Andrea Bajani wurde 1975 in Rom geboren. Seit dem Erfolg seines Romandebüts "Mit herzlichen Grüßen" (2005) lebt er als freier Autor in Turin. Daneben schreibt Bajani für die Tageszeitungen "La Stampa", "L’Unità" und "Il Sole 24 Ore". 2008 wurde er für seinen Roman "Lorenzos Reise" mit dem Premio Mondello, dem Premio Recanati und dem Premio Brancati ausgezeichnet. Derzeit lebt er als Stipendiat der Villa Concordia in Bamberg.
Trump als Wiedergänger Berlusconis
Donald Trump ist für viele Europäer eine Witzfigur. Das war Silvio Berlusconi vor 20 Jahren auch schon mal. Dass er nicht ernst genommen wurde, hat seinen Erfolg nicht gebremst - im Gegenteil. Mit Trump räche sich der Hochmut der Intellektuellen, meint der italienische Autor Andrea Bajani.
Durch Donald Trump entdeckt Amerika gerade etwas, dem das Italien von Silvio Berlusconi zu Weltberühmtheit verholfen hat: das Fettnäpfchen. Und in Europa fragen sich heute alle, ob im Hämoglobin des New Yorker Milliardärs womöglich Spuren von italianità enthalten sind, aber das ist die Art Fragen, deren Antwort beruhigen soll. Etwas Abscheuliches geografisch einzuhegen – das ist ein alter Trick von Paranoikern und Angsthasen, wobei die beiden eigentlich dasselbe sind, nur dass sich bei ersteren die Angst flächendeckend ausgebreitet hat.
Italien endet als Wurm mitten im Big Apple. Nach der Ära der Gangster der sizilianischen Mafia ist jetzt der vulgäre Krösus und Schürzenjäger an der Reihe. Und wir dürfen alle mitrechnen, wie oft ein Silvio Berlusconi wohl in einen Donald Trump passt. Zwei Milliardäre, beide nicht salonfähig, beide nur Geld und Sex-Skandale, zwei Schießbudenfiguren mit transplantierten Haaren oder – für die Boshafteren – Toupets.
In Italien feiert man gerade den 80. Geburtstag Berlusconis
Während der Macho Trump Hillary Clinton beim Fernsehduell den Mund verbietet, um Amerika zu erobern, zelebriert Italien den Abschied von Berlusconi in Form eines runden Geburtstags. Das heißt: Es feiert Silvio Berlusconis 80 Lebensjahre mit einer Parade von Familien- und internationalen Fettnäpfchenfotos.
Die Familienfotos liefern seine Jünger, Untertanen, die aus Eigeninteressen mit "Silvio" verbunden sind. Die Serie seiner Blamagen haben die sogenannten Verleumder jenes Mannes veröffentlicht, der neben allerlei anderem Partys mit kleinen Mädchen veranstaltete. Sie hatten gedacht, wenn man nur aller Welt zeigt, dass der Mann ein Skandal, also unhaltbar ist, wird man ihn leicht wieder los.
Hier also die Bilder von Silvio Berlusconi umrahmt von seinen Kindern und Enkeln in der Pose des Familienopas, der mit den und für die Erben ein florierendes Imperium aus Fußballvereinen und Fernsehsendern leitet. Da die Auftritte, die ihn weltberühmt gemacht haben: Silvio Berlusconi beim EU-Außenministertreffen 2002, mit gespreizten Fingern, den spanischen Außenminister als "Gehörnten" verhöhnend; beim Kuckuckspielen mit Kanzlerin Merkel bei deutsch-italienischen Regierungsgesprächen 2008; als Redner im Straßburger Europaparlament 2003, wo er Martin Schulz die Rolle des KZ-Kapos anempfiehlt.
Trump wie Berlusconi werden von vielen verehrt
Die beiden Männer haben – neben ihren Sex-Skandalen, ihrer stolz im Fernsehen zur Schau gestellten Arroganz, ihrem Rassismus (ob Trump auch noch irgendwann Obama für seine "Sonnenbräune" lobt?), neben ihren Wirtschaftsrezepten, die auf viel, viel Geld in Händen ganz, ganz Weniger basieren – vor allem eins gemeinsam: Sie stoßen auf das Wohlwollen von Millionen Menschen. Und auf die Kurzsichtigkeit all derjenigen, die auf den kleinen Finger des Hanswursts starren und nicht auf die Mengen von begeistert klatschenden Händen.
Wir haben diese Hände in Italien 20 Jahre lang ignoriert, im hochmütigen Glauben, die Monstrosität eines Mannes, der sich so benimmt, sei doch evident. Und mehr noch: Wir haben seine Botschaft verbreitet, indem wir darüber gelacht und sie in einen Witz verwandelt haben, exportfähig für den Rest des Planeten. 20 Jahre lang haben wir versäumt, auf die Hände zu schauen, die sich da wundklatschten und ihr Wohlgefallen an den Worten des damaligen Präsidenten kundtaten. Hätten wir sie uns angesehen, wir hätten gemerkt, dass es ganz normale Hände waren, deren Applaus allerdings niemand gesucht hatte. Italien hat sich für diese Hände nicht interessiert, Berlusconi übrigens auch nicht mehr, nachdem er ihren Applaus bekommen hatte.
Und so verschwanden die Hände wieder tief in den Taschen, mit einer Mischung aus Melancholie und der Hoffnung, dass irgendjemand sie irgendwann wieder herausbitten würde. In Italien ist es dazu nicht mehr gekommen.
Mir scheint, dass man zu Donald Trump und Silvio Berlusconi nur eins sagen kann: Wer den Scheinwerfer auf das Monster richtet, lässt all diejenigen im Dunkeln stehen, die ihm glauben. Also die Millionen arme Leute, die meinen, Politik könne ihr Leben verändern. In Italien wie in den USA, in Griechenland wie in Deutschland. Aber genau das Dunkel um das herum, was uns heute Angst macht, ist es, was eigentlich erzählt werden müsste.
Aus dem Italienischen übersetzt von Pieke Biermann