauptamtlichen Stasi-Manns aus auf Tonband aufgenommenen Gesprächen mit seinem Informanten handelt. Oder auch, dass die Stasi innerhalb der NVA eine andere Autorität hatte als in der Zivilgesellschaft.
Bemerkenswert ist der Text darüber hinaus, weil er die Bedingungen reflektiert, unter denen die Aktenvermerke entstanden sind: dass ein Bericht Friedrichs unter Anleitung des Führungsoffiziers geschrieben wurde und dass es sich häufig um Zusammenfassungen des hauptamtlichen Stasi-Manns aus auf Tonband aufgenommenen Gesprächen mit seinem Informanten handelt. Oder auch, dass die Stasi innerhalb der NVA eine andere Autorität hatte als in der Zivilgesellschaft.
Angesichts von Friedrichs naivem oder ungeschicktem Umgang mit PR in eigener Sache ließe sich sagen – in einem gerade erschienenen "Zeit"-Portrait untersagte er kurz vor Redaktionsschluss entgegen der Absprache den Abdruck seiner eigenen Äußerungen -, der Bericht von Birthler und Kowalczuk kommt eigentlich zu spät. Er hätte gleich zu Beginn der Verlagsübernahme durch die Friedrichs veröffentlicht werden müssen, um tatsächlich einen anderen Umgang mit DDR-Geschichte am eigenen Beispiel anzustoßen.