Berühren verboten!
Verschlungene Glieder, paradox verfremdet, mutwillig beschädigt oder glänzed makellos: Der Bildhauer Thomas Schütte zeigt im Essener Museum Folkwang 18 weibliche Akte. Manche seiner "Frauen" - so der Titel der Schau - verlocken den Besucher zu verbotenen Wünschen.
Frau 5 ist silbrig spiegelglatt, richtet sich halb aus dem Liegen auf, die Hände nach hinten abgestützt, den Kopf leicht nach vorn geneigt. Nicht nur das üppige, aufgesteckte Haar, auch das verschlungene Linienspiel der Glieder lässt an den Jugendstil denken. Eine Badende könnte sie sein, ganz entspannt, bei sich. Frau 4 dagegen hat es hart getroffen. Sie liegt auf der Seite, die Beine angezogen, und eine Dampfwalze scheint über sie hinweg gerollt zu sein; flach zusammengequetscht ist das Volumen ihres Körpers. Frau 14 würde man nie als solche erkennen, sähe man sie nicht in einer Reihe mit ihren Gefährtinnen. Sie wirkt wie aus Industrieteilen zusammengesetzt. Eine Kreisform mit zwei Löchern ist ihr Kopf, ein schräg nach oben stehendes Rohr ihr Arm. Man glaubt es kaum, dass sie alle von demselben Künstler geschaffen wurden: von Thomas Schütte.
"In der Tat gibt es eine Vielzahl von Figuren, die sehr abbildlich den Frauenkörper wiedergeben, als Torso, als ganze Figur, andere sind abstrakt oder deformiert – so weit deformiert, dass nichts zu erkennen ist."
Kurator Dr. Hans-Jürgen Lechtreck hat die Schau im Museum Folkwang eingerichtet, in enger Zusammenarbeit mit Thomas Schütte. Der große Sonderausstellungssaal ist in drei schmale, lange Räume aufgeteilt, darin werden die Skulpturen nebeneinander aufgereiht. Auf den einheitlich gestalteten Tischen, die der Künstler dafür vorgesehen hat. Von Frau Nr. 1 bis Frau Nr. 18 – andere Titel hat er ihnen nicht gegeben. Diese klare Struktur und die strenge thematische Konzentration auf den weiblichen Akt - das wohl wichtigste Thema der Bildhauerei in der Kunstgeschichte - lassen umso deutlicher erkennen, was für ein Verwandlungskünstler, was für ein Chamäleon Thomas Schütte ist. Er spricht in jedem Werk eine andere Sprache.
"Der Ausgangspunkt ist die Frage, die sich Schütte zu Beginn gestellt hat: Wie kann ich heute noch die menschliche Figur darstellen in einer Weise, dass der Betrachter Interesse hat an dieser Figur, ihrem Innenleben, ihren Erfahrungen. Da gibt es viele Möglichkeiten seit dem frühen 20. Jhdt und er hat einfach ausprobiert in 18 Skulpturen, was möglich ist, um einen Frauenkörper so nahe zu bringen, dass wir stehenbleiben und genau hinschauen."
"In der Tat gibt es eine Vielzahl von Figuren, die sehr abbildlich den Frauenkörper wiedergeben, als Torso, als ganze Figur, andere sind abstrakt oder deformiert – so weit deformiert, dass nichts zu erkennen ist."
Kurator Dr. Hans-Jürgen Lechtreck hat die Schau im Museum Folkwang eingerichtet, in enger Zusammenarbeit mit Thomas Schütte. Der große Sonderausstellungssaal ist in drei schmale, lange Räume aufgeteilt, darin werden die Skulpturen nebeneinander aufgereiht. Auf den einheitlich gestalteten Tischen, die der Künstler dafür vorgesehen hat. Von Frau Nr. 1 bis Frau Nr. 18 – andere Titel hat er ihnen nicht gegeben. Diese klare Struktur und die strenge thematische Konzentration auf den weiblichen Akt - das wohl wichtigste Thema der Bildhauerei in der Kunstgeschichte - lassen umso deutlicher erkennen, was für ein Verwandlungskünstler, was für ein Chamäleon Thomas Schütte ist. Er spricht in jedem Werk eine andere Sprache.
"Der Ausgangspunkt ist die Frage, die sich Schütte zu Beginn gestellt hat: Wie kann ich heute noch die menschliche Figur darstellen in einer Weise, dass der Betrachter Interesse hat an dieser Figur, ihrem Innenleben, ihren Erfahrungen. Da gibt es viele Möglichkeiten seit dem frühen 20. Jhdt und er hat einfach ausprobiert in 18 Skulpturen, was möglich ist, um einen Frauenkörper so nahe zu bringen, dass wir stehenbleiben und genau hinschauen."
Ein eminent politischer Künstler
Schütte reist durch die Kunstgeschichte, um Modelle neu zu erproben, zu unterlaufen oder auch zu verwerfen. Einige Figuren sehen aus wie paradox verfremdet oder mutwillig beschädigt. Rodin, Maillol, Picasso und Henry Moore gehören zu den geistigen Gesprächspartnern, mit denen er mal übereinstimmt, mal streitet. Dabei wird es nie monoton: unterschiedliche, teils rätselhaft verkomplizierte Haltungen - verschiedene farbliche Gestaltung der Güsse, die der Künstler in Bronze, Stahl und Aluminium ausführen ließ und dabei auch Effekte von Stein, Ton oder Lack erzielte. Rostig, grau, wie von Wind und Wetter gealtert wirken einige, andere glänzen makellos wie Luxuskarosserien in angesagten Farben: bordeauxrot oder lila. Und alle verlocken zu Wünschen, die im Museum streng verboten sind. Kurator Lechtreck hat die Aufseher im Saal schon vorsorglich zu erhöhter Wachsamkeit aufgefordert.
"Ein paar Figuren haben einen so starken Appeal, dass man ihre Oberfläche berühren möchte, da müsst ihr besonders aufpassen. Tatsächlich sind es sehr sinnliche Figuren, weil auch Schütte sinnlich, mit den Händen arbeitet."
Der komplette Überblick über die Serie der "Frauen", der jetzt im Museum Folkwang erstmals in Deutschland gezeigt wird, ist nötig für ein angemessenes Verständnis dieses Werkkomplexes, aus dem eine ganze Reihe von Einzelstücken inzwischen als Kunstwerke im öffentlichen Raum steht. Nur wenn man alle sieht, kann man aber den kunsthistorischen Horizont erkennen, den Schütte abschreitet. Und vor allem ist der Vergleich wichtig, um zu begreifen, dass der Bildhauer keineswegs ein unverbindliches Spiel mit dem zeitlos schönen Thema des Frauenakts treibt.
"Schütte ist ein eminent politischer Künstler -- er ist ein sehr wacher Beobachter. Die Frage, wie der menschliche Körper benutzt wird, wie er auch von den Menschen selber zugerichtet wird nach bestimmten Idealen, das ist schon ein Subtext dieser Arbeit, den ich zumindest darin entdecken kann."
Körper-Haltungen in jedem Sinne des Wortes kann man hier studieren: Unter den 18 Frauen sind dominierende autonome Subjekte und beschädigte, fremdbestimmte Objekte. Erotik ist ebenso ein Thema dieser vielschichtigen Ausstellung wie Voyeurismus und Gewalt. Die Schau setzt Thomas Schüttes "Frauen" so in Szene, dass man sie als wichtigen Werkkomplex aus jüngster Zeit erkennen kann. Die Gedanken darf man in viele Richtungen schicken beim Betrachten. Nur die Hände muss man – leider – bei sich behalten.
"Ein paar Figuren haben einen so starken Appeal, dass man ihre Oberfläche berühren möchte, da müsst ihr besonders aufpassen. Tatsächlich sind es sehr sinnliche Figuren, weil auch Schütte sinnlich, mit den Händen arbeitet."
Der komplette Überblick über die Serie der "Frauen", der jetzt im Museum Folkwang erstmals in Deutschland gezeigt wird, ist nötig für ein angemessenes Verständnis dieses Werkkomplexes, aus dem eine ganze Reihe von Einzelstücken inzwischen als Kunstwerke im öffentlichen Raum steht. Nur wenn man alle sieht, kann man aber den kunsthistorischen Horizont erkennen, den Schütte abschreitet. Und vor allem ist der Vergleich wichtig, um zu begreifen, dass der Bildhauer keineswegs ein unverbindliches Spiel mit dem zeitlos schönen Thema des Frauenakts treibt.
"Schütte ist ein eminent politischer Künstler -- er ist ein sehr wacher Beobachter. Die Frage, wie der menschliche Körper benutzt wird, wie er auch von den Menschen selber zugerichtet wird nach bestimmten Idealen, das ist schon ein Subtext dieser Arbeit, den ich zumindest darin entdecken kann."
Körper-Haltungen in jedem Sinne des Wortes kann man hier studieren: Unter den 18 Frauen sind dominierende autonome Subjekte und beschädigte, fremdbestimmte Objekte. Erotik ist ebenso ein Thema dieser vielschichtigen Ausstellung wie Voyeurismus und Gewalt. Die Schau setzt Thomas Schüttes "Frauen" so in Szene, dass man sie als wichtigen Werkkomplex aus jüngster Zeit erkennen kann. Die Gedanken darf man in viele Richtungen schicken beim Betrachten. Nur die Hände muss man – leider – bei sich behalten.