Beruf Politiker
Kennen Sie das Lebensprinzip: Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal? Auf diese Formel lässt sich die nicht von sonderlich viel Lebenserfahrung belastete Biografie vieler deutscher Politiker reduzieren. Gewissermaßen vom Kreißsaal über die Schule geht es an die Universität und dann auf Partei- und Parlamentsposten. Das echte Leben besteht vor allem im Ringen um Listenplätze und im Knüpfen von Netzwerken.
Fast schon zum Klischee geworden ist diese Klage über das Fehlen der echten Originale. Die Sehnsucht nach den von entbehrungsreicher Jugend geprägten Vollblutpolitikern, die noch mehr Temperament hatten als zwischen zwei Aktendeckel passt. Die Klage über die ach so stromlinienförmige aktuelle Politiker-Generation, sie fällt zuweilen so heftig aus, dass man schon Mitleid mit ihr entwickeln möchte. Denn auch sie treibt doch etwas an, auch sie haben – meistens – wahrhaftige Grundsätze und Ziele. Auch sie müssen ihr Handeln an der schwierigen Lebenswirklichkeit ausrichten.
Und bald schon könnte sich dieses Land heftig nach dieser Generation der beflissenen Karrierepolitiker zurücksehnen. Denn immerhin, sie gibt es noch. Sie haben, oft übrigens doch zufällig, den Weg in die Politik gewählt - in einen Job, der erbärmlich wenig Ansehen bringt. Der die Betroffenen mit oft überzogenen moralischen und politischen Ansprüchen auszehrt, der mit einem unmenschlichen Zeitaufwand die Persönlichkeit aufs Funktionieren reduziert, dessen Spielregeln die menschlichen Umgangsformen deformieren. Und dem Träger gewaltige Verantwortung aufbürdet.
Nun gibt es immer mehr Anzeichen, dass eine gefährliche Lücke aufreißt und die Politik ausbluten könnte aus Mangel an Politikern. Nehmen wir die Suche nach geeignetem Personal immerhin bei der mächtigen bayerischen Volkspartei CSU, die in der jüngeren Generation kaum jemanden hat, der ministrabel erscheint. Da führt dann an einem wie Generalsekretär Markus Söder schon deshalb kein Weg vorbei, weil es in seinem Alter in der Partei kaum andere Kandidaten gibt. In Sachsen beklagte Georg Milbradt bei seiner Kabinettsumbildung den Mangel an Alternativen und rekrutierte notgedrungen Altgediente. Und in der Hauptstadt beschäftigt die Parteispitzen die Sorge, dass immer wenige junge Leute nachrücken.
Das alte Muster der Rekrutierung über die Parteien, es funktioniert nicht mehr. Wie auch, wenn bei der SPD gerade nur acht Prozent der Mitglieder noch unter 35 Jahren sind; wenn bei der CDU das Durchschnittsalter Ende 2006 bei 56 Jahren lag. Es ist offenkundig an der Zeit, darüber nachzudenken, wie Nachwuchs nicht für die Parteien, sondern gerade für politische Ämter systematisch rekrutiert und ausgebildet werden kann. Nicht von ungefähr hat die SPD jetzt ihre "Führungsakademie der sozialen Demokratie" ins Leben gerufen. Denn weil die Gesellschaft ohne verantwortungsbewusste Politiker nicht funktionieren kann, muss sie diesen Nachwuchs gezielt ausbilden. Er wächst nicht mehr einfach so heran. Man mag über Quoten für Junge reden, über mehr Offenheit der Parteien für Menschen, die nicht gleich Mitglieder werden und ihre Abende nicht beim Parteistammtisch in Hinterzimmern verbringen wollen. Aber am Ende könnte auch es darum gehen, die Sache nicht mehr dem Zufall zu überlassen. Dann müsste man den Nachwuchs entsprechend der drei Eignungskriterien schulen, die Max Weber für den Beruf der Politiker formuliert hat: Leidenschaft – Verantwortungsgefühl – Augenmaß. Mit einer Ausbildung zum Berufspolitiker, die nicht nur Rhetorik und politische Theorie umfasst. Bei der nicht nur die Praxis der Gesetzgebung und der scharfen, aber fairen Debatte gelehrt wird, sondern auch ein bisschen was vom Leben, mit einem Praktikum als Pfleger im Altenheim, in der Führungsetage eines Konzerns, als Stecher im Spargelfeld oder Aushilfe in einem Handwerksbetrieb. Am Ende könnte, so angereichert, der Lebensweg Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal noch zu besseren Politikern verhelfen. Allein wird sich die Not nicht beheben.
Jens Schneider, Journalist, wurde 1963 in Hamburg geboren. 1991 begann er als Redakteur für das Ressort Außenpolitik der "Süddeutschen Zeitung" in München zu arbeiten und beschäftigte sich vor allem mit der Situation im ehemaligen Jugoslawien. Seit 1996 ist er Korrespondent der "Süddeutschen Zeitung" in Dresden, zuständig für die Berichterstattung aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Und bald schon könnte sich dieses Land heftig nach dieser Generation der beflissenen Karrierepolitiker zurücksehnen. Denn immerhin, sie gibt es noch. Sie haben, oft übrigens doch zufällig, den Weg in die Politik gewählt - in einen Job, der erbärmlich wenig Ansehen bringt. Der die Betroffenen mit oft überzogenen moralischen und politischen Ansprüchen auszehrt, der mit einem unmenschlichen Zeitaufwand die Persönlichkeit aufs Funktionieren reduziert, dessen Spielregeln die menschlichen Umgangsformen deformieren. Und dem Träger gewaltige Verantwortung aufbürdet.
Nun gibt es immer mehr Anzeichen, dass eine gefährliche Lücke aufreißt und die Politik ausbluten könnte aus Mangel an Politikern. Nehmen wir die Suche nach geeignetem Personal immerhin bei der mächtigen bayerischen Volkspartei CSU, die in der jüngeren Generation kaum jemanden hat, der ministrabel erscheint. Da führt dann an einem wie Generalsekretär Markus Söder schon deshalb kein Weg vorbei, weil es in seinem Alter in der Partei kaum andere Kandidaten gibt. In Sachsen beklagte Georg Milbradt bei seiner Kabinettsumbildung den Mangel an Alternativen und rekrutierte notgedrungen Altgediente. Und in der Hauptstadt beschäftigt die Parteispitzen die Sorge, dass immer wenige junge Leute nachrücken.
Das alte Muster der Rekrutierung über die Parteien, es funktioniert nicht mehr. Wie auch, wenn bei der SPD gerade nur acht Prozent der Mitglieder noch unter 35 Jahren sind; wenn bei der CDU das Durchschnittsalter Ende 2006 bei 56 Jahren lag. Es ist offenkundig an der Zeit, darüber nachzudenken, wie Nachwuchs nicht für die Parteien, sondern gerade für politische Ämter systematisch rekrutiert und ausgebildet werden kann. Nicht von ungefähr hat die SPD jetzt ihre "Führungsakademie der sozialen Demokratie" ins Leben gerufen. Denn weil die Gesellschaft ohne verantwortungsbewusste Politiker nicht funktionieren kann, muss sie diesen Nachwuchs gezielt ausbilden. Er wächst nicht mehr einfach so heran. Man mag über Quoten für Junge reden, über mehr Offenheit der Parteien für Menschen, die nicht gleich Mitglieder werden und ihre Abende nicht beim Parteistammtisch in Hinterzimmern verbringen wollen. Aber am Ende könnte auch es darum gehen, die Sache nicht mehr dem Zufall zu überlassen. Dann müsste man den Nachwuchs entsprechend der drei Eignungskriterien schulen, die Max Weber für den Beruf der Politiker formuliert hat: Leidenschaft – Verantwortungsgefühl – Augenmaß. Mit einer Ausbildung zum Berufspolitiker, die nicht nur Rhetorik und politische Theorie umfasst. Bei der nicht nur die Praxis der Gesetzgebung und der scharfen, aber fairen Debatte gelehrt wird, sondern auch ein bisschen was vom Leben, mit einem Praktikum als Pfleger im Altenheim, in der Führungsetage eines Konzerns, als Stecher im Spargelfeld oder Aushilfe in einem Handwerksbetrieb. Am Ende könnte, so angereichert, der Lebensweg Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal noch zu besseren Politikern verhelfen. Allein wird sich die Not nicht beheben.
Jens Schneider, Journalist, wurde 1963 in Hamburg geboren. 1991 begann er als Redakteur für das Ressort Außenpolitik der "Süddeutschen Zeitung" in München zu arbeiten und beschäftigte sich vor allem mit der Situation im ehemaligen Jugoslawien. Seit 1996 ist er Korrespondent der "Süddeutschen Zeitung" in Dresden, zuständig für die Berichterstattung aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.