Beschreibung der australischen Seele
Eigentlich will sich der Polizist Joe Cashin aus Melbourne auf dem Land von den Schattenseiten seines Berufes erholen. Als ein Wohltäter aus dem kleinen Ort nach einem Raubüberfall stirbt, kann er nicht anders, als sich auf Spurensuche zu begeben. Was das Buch aus der Gattung Krimi heraushebt, ist die tief gehende Beschreibung der australischen Seele.
Joe Cashin ist eigentlich Polizist bei der Mordkommission in Melbourne. Nach einer misslungenen Polizeiaktion, bei der sein Kollege ums Leben kam, hat man ihn für eine Weile aufs Land versetzt, damit er Abstand von den Geschehnissen bekommen kann. So versieht er den Job eines "Dorfpolizisten" in der Nähe seines Geburtsorts.
Zerstreuung findet er durch die Beschäftigung mit seinen beiden Hunden, durch klassische Musik und durch beträchtliche Mengen Alkohol. Eines Tages aber wird Charles Bourgoyne, der spendierfreudige Wohltäter des kleinen Ortes, bei einem Raubüberfall so schwer verletzt, dass er bald darauf stirbt.
Drei junge Aborigines geraten in Verdacht, als sie versuchen, eine wertvolle Uhr aus Bourgoynes Besitz zu verkaufen. Bei einer miserabel vorbereiteten und überstürzten Polizeiaktion kommen zwei der jungen Männer ums Leben. Als auch der dritte Tatverdächtige tot aufgefunden wird, scheint der Fall gelöst, und die Akte soll geschlossen werden.
Cashin aber bekommt die Geschehnisse nicht aus seinem Kopf. Nach und nach wird ihm klar, dass der ermordete Bourgoyne – Nächstenliebe heuchelnd – ganz und gar nicht der große Mäzen gewesen ist, den er in der Öffentlichkeit immer gespielt hat. Allmählich kommt ein Wirrwarr aus furchtbaren Familienschicksalen, alten offenen Rechnungen und Perversionen zum Vorschein, das schließlich den wirklichen Mörder Bourgoynes offenbart.
In einem Schluss voller Action kann Joe Cashin den Fall zwar lösen, was aber bleibt, ist eine bittere Interpretation der heutigen Realität in Australien, die nur dann in Ordnung zu sein scheint, wenn man nicht an der Oberfläche kratzt.
"Kalter August" ist nur vordergründig ein hundertprozentiger Krimi, der alle Anforderungen seines Genres mühelos erfüllt. Die Handlung wird zum Ende hin immer spannender, es gibt falsche Fährten und irgendwann die Offenbarung einer düsteren Wahrheit, die glaubwürdig beschrieben und in Szene gesetzt ist.
Der Roman ist zeitgemäß, denn wir lernen einen gebrochenen Helden kennen, der am Leben und am Job gescheitert scheint, aber weiterhin sein Herz auf dem rechten Fleck trägt und sich im entscheidenden Moment auf seine Instinkte verlassen kann. Und es gibt einen spannenden, fast schon zu aktionsgeladenen Schluss. Die australische Gesellschaft wird ausführlich beschrieben, und Temple geht ziemlich hart mit den Bewohnern des fünften Kontinents ins Gericht. Der Leser trifft auf Rassenhass und Perspektivlosigkeit; manches davon ist durchaus begründet, vieles aber basiert auf Vorurteilen der Figuren. Alle Personen sind glaubwürdig, auch die Handlung wirkt an keiner Stelle konstruiert.
Was das Buch aus der Gattung Krimi heraushebt, ist die tief gehende Beschreibung der australischen Seele. Peter Temple lässt eine gesamte australische Region an den Geschehnissen teilnehmen. Die Landschaft strahlt Melancholie aus, solange die Hauptfigur melancholisch ist. Es scheint, als würden sogar das Wetter und die Landschaft stets zur Stimmung des Helden und zum Fortgang der Verbrechensaufklärung passen. Australien spielt sozusagen auch eine Rolle in diesem Krimi.
Peter Temple versteht es hervorragend, äußeren Einflüssen die Wertigkeit einer agierenden Figur zu geben. Allerdings findet er in dieser Hinsicht kein rechtzeitiges Ende, er bremst zu spät. Schade, denn hierdurch verschenkt er eine interessante Möglichkeit. Fast manisch gibt Temple allem einen Sinn – bloße Zufälle, die die spannende Handlung eines Krimis vorantreiben können, scheint es gar nicht mehr zu geben.
"Kalter August" hat ohne Zweifel Züge eines Gesellschaftsromans, und der Autor hätte sicher auch die Fähigkeit, einen solchen zu schreiben; am Ende jedoch misst man das Buch daran, was es vor allem ist: eine Kriminalgeschichte, die in einer zerrissenen Gesellschaft angesiedelt ist, deren Angehörige zum Teil mehr von Verzweiflung getrieben als von Hoffnung geprägt sind.
Peter Temple ist gar kein gebürtiger Australier. Er kam 1946 in Südafrika zur Welt, studierte Geschichte und Politik und arbeitete als Journalist. Seit 1980 lebt er hauptsächlich in Australien, seit 1995 schreibt er Romane. Ende der neunziger Jahre machte er für zwei Jahre Station in Hamburg. In Australien ist Peter Temple inzwischen zu einem angesehenen Krimi-Autor geworden. Fünf seiner bisher acht Bücher sind mit dem "Ned Kelly Award", einem renommierten Preis für Kriminalliteratur, ausgezeichnet worden – darunter auch "Kalter August". Sein australischer Verlag hat lange gezögert, seine Bücher auch auf den amerikanischen und englischen Markt zu bringen, weil er angeblich "zu australisch orientiert" sei.
C. Bertelsmann unter dem Dach von Random House hat jedoch angekündigt, seine anderen Bücher ebenfalls ins Deutsche zu übersetzen und hier auf den Markt zu bringen.
Rezensiert von Roland Krüger
Peter Temple: "Kalter August"
Deutsch von Hans M. Herzog
Roman, 444 Seiten
Random House (C. Bertelsmann), München
19,95 €
Zerstreuung findet er durch die Beschäftigung mit seinen beiden Hunden, durch klassische Musik und durch beträchtliche Mengen Alkohol. Eines Tages aber wird Charles Bourgoyne, der spendierfreudige Wohltäter des kleinen Ortes, bei einem Raubüberfall so schwer verletzt, dass er bald darauf stirbt.
Drei junge Aborigines geraten in Verdacht, als sie versuchen, eine wertvolle Uhr aus Bourgoynes Besitz zu verkaufen. Bei einer miserabel vorbereiteten und überstürzten Polizeiaktion kommen zwei der jungen Männer ums Leben. Als auch der dritte Tatverdächtige tot aufgefunden wird, scheint der Fall gelöst, und die Akte soll geschlossen werden.
Cashin aber bekommt die Geschehnisse nicht aus seinem Kopf. Nach und nach wird ihm klar, dass der ermordete Bourgoyne – Nächstenliebe heuchelnd – ganz und gar nicht der große Mäzen gewesen ist, den er in der Öffentlichkeit immer gespielt hat. Allmählich kommt ein Wirrwarr aus furchtbaren Familienschicksalen, alten offenen Rechnungen und Perversionen zum Vorschein, das schließlich den wirklichen Mörder Bourgoynes offenbart.
In einem Schluss voller Action kann Joe Cashin den Fall zwar lösen, was aber bleibt, ist eine bittere Interpretation der heutigen Realität in Australien, die nur dann in Ordnung zu sein scheint, wenn man nicht an der Oberfläche kratzt.
"Kalter August" ist nur vordergründig ein hundertprozentiger Krimi, der alle Anforderungen seines Genres mühelos erfüllt. Die Handlung wird zum Ende hin immer spannender, es gibt falsche Fährten und irgendwann die Offenbarung einer düsteren Wahrheit, die glaubwürdig beschrieben und in Szene gesetzt ist.
Der Roman ist zeitgemäß, denn wir lernen einen gebrochenen Helden kennen, der am Leben und am Job gescheitert scheint, aber weiterhin sein Herz auf dem rechten Fleck trägt und sich im entscheidenden Moment auf seine Instinkte verlassen kann. Und es gibt einen spannenden, fast schon zu aktionsgeladenen Schluss. Die australische Gesellschaft wird ausführlich beschrieben, und Temple geht ziemlich hart mit den Bewohnern des fünften Kontinents ins Gericht. Der Leser trifft auf Rassenhass und Perspektivlosigkeit; manches davon ist durchaus begründet, vieles aber basiert auf Vorurteilen der Figuren. Alle Personen sind glaubwürdig, auch die Handlung wirkt an keiner Stelle konstruiert.
Was das Buch aus der Gattung Krimi heraushebt, ist die tief gehende Beschreibung der australischen Seele. Peter Temple lässt eine gesamte australische Region an den Geschehnissen teilnehmen. Die Landschaft strahlt Melancholie aus, solange die Hauptfigur melancholisch ist. Es scheint, als würden sogar das Wetter und die Landschaft stets zur Stimmung des Helden und zum Fortgang der Verbrechensaufklärung passen. Australien spielt sozusagen auch eine Rolle in diesem Krimi.
Peter Temple versteht es hervorragend, äußeren Einflüssen die Wertigkeit einer agierenden Figur zu geben. Allerdings findet er in dieser Hinsicht kein rechtzeitiges Ende, er bremst zu spät. Schade, denn hierdurch verschenkt er eine interessante Möglichkeit. Fast manisch gibt Temple allem einen Sinn – bloße Zufälle, die die spannende Handlung eines Krimis vorantreiben können, scheint es gar nicht mehr zu geben.
"Kalter August" hat ohne Zweifel Züge eines Gesellschaftsromans, und der Autor hätte sicher auch die Fähigkeit, einen solchen zu schreiben; am Ende jedoch misst man das Buch daran, was es vor allem ist: eine Kriminalgeschichte, die in einer zerrissenen Gesellschaft angesiedelt ist, deren Angehörige zum Teil mehr von Verzweiflung getrieben als von Hoffnung geprägt sind.
Peter Temple ist gar kein gebürtiger Australier. Er kam 1946 in Südafrika zur Welt, studierte Geschichte und Politik und arbeitete als Journalist. Seit 1980 lebt er hauptsächlich in Australien, seit 1995 schreibt er Romane. Ende der neunziger Jahre machte er für zwei Jahre Station in Hamburg. In Australien ist Peter Temple inzwischen zu einem angesehenen Krimi-Autor geworden. Fünf seiner bisher acht Bücher sind mit dem "Ned Kelly Award", einem renommierten Preis für Kriminalliteratur, ausgezeichnet worden – darunter auch "Kalter August". Sein australischer Verlag hat lange gezögert, seine Bücher auch auf den amerikanischen und englischen Markt zu bringen, weil er angeblich "zu australisch orientiert" sei.
C. Bertelsmann unter dem Dach von Random House hat jedoch angekündigt, seine anderen Bücher ebenfalls ins Deutsche zu übersetzen und hier auf den Markt zu bringen.
Rezensiert von Roland Krüger
Peter Temple: "Kalter August"
Deutsch von Hans M. Herzog
Roman, 444 Seiten
Random House (C. Bertelsmann), München
19,95 €