Berlins Baustellen in Brüssel

Von Annette Riedel |
Griechen-Hilfe, Bankenunion, CO2-Grenzwerte: In den letzten Monaten ist Deutschland in Brüssel bei zentralen Fragen auf die Bremse getreten - und zwar aus wahltaktischen Überlegungen, sagen Kritiker. Doch die Verhandlungen müssen dringend weitergehen.
Bremsen können zwar andere EU-Länder auch gut und gern – aber wenn Deutschland nicht schiebt, gar seinerseits bremst, dann bleibt auf alle Fälle einiges liegen. Beispiel Nr. 1: Griechenland.

"Wir haben immer klar gesagt, dass nach dem Auslaufen des gegenwärtigen Hilfsprogramms für Griechenland Ende 2014 weitere Unterstützung durch die Euro-Gruppe nötig sein könnte und dass wir dazu bereit stehen."

Ja, das sah die deutsche Regierung zwar auch so wie Euro-Gruppenchef Dijsselbloem. Aber sie wollte vor den Wahlen auf gar keinen Fall den Eindruck erwecken, dass da irgendwelche zusätzlichen Kosten auf die deutschen Steuerzahler zukämen - etwa in Form eines zweiten Schuldenschnitts, der diesmal den Bundeshaushalt und damit eben doch die Steuerzahler träfe.

"Einen weiteren Schuldenschnitt wird es nicht geben","

hatte der deutsche Finanzminister Schäuble kategorisch gesagt. Zinserleichterungen, Strecken der Laufzeiten von Krediten für Griechenland – denkbar, ja. Aber eben nicht noch ein Schuldenschnitt. Über all das muss in den kommenden Monaten entschieden werden, vor dem Hintergrund, dass sich im griechischen Haushalt neue Löcher aufgetan haben.

Beispiel Nr. 2: Bankenunion. Jene europäische systemische Großbaustelle, die –einmal abgeschlossen - helfen soll, dass Staaten gar nicht erst in die finanzielle Schieflage geraten, zumindest nicht aufgrund strauchelnder Banken. Die erste der drei Säulen der Bankenunion steht: die Europäischen Bankenaufsicht. Aber es gehören nach allgemeiner Überzeugung zwei weitere Säulen dazu: Ein europäischer Fonds, über den die Einlagen von Sparern in ganz Europa gesichert werden und ein europäischer Fonds, aus dem der Umbau oder gegebenenfalls die Abwicklung von maroden Banken finanziert werden kann.

" "Wir wollen einen gemeinsamen Abwicklungsfonds, gespeist aus dem Bankensektor – die Banken sollen für die Banken zahlen. Er soll ausreichend ausgestattet sein und schnell zu mobilisieren","

sagte EU-Kommissar Barnier, als er im Sommer die Vorstellungen der EU-Kommission zu einem Europäischen Abwicklungsfonds erklärte. Deutschland bremste, wollte keinem europäischen Abwicklungsfonds zustimmen, wollte erreichen, dass jedes EU-Land national einen aufbaut, allerdings mit gemeinsamen Standards. Gleiches gilt für die Einlagensicherung. Es sollte nicht zum Thema werden, dass Deutschland über die Bankenunion in eine Art Haftungsgemeinschaft für sämtliche Banken in der Eurozone geraten könnte.

" "Wir wollen nicht verzögern – nur, wir brauchen klare Rechtsgrundlagen. Das können nur die nationalen und die müssen europäisch koordiniert werden auf europäischer Ebene. Und wer mehr will, der muss mit der deutschen Regierung für ein ‚amendment zum treaty’ eintreten."

"Treaty Change" – Vertragsänderung. Da denkt mancher an ellenlange Verhandlungen, mit der Gefahr, dass sie am Ende scheitern. Und schreckt vor dergestalt grundsätzlichen Veränderungen in der Struktur der EU, die an den Europäischen Verträgen rühren, so lange wie möglich zurück. Andererseits hatte gerade Angela Merkel immer wieder gesagt, dass nur eine Lehre aus der gegenwärtigen Krise gezogen werden könne:

"Wir brauchen mehr Europa. Wir brauchen nicht nur eine Währungsunion, sondern wir brauchen auch mehr gemeinsame Haushaltspolitik. Und wir brauchen vor allen Dingen auch eine politische Union."

Aber genau da, wurde in Brüssel kritisiert, habe Deutschland zuletzt die Diskussion wenig ambitioniert eher begleitet, denn sie vorangetrieben, habe die Vision und die Richtung gefehlt.

Beispiel Nr. 3: Neue CO2-Grenzwerte für Autos. In zähen Verhandlungen hatten sich EU-Kommission, EU-Parlament und die EU-Länder scheinbar auf zukünftig strengere Abgas-Grenzwerte für Autos geeinigt - Teil der EU-Klimastrategie nach 2020. Deutschland sorgte mit Rücksicht auf die heimische Autoindustrie vor drei Monaten kurzerhand dafür, dass es nicht zur abschließenden Zustimmung der EU-Länder zum ausgehandelten Kompromiss kam. Für den Vorsitzenden des Umweltausschusses im EU-Parlament, den SPD-Abgeordneten Matthias Groote, ein noch nicht da gewesener Affront.

"Das habe ich in so einer Form noch nicht erlebt. Das ist kein Ruhmesblatt, was die Deutschen da abgeliefert haben."

Auch diese Verhandlungen müssen jetzt dringlich weiter gehen.
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