Bernhard Maier: "Die Bekehrung der Welt. Eine Geschichte der christlichen Mission der Neuzeit"
C.H. Beck, München 2021
448 Seiten, 32 Euro
Missionierung und Zwangsarbeit gingen Hand in Hand
05:53 Minuten
Der Religionswissenschaftler Bernhard Maier liefert ein Kompendium kolonialer Missionsgeschichte quer durch die Jahrhunderte und Kontinente. Dabei zeigt sich: Missionierung und Ausbeutung der einheimischen Bevölkerung liefen stets zusammen.
Es soll eigentlich um die Neuzeit gehen in diesem Buch, genauer: um die Zeit nach der Landung des Christoph Kolumbus auf Hispaniola 1492, die seither als "Entdeckung Amerikas" bezeichnet wird.
Allerdings konnte es sich der Kelten-Experte Maier nicht verkneifen, in seiner Einleitung auf die Ausbreitung des frühen Christentums zurückzukommen, von den Reisen des Apostels Paulus bis zur (Zwangs-)Christianisierung der Slawen. Und das ist gut so, denn in diesem Auftakt lässt sich klar mitlesen, wie sehr die Verbreitung von Religion mit Machtkonstellationen und materiellen Interessen verbunden war.
Missionierung und Kolonialismus
Sodann reist das Buch auf den Spuren des Kolonialismus in zwölf Kapiteln durch fünf Kontinente und sechs Jahrhunderte, und man wundert sich, wie viele Namen, Ereignisse, Artefakte und Orte auf rund 300 Textseiten Platz haben.
Maier beginnt, wie es nur logisch ist, mit der Missionierung Lateinamerikas, die von Anfang an von Papst Alexander IV. als Bedingung der spanischen Kolonialherrschaft über die entdeckten Gebiete definiert war.
Dargestellt wird in verständlicher Kürze, wie diese Koppelung in ein Verwaltungssystem überführt wurde: nämlich über von der Krone eingesetzte Landherren, die sowohl für Missionierung wie für die Ausbeutung der einheimischen Arbeitskräfte zuständig waren. Das führte, wie Maier schreibt, dazu, dass "die Betroffenen Christianisierung und Eroberung sowie Missionierung und Zwangsarbeit als zwei Seiten ein und derselben Medaille wahrnehmen mussten".
Neutralität vor dem Ungeheuerlichen
Die Leserin stellt sich nun automatisch die Frage, welche Perspektive der Autor da eigentlich einnimmt. Die "Wahrnehmung der Betroffenen" ist ja gemäß seinen eigenen Befunden unzweifelhaft eine historische Tatsache.
Dennoch befleißigt er sich, hier wie an vielen anderen Passagen (etwa im Hinblick auf Ostafrika), einer Haltung, die wir als "wissenschaftlich" zu bezeichnen gelernt haben: neutral, nicht wertend, adjektivlos, aufzählend. Doch eine Formulierung, die historische Fakten zur Wahrnehmungsfrage der anderen erklärt, ist nicht neutral, sondern unhinterfragt eurozentristisch, zu nah an ihren europäischen Quellen.
Dabei hat Maier die innige dialektische Verbindung von Mission und Kolonialherrschaft beständig im Blick, egal ob es nun um Indien, Ozeanien, Afrika, China oder Nordamerika geht. Stets beginnt er mit der lokalen Kolonialgeschichte, schildert ihren Verlauf, die jeweiligen Verwicklungen und Bündnisse, um auf dieser Grundlage Rolle und Wirkung der christlichen Mission(en) einzuordnen.
Es ist zugleich die Schwäche und die Stärke dieses Buchs, dass es keiner These folgt und auf keine bestimmte Erkenntnis abzielt. Fragen nach Sinn und Schuld der christlichen Missionen, samt deren ethnowissenschaftlichem Kontext, kommen zu kurz. Quellenkritik findet nicht statt. Andererseits funktioniert es ganz gut als handliches Nachschlagewerk der Missionsgeschichte.