Bernie Sanders in Berlin

Der "populärste Sozialist weltweit" teilt aus

Der US-amerikanische Senator Bernie Sanders hat an der freien Universität (FU) Berlin eine Rede überwiegend vor Studierenden gehalten und danach Fragen beantwortet, die Studierende vorher eingereicht hatten. Der Ullstein Verlag, die Wochenzeitung Die Zeit und die FU hatten die Veranstaltung anlässlich der Veröffentlichung der deutschen Übersetzung von Sanders Biographie "Unsere Revolution" organisiert.
Der US-Politiker und ehemalige Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders kommt in den Audimax im Henry-Ford-Bau der Freien Universität Berlin. © picture alliance / dpa / Lino Mirgeler
Von Stefan Maas · 31.05.2017
Der parteilose US-Senator Bernie Sanders ist nach Berlin gekommen, um seine Vision für eine gerechtere Welt zu verbreiten. In einer Rede bezeichnete er US-Präsident Donald Trump als Lügner und machte klar, was er politisch für dringend nötig hält.
Kaum dass Bernie Sanders gemeinsam mit seiner Frau den großen hellen Vorlesungsaal an der Freien Universität Berlin betreten hat, hat das vor allem junge Publikum ihm längst verziehen, dass er es hat warten lassen – es ist völlig klar: Auch der Berliner Verkehr kann den Senator aus Vermont nur kurz aufhalten. Stoppen, so gewinnt das Publikum bald den Eindruck, kann den 75-Jährigen inzwischen nichts mehr.
Sanders ist nach Deutschland gekommen, um sein Ende der Woche erscheinendes Buch "Unsere Revolution" vorzustellen. In dem geht es um sein Programm, aber es geht auch um ihn. Ihn, der im Vorwahlkampf der Demokraten die Herzen vieler junger und linker Wähler gewonnen hat, bevor er sich Hilary Clinton geschlagen geben musste. Doch bevor es dann wirklich um ihn, Bernie Sanders, geht, muss es erst angesprochen werden. Dieses eine Thema, das viele in Europa interessiere, sagt Sanders. Wie stehe er zu Donald Trumps Präsidentschaft?

Sanders: Trump versündigt sich an seinem Volk

Es sei kein großes Geheimnis, dass er, um es vorsichtig auszudrücken, kein großer Fan sei. Der – wie es auf dem Schutzumschlag seines Buches heißt – "populärste Sozialist weltweit" geht hart mit dem 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten ins Gericht. Zu den Meldungen, Trump werde wahrscheinlich das Pariser Klimaabkommen aufkündigen, sagte Sanders, wenn er das mache, sei das ein schrecklicher Fehler. Aber, das ist dem Senator wichtig, denn er wiederholt es immer wieder im Laufe des Abends, anders als Donald Trump wüssten die Amerikaner, dass der Klimawandel keine Erfindung sei – sondern gefährliche Realität, vom Menschen verursacht.
Überhaupt, auch das bemüht sich der 75-Jährige immer wieder zu betonen, stehe Trump nicht für alle Amerikaner. Vielmehr versündige sich der Präsident an seinem Volk. Der Präsident wolle den Armen, Alten und Kranken das Nötigste wegkürzen, um die Reichen zu entlasten, er greife die Justiz an, das demokratische System überhaupt, fühle sich an der Seite autokratischer Herrscher wohler als an einem Tisch mit demokratischen Staats- und Regierungschefs, sei ein Lügner. Vor allem aber breche er mit einer elementaren Tradition amerikanischer Präsidenten.

Millionen Abgehängte verhalfen Trump zum Sieg

Der Job eines politischen Anführers sei es, sein Volk zusammenzubringen, nicht es zu spalten. Warum aber haben so viele Menschen Donald Trump ihre Stimme gegeben, fragt Sanders Sanders, um dann geschickt zu seinem Buch, seinem Programm, seiner Revolution zu kommen. Trump habe die Wahl gewonnen, weil viele Millionen amerikanischer Arbeiter, gerade in ländlichen Gebieten, von der Weltwirtschaft zurückgelassen worden seien. Stillgelegte Firmen, Menschen ohne adäquate Bildung, Städte aus denen die jungen Menschen flöhen, um anderswo Arbeit zu finden. Diese Menschen seien viel zu lange im Stich gelassen worden. Von Politikern im Allgemeinen. Vor allem aber von der demokratischen Partei. Von den Politikern in Washington.
Deshalb sei es höchste Zeit für eine Gesundheitsversorgung, die sich alle leisten könnten. Bezahlbare Bildung. Universitäten, die ihre Studenten nicht mit Schuldenbergen ins Berufsleben entließen, ein Steuersystem, das nicht nur den Reiche und Großkonzernen nütze. Weltweite Zusammenarbeit, die verhindere, dass sich Macht und Reichtum in den Händen weniger sammelten und dadurch letztlich die Demokratie aushöhlten.

Arbeiter hätten Hunger nach großen Ideen

Als er sich entschieden habe, ins Renne um die Präsidentschaft einzusteigen, habe er nichts über Präsidentschaftskampagnen gewusst. Das habe er schnell gelernt. Und noch etwas sehr Wichtiges: Er habe bei Arbeitern, bei jungen Leuten einen Hunger gespürt. Hunger nach großen Ideen. Nicht nach kleinen Lösungen. Wird sie also doch kommen? Die Revolution? Ob er dafür noch einmal antreten werde? Das habe er noch nicht entschieden, sagt Sanders.
Nimmt man den Applaus als Messwert, Bernie Sanders wäre – zumindest an diesem Abend in Berlin – ein sozialistisch gutes Ergebnis sicher.
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mia
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