Bernd Brunner: "Das Buch der Nacht"
Galiani, Berlin 2021
192 Seiten, 28 Euro
Es werde dunkel
11:02 Minuten
Die Dunkelheit birgt Gefahren, ist aber auch verheißungsvoll und romantisch. Manchen macht sie Angst, andere machen die Nacht zum Tag. Im "Buch der Nacht" widmet sich der Autor Bernd Brunner all diesen Facetten.
In vielen Büchern hat der Berliner Autor Bernd Brunner auf höchst unterhaltsame Weise Kultur- und Wissenschaftsgeschichte verbunden. Dieses Talent unterstreicht er jetzt mit dem "Buch der Nacht". Seine vorausgegangenen Werke handelten von Mond und Mensch, vom Winter und zuletzt der Erfindung des Nordens.
Die Nacht scheint da nur eine logische Konsequenz zu sein. Der Schriftsteller selbst sagt, dass ihn vor allem das Wechselspiel aus positiven und negativen Seiten gereizt hat, das mit Nacht und Dunkelheit verbunden wird.
Lichtflüchter im alten Rom
Eine Station vom "Buch der Nacht" ist dabei das alte Rom. Dies habe – ganz im Gegensatz zum späteren Mittelalter – ein aktives Nachtleben gehabt. So entflohen die sogenannten "Lucifugae" dem Tageslicht sogar komplett. Oder Menschen, die einfach nachts ihrer Arbeit nachgingen oder andere terrorisierten.
Das alles sei ohne Beleuchtung geschehen, die Stadt blieb also dunkel. Nach dem Ende des Römischen Reiches sei vieles dann in der absoluten Dunkelheit versunken.
Zum Beispiel dank Nachtwächtern – Personen, die von Städten angestellt wurden, um Menschen abends in ihre Häuser zu treiben. Zu Hause wurde dann im Kerzenlicht gestrickt, sich unterhalten, aber eben nicht draußen. Dazu käme das zweiphasige Schlafen:
"Man ist sehr früh schlafen gegangen. Eben, weil es auch nicht mehr so viel Licht gab und weil Licht teuer war. Dann ist man aber Mitternacht wieder aufgestanden, hat Feuer gemacht, sich unterhalten oder miteinander geschlafen. Und dann sind die Menschen wieder ins Bett gegangen. Also wirklich ganz anders als heute."
Streifzüge durch die Dunkelheit
Brunner beleuchtet in dem Buch auch den Übergang der Nacht von etwas Bedrohlichem zu etwas, das erkundet werden möchte. Zum Beispiel durch Nachtwanderer, die forschend durch die Dunkelheit streiften, um darüber zu schreiben.
Oder Nachtagenten wie den französischen Romancier Nicolas-Edme Rétif de La Bretonne, der im Paris des ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhunderts unterwegs war:
"Es ist ein bisschen rätselhaft, in wessen Auftrag er das eigentlich gemacht hat. Es gibt eine These, dass er als Agent im Auftrag der Polizei unterwegs gewesen war. Andererseits hat er sich in seinen Schilderungen als Eulenzuschauer bezeichnet. Etwas, das er wirklich auch mit Emphase und gerne gemacht hat. Vielleicht sich aber auch einfach ergänzt."
Die Geschichte des Nachtlebens beginnt als etwas, das unterdrückt wurde. So seien Frankfurter Cafés im 18. Jahrhundert durch die Polizei geschlossen worden. Erst Ende des 19. Jahrhunderts habe sich in Paris ein echtes Nachtleben entwickeln können, das zu einer Art Mode wurde, die von Leuten zelebriert wurde, die sich sonst von der Gesellschaft ausgeschlossen fühlten – etwas, das man bis in die Gegenwart beobachten könne.
Nachts leuchten die Felder der Niederlande
Eine – sehr helle – Schattenseite dieser Entwicklung ist die Lichtverschmutzung, die sich alleine in den letzten 30 Jahren verdoppelt habe. So komme ein Rhythmus, der sich nicht nur bei Menschen, sondern auch bei Tieren über 10.000 Jahre entwickelt habe, außer Takt, meint Brunner.
Ein Beispiel seien Felder in den Niederlanden, die nachts beleuchtet würden, um Pflanzenwachstum anzuregen: "Das ist natürlich der Hammer, irgendwie. Ich will denen auch ihren Umsatz nicht streitig machen. Bestimmte Produktionsprozesse müssen schließlich weiterlaufen. Aber man muss sich natürlich irgendwann schon mal fragen: Wie weit geht das eigentlich? Ich denke, man muss selbst anfangen, da Grenzen zu ziehen."