Er wollte in die SED
Bertolt Brecht wäre fast in die SED eingetreten - und das unmittelbar nach dem Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953. So ist es in den Tagebüchern des Schriftstellers Erwin Strittmatter zu lesen. Dass Brecht nach drei Tagen offenbar aus reiner Taktik nicht mehr wollte - das hat selbst den Brecht-Kenner Erdmut Wizisla überrascht.
Bertolt Brecht als SED-Mitglied? Gar nicht abwegig, findet der Leiter des Brecht-Archivs, Erdmut Wizisla. Habe der Dichter doch der Partei stets kritisch-solidarisch gegenübergestanden. Doch was der ostdeutsche Schriftsteller Erwin Strittmatter (1912-1994) in seinen Tagebüchern über seinen damaligen Chef am Berliner Ensemble geschrieben hat, enthält auch für Wizisla Neues.
"Nun will ich nicht mehr - der Effekt ist weg"
Danach soll Brecht Strittmatter am 17. Juni 1953 losgeschickt haben, den Parteioberen mitzuteilen, er wolle rasch Mitglied der SED werden. Er habe sich davon eine Wirkung auf die Gegner im Westen versprochen. Doch die Parteioberen zögerten - und nach drei Tagen habe Brecht gesagt: "Nun will ich nicht mehr - der Effekt ist weg."
"Einordnung, Disziplin - das war ihm zuwider"
Neu für ihn sei diese "taktische Erwägung" gewesen, sagt Wizisla. "Das passt aber absolut zu dem, was wir zu Brechts politischem Verhalten wissen." Der Dichter habe bereits in den zwanziger Jahren ein gespaltenes Verhältnis zu den Kommunisten gehabt: In die Partei sei er auch damals nicht eingetreten, obwohl er sich öffentlich für den Kommunismus aussprach. "Alles, was Parteilinie war, was Einordnung, Disziplin war - das war ihm zuwider", sagt Wizisla. "Da war er zu sehr Künstler, um in der Lage gewesen zu sein, das mitzumachen."
Dennoch: "Der geplante Eintritt hätte doch auch eine provokative Nuance gehabt - weil Brecht ja als Brecht eingetreten wäre - als Künstler, der in der Partei Änderungen gewünscht hätte."
Am Freitag, 18. Oktober, wird Uwe Preuss im Deutschlandradio Kultur aus Erwin Strittmatters Tagebüchern lesen: um 22:30 Uhr in der Sendung "Lesung".