Berühmter Kameramann

    Zum Tod von Michael Ballhaus

    Der Kameramann Michael Ballhaus
    Der Kameramann Michael Ballhaus © imago / Sven Simon
    Von Hartwig Tegeler |
    Er drehte mit Rainer Werner Fassbinder und Martin Scorsese. Die Berlinale ehrte ihn mit einem Goldenen Bären und einer Hommage. Nun ist der Kameramann Michael Ballhaus im Alter von 81 Jahren in Berlin gestorben.
    1968 führte er zum ersten Mal bei einem Spielfilm die Kamera, aber es ist wohl eher das Jahr 1970, der merkwürdige Western "Whity", mit dem die Karriere des Kameramannes Michael Ballhaus begann. Regie führte Rainer Werner Fassbinder, und Michael Ballhaus – 1935 in Berlin geboren – wurde zu Fassbinders Kameramann.
    In den achtziger Jahren ging dann Ballhaus in die USA, arbeitete bald mit den Großen des Hollywood-Films – Coppola, Redford, Scorsese – und machte eine beispiellose Karriere als "Bildregisseur", wie die Amerikaner sagen, als "DP", als "director of photography". Zweifellos zählte Michael Ballhaus zu den wenigen, vielleicht war er sogar der einzige Kameramann, dessen Name auch dem – in Anführungsstrichen - normalen Kinogänger geläufig war.

    Ein großer Bildregisseur

    Wenn man ihn in den letzten Jahren, als er schon nicht mehr drehte, sah, wenn er von seiner fortschreitenden Erblindung sprach, von seiner Verblüffung, dass er nach dem Tod seiner ersten Ehefrau mit der 25 Jahre jüngeren Regisseurin Sherry Hormann noch einmal eine Liebe gefunden hatte, wenn man sah und hörte, wie der große Bildregisseur - so nannte man ihn am Ende nur noch - über die Vergangenheit, die Gegenwart des Alters sprach, dann war man von dieser Freundlichkeit, von der Gelassenheit und dem offensichtlichen in sich Ruhen beeindruckt. Und man glaubte ihm, wenn er vom Ende seines Filmemachens sprach: "Alles hat seine Zeit. Und diese Zeit ist vorbei."
    Der Kameramann Michael Ballhaus hält den "Goldenen Ehrenbären", mit dem er 2016 bei der Berlinale ausgezeichnet wurde. 
    2016 wurde Michael Ballhaus mit dem Goldenen Ehrenbären der Berlinale ausgezeichnet© dpa
    Früher, als er noch große Filme fotografierte in Hollywood, war dies Michael Ballhaus´ Credo: "Eine der wichtigsten Eigenschaften ist, dass man versucht, neue Bilder zu finden auch für eine Geschichte", sagte Michael Ballhaus einmal. "Dass man sich überlegt, was kann ich anders machen. Wie kann ich eine Geschichte interessant machen?"
    Und dabei das Böse darstellen? Also "Departed" von 2006, der letzte von insgesamt sieben Filmen, die er für Martin Scorsese fotografierte. Gut, da ist natürlich der Stones-Titel "Gimme Shelter", der dem Prolog von "Departed" diese Aura von Fieber gibt, da ist die Stimme des zynischen Mafia-Bosses - Jack Nicholson -, die durchdröhnt, aber dass wir den Kopf des Sadisten hier zunächst nur als bewegten Schattenriss sehen, evoziert das Dämonische. Und erst in der vierten Minute sehen wir Nicholsons Gesicht direkt, schattenfrei. Die Fratze des Bösen in Nahaufnahme. Was für eine Bildkomposition.

    Der Ballhaus-Kreis

    Und dann war da ja noch der Kreis. Der "Ballhaus-Kreis". Oder besser die Frage, die sich dem Kameramann 1989 in "Die fabelhaften Baker Boys" stellte: Wie nämlich können Kino-Bilder die Attraktion spürbar machen, die zwischen dem Pianisten und der Sängerin entflammt ist. Michelle Pfeiffer im roten Kleid auf dem Klavier, Jeff Bridges an den Tasten; langsam streift die Kamera von Michael Ballhaus sie wie in einer Liebkosung und fängt an, das Klavier zu umrunden. Ein "Ballhaus-Kreis" in Hollywood-Ausführung. Erfunden hatte er ihn für Fassbinder.
    Hanna Schygulla - Michael Ballhaus hat sie als wunderschöne Frau fotografiert in "Die Ehe der Maria Braun" von Fassbinder. Ballhaus Arbeit mit Rainer Werner Fassbinder, die 16 Filme, die er mit ihm gedreht hat, waren der Beginn seiner Karriere – resümierte der geborene Berliner:
    "Da er halt ein genialer Regisseur war, haben wir halt immer wieder mit ihm gearbeitet. Und ich wäre heute nicht das, was ich bin, wenn ich nicht mit ihm durch diese Schule auch gegangen wäre. Dass muss man immer wieder sagen. Ich habe halt von ihm unglaublich viel auch gelernt."

    Von Fassbinder zu Scorsese

    Und dann, nach Fassbinder, kam "Marty". Als Martin Scorsese 1984 James Foleys Film "Reckless" sah, war er von Ballhaus´ Kameraarbeit fasziniert. Ein Jahr später begann mit "Die Zeit nach Mitternacht" die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Ballhaus und Scorsese. "Es war etwas Großartiges", sagt Ballhaus. Gefunden hatten sich zwei Besessene.
    "Scorsese war ein sehr, sehr disziplinierter Regisseur. Der hat sich unglaublich genau vorbereitet auf seine Arbeit. Und dann habe ich diese Liste durchgearbeitet. Und dachte, wunderbar. Das sind tolle Ideen."
    Ideen, die Ballhaus für Scorsese grandios umsetzte in "Die Farbe des Geldes", "Die letzte Versuchung Christi" oder als würdevollen Abschluss der Zusammenarbeit, wie gesagt, 2006 in "Departed - Unter Feinden".

    Inspiration bei Max Ophüls

    Als Zwanzigjähriger, erzählte Michael Ballhaus einmal, erlebte er die erste Faszination für den Film, als er bei den Dreharbeiten zu Max Ophüls' "Lola Montez" zuschauen durfte.
    "Und wie die Kamera sich bewegte, wie die durch den Raum schwebte und das war für mich einfach die Erfüllung. Das 'Über-Theater' sozusagen. Und da war es um mich geschehen."
    Die Kamera, die sich frei bewegt, die zu einem künstlerischen Ausdrucksmittel wird. Aber der legendäre Kreis? Als ästhetisches Mittel abgenutzt, bemerkte sein Schöpfer nüchtern und lakonisch. Und zeigte im Jahr 2013 noch einmal den Kern seiner Kunst in "3096 Tage", der Natascha-Kampusch-Verfilmung seiner Ehefrau Sherry Hormann.

    Zusammenarbeit mit Coppola, Redford, Prince

    Die vergleichsweise unspektakuläre Bildregie stand ganz im Dienst der Geschichte, so wie die Ballhaus' Kameraarbeit für Fassbinder oder Scorsese oder Robert Redford oder Coppola oder Prince. Die Bilder aller Filme, die er gedreht hat, waren immer in seinem Kopf. Meinte er gegen Ende. Wenn es stimmt, das das Leben in den letzten Momenten an einem vorbeizieht, welch an monumentaler Film von Bildern muss vor Michael Ballhaus' innerem Auge vorbeigezogen sein. In dieser anderen Zeit des letzten Übergangs:
    "Alles hat seine Zeit. Und diese Zeit ist vorbei. Ich traure dieser Zeit nicht mehr nach. Ich kann in meinem Alter auch nicht mehr solche Filme machen. Das hat auch mit meinen Augen zu tun. Aber jetzt ist es vorbei."

    Zum Tod von Michael Ballhaus - Der Filmkritiker und ausgebildete Kameramann Jörg Taszman im Interview in "Studio 9".
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