Beruf als Kameramann ist "einfach das Schönste"
Der Kameramann Michael Ballhaus drehte mit Fassbinder und Scorsese - und wurde nun im Alter von 77 Jahren beim Filmfestival in Saarbrücken mit dem Max-Ophüls-Ehrenpreis ausgezeichnet. Der Namensgeber ist ihm gut bekannt: Ophüls habe ihn einst zur Erleuchtung gebracht, sagt Ballhaus. Er erhält den Preis für seine Verdienste um den jungen deutschsprachigen Film als Dozent und Mentor.
Stephan Karkowsky: Wer beim Film berühmt werden will, der wird Schauspieler, vielleicht noch Regisseur, aber schon den Kameramann bittet für gewöhnlich niemand auf die Bühne oder zum Interview. Bei Michael Ballhaus ist das anders: Erst hatte er sich im Inland einen guten Ruf erdreht, als Kameramann von Rainer Werner Fassbinder. Das machte dann auch New York neugierig, und so wurde Ballhaus Mitte der 80er Kameramann von Martin Scorsese. Das brachte ihm drei Oscar-Nominierungen ein, und als erster Deutscher bekam er den Ehrenpreis der ehrenwerten Vereinigung der US-Kameraleute. Gestern Abend nun kam der nächste Pokal hinzu: Der Ehrenpreis des Nachwuchsfilmfestivals Max-Ophüls-Preis in Saarbrücken. Herr Ballhaus, von hier aus herzlichen Glückwunsch!
Michael Ballhaus: Herzlichen Dank!
Karkowsky: Sie haben den Saarbrücker Filmregisseur Max Ophüls selbst noch erlebt, das macht die Sache besonders spannend. Wie kam es dazu?
Ballhaus: Es kam dazu, dass mein Vater Max Ophüls kennengelernt hatte in Berlin – meine Eltern kamen ja aus Berlin – und dann hörte er, dass Ophüls einen Film dreht in Bamberg, und da haben wir uns getroffen, und dann hat er gefragt, ob der Sohn denn mal zusehen dürfte bei den Dreharbeiten von "Lola Montez". Und das wurde dann erlaubt, und so hatte ich im jungen Alter von 18 – immerhin vor 60 Jahren – die Chance, bei den Dreharbeiten von diesem Film dabei zu sein. Und das war für mich eigentlich sozusagen eine Erleuchtung, weil in diesem Moment wusste ich, das ist der Beruf, den ich ergreifen möchte. Ich wollte Kameramann werden! Ich habe Christian Matras, den Kameramann, beobachtet und dachte: Das ist es! Das ist einfach das Schönste, was es gibt!
Karkowsky: Ja, aber warum? Sie hätten ja nach den Dreharbeiten auch sagen können, ich möchte Schauspieler werden, wie meine Eltern, oder ich möchte mal so groß werden wie Peter Ustinov – der spielte die Hauptrolle –, oder ich möchte Regisseur werden wie Max Ophüls selbst. Aber Kameramann – warum?
Ballhaus: Kameramann aus dem Grund: Ich bin im Theater groß geworden, meine Eltern waren ja beide Schauspieler, und ich habe das dann auch mal ab und zu probieren dürfen und wusste, das ist es nicht für mich. Und ich habe sehr früh angefangen zu fotografieren und liebte das Theater und liebte die Fotografie. Und plötzlich sehe ich, wie die beiden zusammenkommen, wie also das Bildermachen und die Schauspielerei zusammenkommen, und da war für mich klar, das muss es sein, das ist ein Traum, das ist was Wunderbares.
Karkowsky: Es war ja auch ein ganz besonderer Film, der da gedreht wurde, "Lola Montez", damals ein Flop, heute gilt er als Meisterwerk, der letzte, den Max Ophüls je gedreht hat – und seinerzeit der teuerste deutsche Nachkriegsfilm, vor allem auch wegen der neuen Technik: Erstmals drehte Ophüls da in Farbe und in CinemaScope. Können Sie sich dran erinnern, ob diese Neuerungen zwischen Ihnen ein Thema waren?
Ballhaus: Ja, die Neuerungen waren natürlich erstmal noch nicht, als 18-Jähriger kapiert man erst mal gar nichts. Aber später habe ich natürlich gehört, das war sein erster Farbfilm, dann habe ich den natürlich öfters gesehen, und dann hat mich vor allen Dingen fasziniert – und das hat mich mein ganzes Berufsleben fasziniert –, was er mit dem Format gemacht hat. Der hat eben die Zirkusszenen, bei denen ich dabei sein durfte, in dem Breitwandformat gedreht, also CinemaScope, und die Szenen, die zum Beispiel in der Garderobe gespielt haben, die hat er einfach eng gemacht, also abgeschnitten, und das fand ich ganz toll, die waren plötzlich quadratisch, die Bilder. Und wenn es in den Zirkus ging, dann hat er die Leinwand aufgemacht, und wieder hat man dieses unheimlich schöne breite Bild von dem Zirkus gesehen. Und das habe ich immer wieder mal versucht, in Amerika, auch in Deutschland, und die Produzenten haben alle gesagt, nein, wir haben das ganze Bild bezahlt, wir wollen auch das ganze Bild.
Karkowsky: Sie wollten also Kameramann werden nach diesem Erlebnis, aber es gab gar keine Schule für Kameraleute. Was haben Sie gemacht?
Ballhaus: Ich bin zu einem sehr bekannten Kameramann damals hingegangen und habe den gefragt: Was kann ich denn machen? Und dann hat der gesagt: Das Beste ist, Sie machen eine Fotolehre. Und da ich Abitur hatte, habe ich eine verkürzte Fotolehre gemacht bei einem sehr guten Fotografen in Würzburg, ja, und dann kriegte ich einen Job, auch durch diesen Kameramann, dann durfte ich einen Dokumentarfilm drehen, drei Monate in Griechenland, und danach bin ich dann, am Südwestfunk habe ich mich beworben als Kameramann und habe dann da einen Job bekommen, weil meine Frau, Helga, in Karlsruhe am Staatstheater engagiert war.
Karkowsky: Herr Ballhaus, Sie sind längst selbst zum Lehrer geworden, unterrichten in Hamburg und München, und vor allen Dingen hat Ihnen ja das Max-Ophüls-Festival dafür den Ehrenpreis verliehen, für Ihre Verdienste um den jungen deutschsprachigen Film als Dozent, als Mentor und als Förderer. Was ist das Spannende an der Arbeit mit Filmstudenten?
Ballhaus: Die Arbeit mit Studenten hat mir insofern immer große Freude gemacht, weil ich wollte so nahe dran sein an dem Puls der Zeit auch, was bewegt sie, was für Geschichten wollen sie erzählen. Da war natürlich '68, da waren das politische Sachen, das ist klar, politische Ideen, und später hat sich das alles verändert, aber ich war immer dabei und habe immer versucht, zu hören, was interessiert sie und wie kann man ihnen dabei helfen.
Karkowsky: Nun ändern sich die Techniken oder kommen wieder wie 3D, Ästhetiken ändern sich, das Schnitttempo zum Beispiel – was gestern noch tabu war, das kann morgen schon als Avantgarde gelten. Sind Sie denn als Lehrer ein Lehrer alter Schule, der auch schon mal eine neue Mode links liegen lässt?
Ballhaus: Ja, ich bin auf jeden Fall ein Lehrer nahe dran an der Zeit, ich habe sogar jetzt noch mal einen Film mit einer digitalen Kamera gedreht, was ich vorher nicht gemacht habe. Und ich war immer dafür, dass man die Studenten immer an die neuesten Geräte auch heranführt und mit denen auch arbeitet. Und das war natürlich durch die digitale Technik viel einfacher als vorher, weil das kostete einfach nichts. Und das war wunderbar, da konnte man sehr viel mehr üben damit. Mit der modernen Technik, also sagen wir, mit 3D – ja, finde ich ganz toll, wenn der Film toll ist. Aber ich glaube nicht, dass das sozusagen auf Dauer etwas ist, was mich interessieren würde, weil es gibt gute Stoffe, aber nicht so sehr viele, glaube ich, die für 3D geeignet sind.
Karkowsky: Was sagen Sie denn einem Studenten, der sich noch nicht sicher ist, was er beim Film werden soll? Was muss er haben, um ein guter Kameramann zu werden?
Ballhaus: Das ist gar nicht so einfach zu beantworten: Er muss einmal unbedingt wollen, der muss unbedingt wissen, ich will nur das, ich will unbedingt Kamera machen. Und dann muss er sehr flexibel sein, weil er wird es mit sehr viel unterschiedlichen Menschen zu tun bekommen, dann muss er sehr gut vorbereitet sein, finde ich, und natürlich, das Wichtigste, er muss auch eine Begabung dafür mitbringen. Und dann muss man helfen, eben diese Begabung zu erweitern, sozusagen größer zu machen und mit ihm einfach einen Weg zu gehen, und auf dem Weg ihn begleiten.
Karkowsky: Sie hören den deutschen Kameramann Michael Ballhaus, der gestern beim Max-Ophüls-Preis, dem Filmfestival in Saarbrücken, den Ehrenpreis bekommen hat für Verdienste um den jungen deutschsprachigen Film. Herr Ballhaus, Sie haben mit ganz vielen großen Regisseuren gearbeitet – Scorsese am meisten, Coppola auch, Mike Nichols, aber auch Geißendörfer, Wolfgang Petersen und Schlöndorff. Welche Arbeitsweise ist Ihnen denn eigentlich am liebsten als Kameramann? Wenn so ein Regisseur ganz genau weiß, welche Bilder er haben will oder wenn er voll auf die Kreativität seines Chef-Kameramannes setzt?
Ballhaus: Da muss ich sagen, es ist beides interessant. Natürlich, wenn man mit einem Regisseur wie Scorsese arbeiten kann, der unglaublich visuelle Vorstellungen hat und auch sehr genau vorbereitet ist und eine Shot List abliefert für den Kameramann, dann ist das wunderbar und toll, weil die Ideen, die er hat, sind einfach genial, und das umzusetzen in die Wirklichkeit, ist eine wunderbare Aufgabe. Aber es gibt natürlich auch die Möglichkeit, wenn man viel Erfahrung hat, dass man mal mit einem First Time Director, also mit einem Erstlingsdirektor zusammen kommt, wie zum Beispiel bei den "Fabelhaften Baker Boys", das war der Autor davon, und hat eben auch Regie geführt, und dem habe ich halt mal vorgeschlagen, wie ich den Film sehen würde und wie das aussehen könnte. Und dann hat er gesagt: Ja, dann mach das so! Und dann habe ich den Film eigentlich von den Bildern her alleine gemacht, ohne den Regisseur.
Karkowsky: Würden Sie denn sagen, das ist der Film, der am meisten die Handschrift von Michael Ballhaus trägt?
Ballhaus: Ja, das kann man, glaube ich, sagen.
Karkowsky: Was wollte Scorsese denn eigentlich von Ihnen ganz genau Mitte der 80er? Sie kamen da aus Deutschland, man wusste, Sie haben mit Fassbinder viele Filme gemacht, die vielleicht sogar international unter Filmfreunden noch anerkannter waren als in Deutschland – was hat er in Ihnen gesehen?
Ballhaus: Ja, ich glaube, er hat in mir jemand gesehen, der die Erfahrungen mit Fassbinder gemacht hat, dass man einen Film machen kann mit wenig Geld, dass der Ballhaus schnell ist – mein erster Film mit ihm war ja ein Low-Budget-Film – "After Hours", und wir hatten vier Millionen Dollar, und er hatte eine Shot List, die hatte 600 Einstellungen, und dann haben die Produzenten gefragt: Ja, Marty, kannst du denn das? Du hast in deinem letzten Film, hast du vier Einstellungen pro Tag gedreht, und jetzt, was ist jetzt? Und dann sagte er: Tja, da musst Du den Ballhaus fragen. Und dann habe ich gesagt, wir müssen 15 Einstellungen drehen, jede Nacht. Und dann hat er gesagt: Na ja, lass es uns versuchen! Und dann haben wir es versucht, und es ist geglückt. Er hat jede Einstellung bekommen, die er wollte, und das war für mich natürlich toll, ihm das bieten zu können, und es war für ihn schön, weil er gesagt hat: Du hast mir wirklich die Idee wiedergegeben, dass man Filme auch anders machen kann, als man sie normalerweise in Hollywood macht.
Karkowsky: Es kommt demnächst ein neuer Ballhaus in die Kinos, ein Film über Natascha Kampusch, Regie führt Ihre Frau, Sherry Hormann, und Sie waren der Kameramann. Wer hatte denn da beim Dreh die Hosen an?
Ballhaus: Sie. Eindeutig sie. Nein, nein, das war eine klare Abmachung. Also einmal haben wir lang überlegt, ob wir das überhaupt zusammen machen wollen. Der Produzent,
Moszkowicz, hat sie gefragt: Hast du denn schon einen Kameramann. Sie sagte: Nein. Und dann er: Dann frag doch mal deinen Mann! Und dann kam sie wirklich nach Hause und hat gefragt: Willst du das denn machen? Dann haben wir das lange diskutiert und haben uns entschlossen, ja, obwohl Freunde gesagt haben, macht das nicht, Leute, das zerstört eure Ehe. Sie hat es in keiner Weise zerstört, im Gegenteil, es war eine ganz wunderbare Arbeit und sie hatte die Hosen an, weil ich habe ihr gesagt: Du bist die Regisseurin, du sagst, wo es langgeht, und ich helfe dir dabei.
Karkowsky: Und würden Sie es noch mal machen?
Ballhaus: Das ist jetzt schwierig, die Frage, weil ... eigentlich nicht. Aber man kann nie ... never say never.
Karkowsky: Gestern Abend bekam er vom Filmfestival Max-Ophüls-Preis den Ehrenpreis für Verdienste um den jungen deutschsprachigen Film, der deutsche Weltstar, Kameramann Michael Ballhaus. Danke für das Gespräch!
Ballhaus: Ich bedanke mich!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Link bei dradio.de:
Filmlegende mit Hang zur Akribie
Martin-Scorsese-Ausstellung im Berliner Museum für Film und Fernsehen *
Michael Ballhaus: Herzlichen Dank!
Karkowsky: Sie haben den Saarbrücker Filmregisseur Max Ophüls selbst noch erlebt, das macht die Sache besonders spannend. Wie kam es dazu?
Ballhaus: Es kam dazu, dass mein Vater Max Ophüls kennengelernt hatte in Berlin – meine Eltern kamen ja aus Berlin – und dann hörte er, dass Ophüls einen Film dreht in Bamberg, und da haben wir uns getroffen, und dann hat er gefragt, ob der Sohn denn mal zusehen dürfte bei den Dreharbeiten von "Lola Montez". Und das wurde dann erlaubt, und so hatte ich im jungen Alter von 18 – immerhin vor 60 Jahren – die Chance, bei den Dreharbeiten von diesem Film dabei zu sein. Und das war für mich eigentlich sozusagen eine Erleuchtung, weil in diesem Moment wusste ich, das ist der Beruf, den ich ergreifen möchte. Ich wollte Kameramann werden! Ich habe Christian Matras, den Kameramann, beobachtet und dachte: Das ist es! Das ist einfach das Schönste, was es gibt!
Karkowsky: Ja, aber warum? Sie hätten ja nach den Dreharbeiten auch sagen können, ich möchte Schauspieler werden, wie meine Eltern, oder ich möchte mal so groß werden wie Peter Ustinov – der spielte die Hauptrolle –, oder ich möchte Regisseur werden wie Max Ophüls selbst. Aber Kameramann – warum?
Ballhaus: Kameramann aus dem Grund: Ich bin im Theater groß geworden, meine Eltern waren ja beide Schauspieler, und ich habe das dann auch mal ab und zu probieren dürfen und wusste, das ist es nicht für mich. Und ich habe sehr früh angefangen zu fotografieren und liebte das Theater und liebte die Fotografie. Und plötzlich sehe ich, wie die beiden zusammenkommen, wie also das Bildermachen und die Schauspielerei zusammenkommen, und da war für mich klar, das muss es sein, das ist ein Traum, das ist was Wunderbares.
Karkowsky: Es war ja auch ein ganz besonderer Film, der da gedreht wurde, "Lola Montez", damals ein Flop, heute gilt er als Meisterwerk, der letzte, den Max Ophüls je gedreht hat – und seinerzeit der teuerste deutsche Nachkriegsfilm, vor allem auch wegen der neuen Technik: Erstmals drehte Ophüls da in Farbe und in CinemaScope. Können Sie sich dran erinnern, ob diese Neuerungen zwischen Ihnen ein Thema waren?
Ballhaus: Ja, die Neuerungen waren natürlich erstmal noch nicht, als 18-Jähriger kapiert man erst mal gar nichts. Aber später habe ich natürlich gehört, das war sein erster Farbfilm, dann habe ich den natürlich öfters gesehen, und dann hat mich vor allen Dingen fasziniert – und das hat mich mein ganzes Berufsleben fasziniert –, was er mit dem Format gemacht hat. Der hat eben die Zirkusszenen, bei denen ich dabei sein durfte, in dem Breitwandformat gedreht, also CinemaScope, und die Szenen, die zum Beispiel in der Garderobe gespielt haben, die hat er einfach eng gemacht, also abgeschnitten, und das fand ich ganz toll, die waren plötzlich quadratisch, die Bilder. Und wenn es in den Zirkus ging, dann hat er die Leinwand aufgemacht, und wieder hat man dieses unheimlich schöne breite Bild von dem Zirkus gesehen. Und das habe ich immer wieder mal versucht, in Amerika, auch in Deutschland, und die Produzenten haben alle gesagt, nein, wir haben das ganze Bild bezahlt, wir wollen auch das ganze Bild.
Karkowsky: Sie wollten also Kameramann werden nach diesem Erlebnis, aber es gab gar keine Schule für Kameraleute. Was haben Sie gemacht?
Ballhaus: Ich bin zu einem sehr bekannten Kameramann damals hingegangen und habe den gefragt: Was kann ich denn machen? Und dann hat der gesagt: Das Beste ist, Sie machen eine Fotolehre. Und da ich Abitur hatte, habe ich eine verkürzte Fotolehre gemacht bei einem sehr guten Fotografen in Würzburg, ja, und dann kriegte ich einen Job, auch durch diesen Kameramann, dann durfte ich einen Dokumentarfilm drehen, drei Monate in Griechenland, und danach bin ich dann, am Südwestfunk habe ich mich beworben als Kameramann und habe dann da einen Job bekommen, weil meine Frau, Helga, in Karlsruhe am Staatstheater engagiert war.
Karkowsky: Herr Ballhaus, Sie sind längst selbst zum Lehrer geworden, unterrichten in Hamburg und München, und vor allen Dingen hat Ihnen ja das Max-Ophüls-Festival dafür den Ehrenpreis verliehen, für Ihre Verdienste um den jungen deutschsprachigen Film als Dozent, als Mentor und als Förderer. Was ist das Spannende an der Arbeit mit Filmstudenten?
Ballhaus: Die Arbeit mit Studenten hat mir insofern immer große Freude gemacht, weil ich wollte so nahe dran sein an dem Puls der Zeit auch, was bewegt sie, was für Geschichten wollen sie erzählen. Da war natürlich '68, da waren das politische Sachen, das ist klar, politische Ideen, und später hat sich das alles verändert, aber ich war immer dabei und habe immer versucht, zu hören, was interessiert sie und wie kann man ihnen dabei helfen.
Karkowsky: Nun ändern sich die Techniken oder kommen wieder wie 3D, Ästhetiken ändern sich, das Schnitttempo zum Beispiel – was gestern noch tabu war, das kann morgen schon als Avantgarde gelten. Sind Sie denn als Lehrer ein Lehrer alter Schule, der auch schon mal eine neue Mode links liegen lässt?
Ballhaus: Ja, ich bin auf jeden Fall ein Lehrer nahe dran an der Zeit, ich habe sogar jetzt noch mal einen Film mit einer digitalen Kamera gedreht, was ich vorher nicht gemacht habe. Und ich war immer dafür, dass man die Studenten immer an die neuesten Geräte auch heranführt und mit denen auch arbeitet. Und das war natürlich durch die digitale Technik viel einfacher als vorher, weil das kostete einfach nichts. Und das war wunderbar, da konnte man sehr viel mehr üben damit. Mit der modernen Technik, also sagen wir, mit 3D – ja, finde ich ganz toll, wenn der Film toll ist. Aber ich glaube nicht, dass das sozusagen auf Dauer etwas ist, was mich interessieren würde, weil es gibt gute Stoffe, aber nicht so sehr viele, glaube ich, die für 3D geeignet sind.
Karkowsky: Was sagen Sie denn einem Studenten, der sich noch nicht sicher ist, was er beim Film werden soll? Was muss er haben, um ein guter Kameramann zu werden?
Ballhaus: Das ist gar nicht so einfach zu beantworten: Er muss einmal unbedingt wollen, der muss unbedingt wissen, ich will nur das, ich will unbedingt Kamera machen. Und dann muss er sehr flexibel sein, weil er wird es mit sehr viel unterschiedlichen Menschen zu tun bekommen, dann muss er sehr gut vorbereitet sein, finde ich, und natürlich, das Wichtigste, er muss auch eine Begabung dafür mitbringen. Und dann muss man helfen, eben diese Begabung zu erweitern, sozusagen größer zu machen und mit ihm einfach einen Weg zu gehen, und auf dem Weg ihn begleiten.
Karkowsky: Sie hören den deutschen Kameramann Michael Ballhaus, der gestern beim Max-Ophüls-Preis, dem Filmfestival in Saarbrücken, den Ehrenpreis bekommen hat für Verdienste um den jungen deutschsprachigen Film. Herr Ballhaus, Sie haben mit ganz vielen großen Regisseuren gearbeitet – Scorsese am meisten, Coppola auch, Mike Nichols, aber auch Geißendörfer, Wolfgang Petersen und Schlöndorff. Welche Arbeitsweise ist Ihnen denn eigentlich am liebsten als Kameramann? Wenn so ein Regisseur ganz genau weiß, welche Bilder er haben will oder wenn er voll auf die Kreativität seines Chef-Kameramannes setzt?
Ballhaus: Da muss ich sagen, es ist beides interessant. Natürlich, wenn man mit einem Regisseur wie Scorsese arbeiten kann, der unglaublich visuelle Vorstellungen hat und auch sehr genau vorbereitet ist und eine Shot List abliefert für den Kameramann, dann ist das wunderbar und toll, weil die Ideen, die er hat, sind einfach genial, und das umzusetzen in die Wirklichkeit, ist eine wunderbare Aufgabe. Aber es gibt natürlich auch die Möglichkeit, wenn man viel Erfahrung hat, dass man mal mit einem First Time Director, also mit einem Erstlingsdirektor zusammen kommt, wie zum Beispiel bei den "Fabelhaften Baker Boys", das war der Autor davon, und hat eben auch Regie geführt, und dem habe ich halt mal vorgeschlagen, wie ich den Film sehen würde und wie das aussehen könnte. Und dann hat er gesagt: Ja, dann mach das so! Und dann habe ich den Film eigentlich von den Bildern her alleine gemacht, ohne den Regisseur.
Karkowsky: Würden Sie denn sagen, das ist der Film, der am meisten die Handschrift von Michael Ballhaus trägt?
Ballhaus: Ja, das kann man, glaube ich, sagen.
Karkowsky: Was wollte Scorsese denn eigentlich von Ihnen ganz genau Mitte der 80er? Sie kamen da aus Deutschland, man wusste, Sie haben mit Fassbinder viele Filme gemacht, die vielleicht sogar international unter Filmfreunden noch anerkannter waren als in Deutschland – was hat er in Ihnen gesehen?
Ballhaus: Ja, ich glaube, er hat in mir jemand gesehen, der die Erfahrungen mit Fassbinder gemacht hat, dass man einen Film machen kann mit wenig Geld, dass der Ballhaus schnell ist – mein erster Film mit ihm war ja ein Low-Budget-Film – "After Hours", und wir hatten vier Millionen Dollar, und er hatte eine Shot List, die hatte 600 Einstellungen, und dann haben die Produzenten gefragt: Ja, Marty, kannst du denn das? Du hast in deinem letzten Film, hast du vier Einstellungen pro Tag gedreht, und jetzt, was ist jetzt? Und dann sagte er: Tja, da musst Du den Ballhaus fragen. Und dann habe ich gesagt, wir müssen 15 Einstellungen drehen, jede Nacht. Und dann hat er gesagt: Na ja, lass es uns versuchen! Und dann haben wir es versucht, und es ist geglückt. Er hat jede Einstellung bekommen, die er wollte, und das war für mich natürlich toll, ihm das bieten zu können, und es war für ihn schön, weil er gesagt hat: Du hast mir wirklich die Idee wiedergegeben, dass man Filme auch anders machen kann, als man sie normalerweise in Hollywood macht.
Karkowsky: Es kommt demnächst ein neuer Ballhaus in die Kinos, ein Film über Natascha Kampusch, Regie führt Ihre Frau, Sherry Hormann, und Sie waren der Kameramann. Wer hatte denn da beim Dreh die Hosen an?
Ballhaus: Sie. Eindeutig sie. Nein, nein, das war eine klare Abmachung. Also einmal haben wir lang überlegt, ob wir das überhaupt zusammen machen wollen. Der Produzent,
Moszkowicz, hat sie gefragt: Hast du denn schon einen Kameramann. Sie sagte: Nein. Und dann er: Dann frag doch mal deinen Mann! Und dann kam sie wirklich nach Hause und hat gefragt: Willst du das denn machen? Dann haben wir das lange diskutiert und haben uns entschlossen, ja, obwohl Freunde gesagt haben, macht das nicht, Leute, das zerstört eure Ehe. Sie hat es in keiner Weise zerstört, im Gegenteil, es war eine ganz wunderbare Arbeit und sie hatte die Hosen an, weil ich habe ihr gesagt: Du bist die Regisseurin, du sagst, wo es langgeht, und ich helfe dir dabei.
Karkowsky: Und würden Sie es noch mal machen?
Ballhaus: Das ist jetzt schwierig, die Frage, weil ... eigentlich nicht. Aber man kann nie ... never say never.
Karkowsky: Gestern Abend bekam er vom Filmfestival Max-Ophüls-Preis den Ehrenpreis für Verdienste um den jungen deutschsprachigen Film, der deutsche Weltstar, Kameramann Michael Ballhaus. Danke für das Gespräch!
Ballhaus: Ich bedanke mich!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Filmlegende mit Hang zur Akribie
Martin-Scorsese-Ausstellung im Berliner Museum für Film und Fernsehen *