Beruf Hufschmied

Alles wie früher

Zwei Hufschmiede beschlagen ein Pferd.
In Deutschland gibt es eine Million Pferde, aber nur 5000 Hufschmiede. © Ulrich Ziegler
Von Uschi Götz |
Arbeiten mit Feuer und Amboss: Der Beruf des Hufschmieds scheint wie aus einer anderen Zeit. Und tatsächlich hat sich die Arbeit kaum verändert. Ein aussterbender Beruf ist es dennoch nicht – im Gegenteil: Vielerorts werden sie händeringend gesucht.
Hermann: "Als erstes habe ich das Pferd angekuckt, habe das beurteilt, was gewachsen ist, wie viel gewachsen ist. Wie das Pferd auffußt, wie es die Gliedmaßen führt, und jetzt wird das erste Eisen abgenommen, dann der Rest."
Unaufgeregt steht Kathi, ein Isländer Pferd, in der Stallgasse und schaut zu, wie sich Jochen Hermann einen Lederschurz um den Leib bindet. Über den großen Pferdeweiden am Fuße der Schwäbischen Alb geht die Sonne auf, die Stallkatze rennt über den Hof.
Hermann packt seine Utensilien aus: Amboss, Bock und eine Kiste mit Werkzeugen. "Mit Nostalgie hat das alles nichts zu tun", sagt er ungefragt in die Stille und nimmt das erste Bein von Kathi hoch. Ein langer Arbeitstag beginnt.
"Jetzt öffne ich die Nieten beim Eisen Abnehmen, mit einer Nietklinge und einem Schlegel, ein Klopfholz, das wird noch ganz traditionell gemacht."
Tierarzt wollte Hermann werden, doch für ein Studium reichte sein Abiturschnitt nicht. So wurde er Hufschmied, wie einige seiner Vorfahren.

5000 Hufschmiede - über eine Million Perde

Früher war er Leistungssportler, im Team ist er Rad gefahren. Sein Durchhaltevermögen kommt dem athletischen aussehenden 50-Jährigen bis heute im Job zugute: Von morgens bis spät am Abend kommt er ohne Essen und Trinken aus. Das beweist er auch an diesem Tag.
In leicht gebückter Haltung klemmt Hermann ein Pferdebein zwischen seine Beine, er macht das erste alte Eisen weg. Ein Eisen nach dem anderen entfernt er so, danach werden die Hufen mit einem Hufmesser ausgeschnitten.
"Das Sohlenhorn ist ein amorphes Horn, das trägt nicht das Gewicht des Pferdes, die äußere Kapsel, die trägt das Gewicht vom Pferd, da hängt das Pferd drin. Das wird alles zurückgenommen, bis ich eine plane Fläche habe, um das Eisen dann aufzubrennen."
Von der Schwäbischen Alb bis weit ins Neckartal reicht Hermanns Kundschaft. Etwa 5000 Hufschmiede gibt es deutschlandweit. Viel zu wenig, Anfragen muss Hermann deshalb oft ablehnen.
Deutschland zählt international zu den wichtigsten Pferdesport- und Zuchtnationen der Welt. Über eine Million Pferde gibt es hierzulande. Weit über die Grenzen hinaus begehrt sind auch deutsche Hufschmiede. Ihr Wissen und Können gilt im internationalen Vergleich als hervorragend. Hufschmiede haben eine fünfjährige Ausbildung hinter sich, in fast keinem anderen Land gelten so hohe Voraussetzungen für ein Handwerk.
Viele Tierärzte arbeiten gerne mit den Experten für Pferdebeine zusammen, umgekehrt gilt das auch:
"Es gibt Fortbildungen für Hufschmiede und Tierärzte, das sind die Fortbildungen, auf die ich am gernsten gehe."

Und das Pferd spürt nichts

Hermann glättet reihum die Hufunterseiten von Kathi. Ein paar Meter vom Pferd entfernt, steht schon der Ofen bereit, eine Gasesse, darin werden die Eisen auf 900 Grad erhitzt:
Damit werden sie teigweich und ich kann die nachher prima bearbeiten. Und ich habe noch genug Hitze übrig, um das Eisen auf den Huf zu drücken, den Huf dem Eisen anzugleichen bzw. zu überprüfen, ob die Größe und die Form meines Eisens auch passt.
Mit einer Zange holt Hermann das glühende Eisen aus dem Ofen und geht damit zum Pferd. Über Kathi steigt dichter Rauch auf, der sich gleich in der ganzen Stallgasse ausbreitet. Es riecht nach Schwefel, ein Geruch der bei verbrennendem Horn entsteht. Kathi schaut entspannt der Katze hinterher.
"Das Pferd spürt von dieser ganzen Sache nichts, das Horn schmilzt jetzt, deswegen raucht das auch. Und ich kann jetzt die Position meiner Nadellöcher, meiner seitlichen Stoßkappen, so genannte Aufzüge, den Sitz vom Eisen kann ich jetzt ganz genau kontrollieren, auch wie genau ich gearbeitet habe."
Es passt alles. Im nächsten Schritt wird das Eisen in einem Eimer abgekühlt, kurz darauf kann Hermann es anfassen, er arbeitet ohne Handschuhe. Und so geht das jetzt viermal.
"Das Eisen wird plan geschmiedet, auf Form gebracht und auch jetzt wieder aufgebrannt."
Mit einem Beschlaghammer werden die abgekühlten Eisen anschließend mit Hufnägeln befestigt. Alle Nägel sind dabei zu lang und müssen abgezwickt werden. Alle neuen Eisen sind dran: Das Pferd hat neue Schuhe.
Knapp eine Stunde hat der Beschlag gedauert, Hermann bringt Kathi zur Herde zurück und schaut, wie sie auf den neuen Eisen läuft. Passt! In acht Wochen gibt es neue Schuhe.

Verdienen wie ein Facharbeiter

Hermann holt das nächste Pferd aus dem Stall. Er braucht keine Helfer, die ein Pferd während des Beschlags festhalten. In fast allen Fällen bekommt er das alleine mit dem Pferd hin.
Drei Pferde, zwölf Pferdebeine, Hermann ist fertig, schreibt die Rechnung und fährt zum nächsten Hof. Der Job mache nicht reich, erzählt er unterwegs, aber mit einem Plan und Disziplin verdiene man so viel wie ein Facharbeiter in der Metallbranche.
"Man muss einfach eine gewisse Anzahl Pferde am Tag machen, um einen gewissen Betrag zu erwirtschaften, und man kann davon gut leben."
Im Vergleich zum Facharbeiter müssen sich Hufschmiede allerdings selbst versichern und auch alleine fürs Alter vorsorgen. Ohne seine Frau ginge nichts, erzählt Hermann ungeniert. Sie manage die ganze Bürokratie, die ständig zunimmt. Kommt er spätabends nach Hause, hat er für den Schriftkram keinen Nerv mehr.
Hermann muss bei extremer Kälte und auch an sehr heißen Sommertagen arbeiten. Oft in gebückter Haltung. Doch heute ist er gerne Hufschmied:
"Der Beruf an sich hat sich nicht verändert. Es ist alles gleich geblieben, bis auf dass die Besitzer, sich immer mehr emanzipieren, und auch mitsprechen und auch genau ausdrücken, was sie eigentlich gerne möchten. Das ist auch gut so."
"Die Pferde haben sich nicht verändert", sagt Hermann kurz bevor er am nächsten Hof ankommt. Aber es gibt neue Methoden des Hufbeschlags und da müsse man wach bleiben.

Mit Glück hat das nichts zu tun

Petra, Hexe und Cayenne, allesamt Westfalen, sind jetzt auf einem Hof in Neuffen bei Nürtingen an der Reihe. Die jungen Pferdebesitzerinnen sind dieses Mal beim Beschlag dabei, den Hufschmied stört das nicht. Es ist eng in der Stallgasse, doch Hermann macht ruhig und konzentriert seinen Job. Immer mehr Zuschauer kommen an diesem Nachmittag.
Bis auf ein paar Schrammen hat der Hufschmied noch keine größeren Verletzungen davongetragen. Hufeisen sollen ja Glück bringen. Mit Glück hat das Handwerk allerdings nichts zu tun, es ist vielmehr die Erfahrung mit Pferden und regelmäßige Fortbildungen, die Hermann zu einem der gefragtesten Hufschmiede der Gegend machen.
Hermann steigt wieder in sein Auto, auf zwei Höfen warten noch Pferde, er wird heute nicht vor 23 Uhr Zuhause sein. Doch einen anderen Beruf kann und will er sich nicht vorstellen.
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