Berlusconis Ende "seit Langem begonnen"
Für den angekündigten politischen Neuanfang habe Silvio Berlusconi nicht mehr den notwendigen Freiraum, sagt Herbert Dorfmann. Dennoch sieht der konservative EU-Parlamentarier die Gefahr, dass der Ex-Ministerpräsident die italienische Regierung doch noch zu Fall bringen könnte.
Jörg Degenhardt: Silvio Berlusconi, der frühere Ministerpräsident seines Landes, bestimmt heute einmal mehr die Schlagzeilen. Unterstützt seine Partei weiter das Regierungsbündnis von Enrico Letta? Das ist die große Frage. Oder lässt Berlusconi die Muskeln spielen, falls er nach seiner Verurteilung wegen Steuerhinterziehung aus dem Parlament ausgeschlossen wird? Eigentlich wollte sich der Medienmogul bereits gestern in einer Videobotschaft äußern. Die wurde aber verschoben, angeblich, weil die Bergung der Costa Concordia ihm nicht die Show stehlen sollte. Herbert Dorfmann ist Mitglied der Südtiroler Volkspartei und Europaabgeordneter. Guten Morgen, Herr Dorfmann!
Herbert Dorfmann: Schönen guten Morgen aus Brüssel!
Degenhardt: Steht Italien wieder einmal am Scheideweg?
Dorfmann: Das kann man sicher sagen. Es ist ja, denke ich, relativ unklar, was heute überhaupt passiert, weil es im Grunde verschiedene Szenarien gibt. In Rom tuschelt man auch darüber, dass Silvio Berlusconi diese Videobotschaft vielleicht nutzen könnte, vorzeitig zurückzutreten, bevor heute am Abend ein praktisch sicheres Votum ihn noch nicht aus dem Senat entfernen wird, aber doch den ersten wichtigen Schritt machen wird, damit der Cavaliere nicht mehr Senator sein wird.
Degenhardt: Das heißt, das wäre heute der Anfang vom endgültigen Ende Berlusconis, zumindest in der politischen Arena?
Dorfmann: Ich denke, der Anfang hat seit Langem begonnen. Die Verurteilung beim Obersten Gerichtshof war selbstverständlich für Silvio Berlusconi irgendwo der Anfang vom Ende. Das war nämlich nur der erste Prozess. Ein paar andere folgen ja jetzt, auch wenn das nicht direkt mit der politischen Tätigkeit zusammenhängt. Aber das Urteil von gestern, also die Rückerstattung von immerhin 541 Millionen durch sein Unternehmen an ein anderes Unternehmen ist wieder ein Rückschlag für Silvio Berlusconi. Ich denke, das Ende hat seit Langem begonnen, aber es ist ein langes Ende, leider.
Degenhardt: Berlusconi und seine Partei wollen ja durchaus Sonderregelungen anstreben, aber würde das nicht ein schlechtes Licht auf den Rechtsstaat werfen, auf das politische System in Italien?
Dorfmann: Also grundsätzlich denke ich, jeder Politiker mit Anstand wäre ja seit Langem zurückgetreten. Silvio Berlusconi ist rechtskräftig verurteilt. Er hat zwei massive Probleme mit dieser Verurteilung: Einerseits gibt es das so genannte Severino-Gesetz, das vorsieht, dass niemand im italienischen Parlament sitzen darf, der zu länger als zwei Jahren Gefängnis verurteilt ist, und andererseits wird doch in wenigen Wochen auch die Zusatzstrafe zum Urteil des Obersten Gerichtshofs kommen, das heißt, Silvio Berlusconi wird dann für drei Jahre von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen werden.
Das, was jetzt seine Treuen – also in Italien heißen die dann die "Fedelissimi", also die sehr Treuen – machen, ist zum Teil ja absurd. Also die Forderung, der Senat, also das Parlament selber möge doch den Obersten Gerichtshof anrufen und fragen, ob das eigene Gesetz des Senats, also dass der Senat selbst erst vor wenigen Monaten gemacht hat, ob dieses Gesetz rechtlich in Ordnung ist – das ist doch vollkommen absurd. Ein Parlament kann doch nicht das Gericht fragen, ob das eigene Gesetz so okay ist.
Herbert Dorfmann: Schönen guten Morgen aus Brüssel!
Degenhardt: Steht Italien wieder einmal am Scheideweg?
Dorfmann: Das kann man sicher sagen. Es ist ja, denke ich, relativ unklar, was heute überhaupt passiert, weil es im Grunde verschiedene Szenarien gibt. In Rom tuschelt man auch darüber, dass Silvio Berlusconi diese Videobotschaft vielleicht nutzen könnte, vorzeitig zurückzutreten, bevor heute am Abend ein praktisch sicheres Votum ihn noch nicht aus dem Senat entfernen wird, aber doch den ersten wichtigen Schritt machen wird, damit der Cavaliere nicht mehr Senator sein wird.
Degenhardt: Das heißt, das wäre heute der Anfang vom endgültigen Ende Berlusconis, zumindest in der politischen Arena?
Dorfmann: Ich denke, der Anfang hat seit Langem begonnen. Die Verurteilung beim Obersten Gerichtshof war selbstverständlich für Silvio Berlusconi irgendwo der Anfang vom Ende. Das war nämlich nur der erste Prozess. Ein paar andere folgen ja jetzt, auch wenn das nicht direkt mit der politischen Tätigkeit zusammenhängt. Aber das Urteil von gestern, also die Rückerstattung von immerhin 541 Millionen durch sein Unternehmen an ein anderes Unternehmen ist wieder ein Rückschlag für Silvio Berlusconi. Ich denke, das Ende hat seit Langem begonnen, aber es ist ein langes Ende, leider.
Degenhardt: Berlusconi und seine Partei wollen ja durchaus Sonderregelungen anstreben, aber würde das nicht ein schlechtes Licht auf den Rechtsstaat werfen, auf das politische System in Italien?
Dorfmann: Also grundsätzlich denke ich, jeder Politiker mit Anstand wäre ja seit Langem zurückgetreten. Silvio Berlusconi ist rechtskräftig verurteilt. Er hat zwei massive Probleme mit dieser Verurteilung: Einerseits gibt es das so genannte Severino-Gesetz, das vorsieht, dass niemand im italienischen Parlament sitzen darf, der zu länger als zwei Jahren Gefängnis verurteilt ist, und andererseits wird doch in wenigen Wochen auch die Zusatzstrafe zum Urteil des Obersten Gerichtshofs kommen, das heißt, Silvio Berlusconi wird dann für drei Jahre von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen werden.
Das, was jetzt seine Treuen – also in Italien heißen die dann die "Fedelissimi", also die sehr Treuen – machen, ist zum Teil ja absurd. Also die Forderung, der Senat, also das Parlament selber möge doch den Obersten Gerichtshof anrufen und fragen, ob das eigene Gesetz des Senats, also dass der Senat selbst erst vor wenigen Monaten gemacht hat, ob dieses Gesetz rechtlich in Ordnung ist – das ist doch vollkommen absurd. Ein Parlament kann doch nicht das Gericht fragen, ob das eigene Gesetz so okay ist.
"Berlusconi versucht, noch einmal neu durchzustarten"
Degenhardt: Andererseits wird Berlusconi gebraucht, besser gesagt, seine Partei wird gebraucht, damit das Regierungsbündnis nicht platzt. Stimmt das nicht auch bedenklich für die politische Kultur, wenn einer wie Berlusconi unverzichtbar erscheint?
Dorfmann: Silvio Berlusconi hat immer eine gute Nase für die Stimmung im Volk gehabt. Und ich denke, dass die italienischen Wähler derzeit keine Lust haben, dass die derzeitige Regierung in die Luft geht. Insofern wird es Silvio Berlusconi heute und in den nächsten Tagen sehr gut überlegen, ob er diese Gelegenheit nutzt, um die Regierung nach Hause zu schicken. Da könnte er seinen nächsten Wahlkampf deutlich beeinflussen. Ich gehe jetzt eher davon, dass Silvio Berlusconi jetzt eine Neugründung, eine Gründung einer neuen Partei, das hat er ja schon angekündigt, dass er aus dem PDL wieder die alte Forza Italia machen will.
Dass er das jetzt ankündigt, dass er versucht, hier neu durchzustarten, wissend, dass er selbst das höchstwahrscheinlich nur noch zum Teil gestalten kann, weil er nicht mehr den notwendigen Freiraum hat – er muss sich ja mit der Idee des Hausarrestes befassen. Darum wird er nicht herumkommen. Und dass er dann vielleicht irgendeine politische Gelegenheit in den nächsten Wochen und Monaten nutzen wird, um die Regierung zu Fall zu bringen. Dazu muss man ja auch sagen, der Regierung droht ja nicht nur Ungemach von rechts, also aus der Berlusconi-Partei, sondern auch im selben, in der Partei des Ministerpräsident selber, also der Partito Democratico, brodelt es ja ordentlich, weil dort vor allem der Bürgermeister aus Florenz, Matteo Renzi, ordentlich Druck macht, selber ganz nach oben zu kommen.
Degenhardt: Schauen wir noch auf die Wirtschaft, nicht unwichtig. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Währungsunion, nämlich die italienische, sie ist im zweiten Quartal das achte Mal in Folge geschrumpft. Das ist die längste Durststrecke der Nachkriegszeit. Herr Dorfmann, was macht Ihnen denn Hoffnung, dass es mit der Rezession in absehbarer Zeit doch mal vorbei sein könnte?
Dorfmann: Ich bin überzeugt, in Italien gibt es zwei massive Probleme. Eines ist die fehlende Governance, also die fehlende politische Stärke und die fehlende politische Orientierung. Und andererseits hat Italien ein massives Problem der Wettbewerbsfähigkeit. Während man die Governance hoffentlich in den nächsten Monaten wieder auf den Weg bringt, bekommt man die Wettbewerbsfähigkeit nicht von heute auf morgen auf den Weg. Und Italien hat hier de facto, wenn man sich die wirtschaftliche Entwicklung anschaut, de facto 20 Jahre verschlafen. Viele Dinge in Italien funktionieren schlichtweg nicht. Die Gerichtsbarkeit funktioniert nicht, wir haben massive Probleme in den Ausbildungssystemen, die Unternehmen schaffen es ganz einfach nicht mehr.
Und wir spüren das auch bei uns in Südtirol, aber wir spüren das inzwischen in ganz Italien, den Unternehmen bleibt die Luft weg. Und das ist nicht eine Frage einer Wirtschaftskrise, die sich zugegebenermaßen jetzt auch über lange Zeit hinzieht. Das ist ein massives Problem der Wettbewerbsfähigkeit, und das geht nicht von allein wieder weg. Das heißt, die Hoffnung, dass Europa sozusagen wieder anzieht und dass die Weltwirtschaft wieder anzieht und Italien in diesem Sog dann mit anzieht, diese Hoffnung, glaube ich, muss man leider begraben. Italien muss darüber nachdenken, wie man die eigene Wettbewerbsfähigkeit wieder auf den richtigen Weg bekommt. So, wie man es übrigens über lange Zeit hatte: Italien war über lange Zeit, nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die 90er-Jahre wirtschaftlich ein höchst erfolgreiches Land, und hier muss man sich doch auch fragen, ob die Politik der letzten 20 Jahre hier nicht zu viele Fehler gemacht hat.
Degenhardt: Wieder mal steht Italien vor einem entscheidenden Tag. Das Ende des Politikers Silvio Berlusconi könnte heute besiegelt werden. Das war Herbert Dorfmann, Mitglied der Südtiroler Volkspartei und italienischer Europaabgeordneter. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dorfmann!
Dorfmann: Danke Ihnen, einen schönen Tag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Dorfmann: Silvio Berlusconi hat immer eine gute Nase für die Stimmung im Volk gehabt. Und ich denke, dass die italienischen Wähler derzeit keine Lust haben, dass die derzeitige Regierung in die Luft geht. Insofern wird es Silvio Berlusconi heute und in den nächsten Tagen sehr gut überlegen, ob er diese Gelegenheit nutzt, um die Regierung nach Hause zu schicken. Da könnte er seinen nächsten Wahlkampf deutlich beeinflussen. Ich gehe jetzt eher davon, dass Silvio Berlusconi jetzt eine Neugründung, eine Gründung einer neuen Partei, das hat er ja schon angekündigt, dass er aus dem PDL wieder die alte Forza Italia machen will.
Dass er das jetzt ankündigt, dass er versucht, hier neu durchzustarten, wissend, dass er selbst das höchstwahrscheinlich nur noch zum Teil gestalten kann, weil er nicht mehr den notwendigen Freiraum hat – er muss sich ja mit der Idee des Hausarrestes befassen. Darum wird er nicht herumkommen. Und dass er dann vielleicht irgendeine politische Gelegenheit in den nächsten Wochen und Monaten nutzen wird, um die Regierung zu Fall zu bringen. Dazu muss man ja auch sagen, der Regierung droht ja nicht nur Ungemach von rechts, also aus der Berlusconi-Partei, sondern auch im selben, in der Partei des Ministerpräsident selber, also der Partito Democratico, brodelt es ja ordentlich, weil dort vor allem der Bürgermeister aus Florenz, Matteo Renzi, ordentlich Druck macht, selber ganz nach oben zu kommen.
Degenhardt: Schauen wir noch auf die Wirtschaft, nicht unwichtig. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Währungsunion, nämlich die italienische, sie ist im zweiten Quartal das achte Mal in Folge geschrumpft. Das ist die längste Durststrecke der Nachkriegszeit. Herr Dorfmann, was macht Ihnen denn Hoffnung, dass es mit der Rezession in absehbarer Zeit doch mal vorbei sein könnte?
Dorfmann: Ich bin überzeugt, in Italien gibt es zwei massive Probleme. Eines ist die fehlende Governance, also die fehlende politische Stärke und die fehlende politische Orientierung. Und andererseits hat Italien ein massives Problem der Wettbewerbsfähigkeit. Während man die Governance hoffentlich in den nächsten Monaten wieder auf den Weg bringt, bekommt man die Wettbewerbsfähigkeit nicht von heute auf morgen auf den Weg. Und Italien hat hier de facto, wenn man sich die wirtschaftliche Entwicklung anschaut, de facto 20 Jahre verschlafen. Viele Dinge in Italien funktionieren schlichtweg nicht. Die Gerichtsbarkeit funktioniert nicht, wir haben massive Probleme in den Ausbildungssystemen, die Unternehmen schaffen es ganz einfach nicht mehr.
Und wir spüren das auch bei uns in Südtirol, aber wir spüren das inzwischen in ganz Italien, den Unternehmen bleibt die Luft weg. Und das ist nicht eine Frage einer Wirtschaftskrise, die sich zugegebenermaßen jetzt auch über lange Zeit hinzieht. Das ist ein massives Problem der Wettbewerbsfähigkeit, und das geht nicht von allein wieder weg. Das heißt, die Hoffnung, dass Europa sozusagen wieder anzieht und dass die Weltwirtschaft wieder anzieht und Italien in diesem Sog dann mit anzieht, diese Hoffnung, glaube ich, muss man leider begraben. Italien muss darüber nachdenken, wie man die eigene Wettbewerbsfähigkeit wieder auf den richtigen Weg bekommt. So, wie man es übrigens über lange Zeit hatte: Italien war über lange Zeit, nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die 90er-Jahre wirtschaftlich ein höchst erfolgreiches Land, und hier muss man sich doch auch fragen, ob die Politik der letzten 20 Jahre hier nicht zu viele Fehler gemacht hat.
Degenhardt: Wieder mal steht Italien vor einem entscheidenden Tag. Das Ende des Politikers Silvio Berlusconi könnte heute besiegelt werden. Das war Herbert Dorfmann, Mitglied der Südtiroler Volkspartei und italienischer Europaabgeordneter. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dorfmann!
Dorfmann: Danke Ihnen, einen schönen Tag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.