Besessen vom Detail

Von Stefan Keim |
Im Düsseldorfer Filmmuseum eröffnet eine Ausstellung über Leben und Werk des Regisseurs und Schauspielers Roman Polanski. Die Schau fällt in eine Zeit, in der der 76-Jährige medienpräsent ist wie lange nicht.
Rosemary erwartet ihr erstes Kind. Sie lebt mit ihrem Mann, einem erfolglosen Schauspieler, in New York. Langsam schleichen sich bedrohliche Anzeichen in ihren Alltag. Die netten Nachbarn wirken plötzlich diabolisch, und auch Rosemarys Gatte scheint nicht mehr derselbe zu sein. Die junge Frau gerät in Panik.

"Doktor, es ist eine Verschwörung. Ich weiß, das klingt verrückt. Und ich kann mir denken, dass Sie glauben, das arme Mädchen ist übergeschnappt. Aber ich bin’s nicht. Ich bin nicht übergeschnappt, Dr. Hill. Ich schwöre es bei allen Heiligen, ich bin´s nicht."

Roman Polanskis Film "Rosemary´s Baby" war der Beginn einer ganzen Reihe von okkulten Thrillern wie "Der Exorzist" oder "Das Omen". Der Regisseur schuf einen neuen Kinotrend, der bis heute anhält. Das war kein Einzelfall, manchmal dauerte es nur länger, bis seine Impulse Wirkung zeigten. Die populäre "Fluch der Karibik"-Serie zum Beispiel hat ihre Wurzeln in Roman Polanskis Seeräuberparodie "Piraten" von 1986. In jedem seiner Filme schafft Polanski eine eigene, bis ins kleinste Detail ausgetüftelte Kinowelt.

"Polanski ist ein Pedant."

Bernd Desinger ist Direktor des Düsseldorfer Filmmuseums.

"Das geht los mit der Konzeption, mit der Stofferarbeitung über die Gestaltung des Storyboards, über die Drehbuchanlage. Dann auf dem Set selbst, er ist in jedem Schritt involviert. Setbilder, die wir auch in der Ausstellung zeigen, demonstrieren das zuhauf. Mal springt er hinter die Kamera, dann erklärt er dem Setdesigner irgendwas, dann spielt er den Schauspielern vor, wie sie etwas machen müssen. Er ist in jedem Moment des Filmprozesses involviert, total detailversessen, da wird nichts dem Zufall überlassen. Und am Ende kommt ein stimmiges Produkt heraus."

Ein Foto zeigt Roman Polanski bei den Dreharbeiten zu "Das Messer im Wasser", einem vor 48 Jahren noch in Polen entstandenen Film, der ihn bekannt macht. Da liegt er mit der Kamera auf einem Auto, versucht mit vollem Körpereinsatz zur perfekten Aufnahme zu kommen. Ein leidenschaftlicher, fast schon fanatischer Filmemacher, so porträtiert ihn die Düsseldorfer Ausstellung. Die meisten Schauspieler haben nur einmal mit ihm gearbeitet. Vielleicht reicht diese Erfahrung fürs Leben. Aber beschwert hat sich bisher keiner.

Auch von sich selbst verlangt Polanski alles, wenn er als Darsteller vor die Kamera tritt. Nur einmal spielt er die Hauptrolle, im Psychohorrortrip "Der Mieter", einem seiner besten Filme. Er verkörpert einen kleinen, etwas trotteligen, aus Polen stammenden Mann, der in eine Pariser Wohnung einzieht. Seine Vormieterin hat sich aus dem Fenster gestürzt, ihre Sachen sind noch da, der Mann taucht immer weiter in ihre Welt ein. Seine Persönlichkeit löst sich auf, er wittert überall Verschwörung.

"I know just what you´re up to … I know exactly what your little sceme is."

"Er spielt ja immer diesen puckhaften, kleinen Menschen, der herumspringt und der sich auch teilweise lächerlich macht."

Matthias Knop vom Filmmuseum.

"Der wie in 'Der Mieter' auch eine tragische Figur ist, durchaus, aber immer auch ein bisschen Selbstironie hat. Ich glaube, das ist das, was er auch in seinen frühen Filmen in den 50er-Jahren, verkörpert hat."

Die Ausstellung zeigt Polanskis Leben und Schaffen, die Jugend im Krakauer Ghetto, die Verhaftung der schwangeren Mutter, die in Auschwitz ermordet wird, die Flucht, die Anfänge am Theater, das Studium an der Filmhochschule in Lodz. In der parallel laufenden Filmreihe werden auch Polanskis Kurzfilme aus dieser Zeit gezeigt. Es ist ein Leben mit Triumphen und Katastrophen.

1969 ermorden Anhänger des Sektenführers Charles Manson Polanskis hoch schwangere Frau Sharon Tate in Los Angeles. Einige Journalisten wollen ihm eine Mitschuld unterstellen. Acht Jahre später gerät Polanski wieder in die Boulevardpresse. Er soll eine 13-Jährige unter Drogen gesetzt und sexuell missbraucht haben. Museumsleiter Bernd Desinger:

"Wir skizzieren das anhand damals aktueller Zeitungsausschnitte, zeigen aber auch Ausschnitte aus einer Dokumentation 'anted and desired', die die damaligen Vorfälle und das damalige juristische Verfahren nachzeichnet. Wir distanzieren uns davon, stellen durchaus dar, es ist ein Teil seiner Biografie. Aber für uns ist zentral das Filmwerk, das ist unsere Aufgabe als Filmmuseum."

Ein Filmwerk, das durch Vielfalt und besessene Perfektion beeindruckt. Die vielen groß- und kleinformatigen Szenenfotos zeigen, wie penibel Polanski Bilder komponiert. Dazu kommen Requisiten aus den Filmen, das Kleid, das Nastassja Kinski im Kostümdrama "Tess" getragen hat, ein Modell des Premierminister-Bungalows aus dem neuesten Thriller "The Ghostwriter". Die Texttafeln liefern biografische Hintergründe und lassen auch kritische Stimmen zu. Polanskis Krimi "Frantic" zum Beispiel erinnerte viele Kritiker zu sehr an die Meisterwerke Alfred Hitchcocks. Matthias Knop:

"Roman Polanski ist ein typischer postmoderner Regisseur. Das hat er auch selbst immer gesagt. Der hat so viele Bilder im Kopf, er hat sich ja schon als relativ junger Mensch mit Shakespeare befasst, mit Beckett. Er war immer ein großer Theatermann, er hat ja auch selbst Theater inszeniert. Er war von der Literatur, von der Kunst beeinflusst, er war Kunststudent, sehr begeistert übrigens. Und er hat gesagt, dass er davon ausgeht, wenn er es auch nicht bewusst macht, dass in seinen Filmen sehr viele Versatzstücke anderer Künstler und anderer Künste enthalten sind, dass er für sich aber in Anspruch nimmt, dass er sie so ordnet, dass sie seinem Ansinnen, was er ausdrücken möchte, nahe kommen."

Service:

Die Ausstellung läuft vom 27. Februar bis 16. Mai 2010 im Filmmuseum Düsseldorf.