"Besonders anfällig sind junge Erwachsene oder Jugendliche"
Seit über eineinhalb Jahren bietet die Uniklinik Mainz eine Therapiegruppe für Online-Süchtige an. Das Hauptmerkmal für eine solche Abhängigkeitserkrankung sei der Kontrollverlust, sagte Christina Hoch, eine der dort behandelnden Psychologinnen.
Susanne Führer: Und für diejenigen, die gar nichts anderes mehr machen und nur noch vorm PC sitzen, gibt es seit anderthalb Jahren an der Uniklinik in Mainz eine Therapiegruppe. Dr. Christina Hoch ist eine der behandelnden Psychologinnen dort. Guten Tag, Frau Hoch!
Christina Hoch: Guten Tag!
Führer: Ja, Sie haben die Suchtdefinition des 13-jährigen Leonhard gerade gehört - hat er recht?
Hoch: Also das Hauptmerkmal für eine Abhängigkeitserkrankung auch beim Computer spielen wie bei allen anderen Abhängigkeitserkrankungen ist bei uns der Kontrollverlust. Das heißt, dass die Betroffenen es nicht regulieren können, wann sie anfangen zu spielen und wann sie es beenden. Wenn sie einmal drin sind, dass es ihnen nicht gelingt, von dem Spiel wieder Abstand zu gewinnen.
Führer: Insofern hat er recht, wenn er sagt: "Süchtig ist, wenn man gar nichts anderes mehr macht?"
Hoch: Genau. Die gesamten anderen Lebensbereiche - sei es Schule, sei es Ausbildung, Beruf, die sozialen Kontakte, Hobbys - gehen immer weiter zurück zugunsten des Computerspiels.
Führer: Wenn wir die Sucht mal ansehen als einen Versuch, eine Leere zu füllen, dann frage ich mich, was unterscheidet die Computerspielsucht von der Kaufsucht zum Beispiel oder von der Glücksspielsucht?
Hoch: Im Grunde gehen wir davon aus, dass eigentlich große Parallelen bestehen, dass der Effekt der gleiche ist. Auch über das Computerspiel holen sich die Jugendlichen/jungen Erwachsenen ein gutes Gefühl. Und das ist genauso beim Kaufen, das ist aber auch beim Alkoholkonsum, beim Drogenkonsum et cetera der Fall.
Führer: Vielleicht wäre ja ein Unterschied, habe ich so überlegt, dass zum ersten Mal jetzt die Kinder und Jugendlichen etwas treiben, wovon die meisten Eltern gar keine Ahnung haben?
Hoch: Das ist richtig. Das ist auch, glaube ich, etwas, warum die Computernutzung bei Jugendlichen ja auch oft erstmal gefördert wird. Es geht um Medienkompetenz, aber dann auch oftmals das Problem nicht so schnell erkannt wird, weil die Erwachsenen nicht mitbekommen, was macht mein Kind da, und sich auch gar nicht in diese Welt so einfühlen können, die ihr Kind da täglich besucht.
Führer: Ist nicht vielleicht auch ein weiteres Problem, dass gerade Onlinesüchtige den Kontakt zur Realwelt komplett verlieren, oder ist das bei Glückspielsüchtigen zum Beispiel ähnlich?
Hoch: Das ist bei Computerspielabhängigkeit schon noch mal verschärft, weil die Betroffenen ja viele Kontakte übers Internet knüpfen. Das ist eins der Faktoren, die sie auch besonders an das Spiel binden, dass sie hier Kontakte haben und die letztendlich auch bedeutungsvoller werden als die Kontakte in der realen Welt.
Führer: Frau Hoch: Von anderen Suchterkrankungen wissen wir ja, dass sich der Süchtige ja geradezu mit einem - wie soll man sagen - Ingrimm selbst schädigt: trinkt, raucht, Heroin nimmt, was auch immer, also sich verschuldet bei der Kaufsucht. Und wenn man ihm das verwehren will, indem man ihm also sein Suchtmittel wegnimmt, also den Alkohol versteckt, was auch immer, kann es zu sehr aggressiven Durchbrüchen kommen. Ist das bei dieser Onlinesucht auch so? Haben Sie so was auch schon gehört?
Hoch: Ja.
Hoch: Definitiv. Also es ist sowohl eine Fremdaggression, dass Eltern angegriffen werden, dass Möbel zertrümmert werden, aber auch, dass die Jugendlichen so weit zusammenbrechen, dass tatsächlich auch eine Suizidgefährdung vorliegt.
Führer: Welches Spiel steht denn ganz oben auf der Suchtskala?
Hoch: Also überdurchschnittlich häufig kommen zu uns Spieler, die "World of Warcraft" spielen.
Führer: Und warum, meinen Sie, ist das so süchtigmachend? Haben Sie es auch mal gespielt?
Hoch: Ich habe es angespielt, ja, und ich glaube, es hat verschiedene Faktoren. Also es ist schon die Struktur des Spieles, die einfach auffordert, sehr, sehr lange im Spiel zu bleiben, dass insbesondere intensives, exzessives Spielen belohnt und letztendlich auch nie zu Ende geht. Alle anderen Spiele haben irgendwann ein Ende, "World of Warcraft" kann man einfach immer weiterspielen. Dann ist es sicherlich auch die hohe Identifizierung mit dem Avatar, mit dem Spielcharakter, den die Betroffenen sich wählen, den sie weiterentwickeln und eine ganz hohe emotionale Bindung für sie auch bedeutet. Und letztendlich ist es die soziale Einbindung, in Gilden sich zu formatieren, dort wichtig zu sein, dort verantwortungsvolle Aufgaben zu übernehmen und auch das Gefühl zu bekommen: Ich bin da jetzt unentbehrlich.
Führer: Laut Drogenbericht der Bundesregierung sind drei bis sieben Prozent der Internetnutzer onlinesüchtig. Im Deutschlandradio Kultur Dr. Christina Hoch, sie behandelt Computerspiel-Süchtige an der Uniklinik Mainz. Frau Hoch, wer kommt denn zu Ihnen in die Therapiegruppe?
Hoch: Es sind hauptsächlich junge Männer, etwa 18 bis 28 Jahre, die so im Übergang stehen Schule hin zum Studium oder Berufsanfang und da große Probleme haben, weil sie zu viel spielen.
Führer: Warum Männer?
Hoch: Ich glaube, dass die Spiele schon eher das archaische Motiverleben von Männern anspricht: Kämpfen, Beherrschen, Macht ausüben. Die Frauen, die zu uns kommen, die bindet eher so der soziale Kontakt, die sind dann auch eher in Chatforen oder in Online-Communitys zu finden als in den Online-Rollenspielen.
Führer: Sie haben ja gesagt, ab 18 kommen die - Jugendliche kommen nicht oder wenig, warum nicht?
Hoch: Wenig. Die werden eher von ihren Eltern zu uns gebracht. Ich glaube, es geht tatsächlich darum, dass während der Schule, solange es nicht zu einem Schulabbruch kommt, da einfach die Einbindung noch besteht. Und sobald die Jungen aber mehr Eigeninitiative - sei es im Studium oder Berufsleben - übernehmen müssen, scheitern sie doch oft. Da fällt viel Struktur von außen noch mal weg.
Führer: Man sagt doch auch immer, eine Therapie ist eigentlich nur dann sinnvoll, wenn man sozusagen krankheitseinsichtig ist. Bringt denn das was, wenn die Eltern ihre Kinder da anschleppen zu Ihnen?
Hoch: Was wir probieren, ist, ein Stück weit Problembewusstsein bei den Jugendlichen zu schaffen. Teilweise geht's aber auch tatsächlich darum, die Eltern ein bisschen zu beruhigen. Also es ist ja auch momentan ein Thema, das sehr präsent ist in den Medien, und oftmals können wir da auch gut Entwarnung geben. Ansonsten, wenn tatsächlich ein Problem vorliegt, versuchen wir, Problembewusstsein bei den Jugendlichen zu locken. Aber im Endeffekt wirklich Therapie kann nur dann geschehen und kann nur dann erfolgreich sein, wenn die Jugendlichen/jungen Erwachsenen auch bereit dafür sind.
Führer: Und die Therapie geschieht bei Ihnen in Gruppen, und was wird da eigentlich genau gemacht? Geht's um die Gründe für die Sucht, werden verhaltenstherapeutische Übungen gemacht - wie stelle ich meinen Computer aus? -, oder was passiert da?
Hoch: Sowohl als auch. Also wir versuchen am Anfang schon, dem auf den Grund zu gehen - wie konnte es überhaupt zu dem exzessiven Spielen kommen, was hatte das Spiel für eine Funktion für mich, was für ein Motiv hat mich immer wieder angeregt zu spielen - und letztendlich einen funktionalen Umgang mit dem PC zu erlernen. Es geht nicht darum, den PC ganz abzuschaffen, sondern wirklich einen funktionalen Umgang damit aufzubauen. Und das bedeutet im Grunde auch andere Alternativen aufzubauen: alternative soziale Kontakte, Freizeitaktivitäten, aber besonders auch Alternativen, wie kann ich anders Problemen, mit Stress umgehen, mit Frustration und Misserfolg.
Führer: Das stelle ich mir ja schwierig vor, weil der Computer ja sozusagen aus dem Leben gar nicht mehr wegzudenken ist. Es ist ja, glaube ich, auch ein Problem von vielen Esssüchtigen - essen muss der Mensch -, also man kann das Suchtmittel nicht vollkommen meiden, wie zum Beispiel Alkoholsüchtige.
Hoch: Das stimmt, wobei man ja die Spiele meiden kann. Also PC-Nutzung heißt ja nicht unbedingt, dass ich da tatsächlich auch Online-Rollenspiele mit nutzen muss.
Führer: Sie haben diese Therapiegruppen jetzt seit anderthalb Jahren. Haben Sie schon Erkenntnisse über die Rückfallquote, oder ist das noch zu früh?
Hoch: Das ist zu früh, um wirklich seriöse Angaben zu machen. Wir haben die Gruppen, es sind jetzt insgesamt drei Gruppen, die abgeschlossen sind, und wirklich seriöse Angaben können wir da in ein, zwei Jahren machen und wenn wir auch tatsächlich Langzeitangaben haben. Momentan haben wir den Eindruck, dass die meisten es zumindest mit Abschluss der Therapie schaffen, ihr Leben wieder besser zu organisieren und auch wieder einen funktionaleren Umgang mit dem PC aufzubauen.
Führer: Sie begleiten diese Therapiegruppen ja auch wissenschaftlich. Haben Sie schon Kriterien herausarbeiten können, wer besonders anfällig ist für Onlinesucht?
Hoch: Besonders anfällig sind sicherlich junge Erwachsene oder Jugendliche, die Schwierigkeiten im sozialen Kontakt haben, die soziale Ängste aufweisen oder wirklich auch ein Defizit bezüglich sozialer Kompetenzen. Viele, die zu uns kommen, die auch schwere Hänseleien oder Ähnliches erlebt haben und sich dann eher etwas misstrauisch zurückziehen, auch in Kontakt eher erst mal vorsichtig, misstrauisch sind. Ansonsten aber auch viele, die Schwierigkeiten haben, sich zu strukturieren, die sogenannte Arbeitsstörungen haben, tatsächlich Aufgaben strukturiert anzugehen, durchzuführen, auch durchzuhalten, wenn es eben mal zu Schwierigkeiten oder Misserfolgen kommt. Die gleichzeitig hohe Ansprüche an sich haben, was will ich erreichen, aber eine geringe Leistungsmotivation, wenig Engagement, sich tatsächlich da reinzuknien, was sie erreichen wollen.
Führer: Was können denn Eltern vorbeugend tun, Frau Hoch?
Hoch: Ich denke, wichtig sind von Anfang an klare Regeln zu setzen über die Nutzungsdauer von PC-Spielen, aber auch ganz wichtig, die Altersbeschränkungen einzuhalten, ein konsequenter Umgang mit dem PC und nicht den Jugendlichen einfach machen lassen und wegschauen.
Führer: Dr. Christina Hoch von der Uniklinik Mainz. Dort werden Therapiegruppen für Onlinesüchtige angeboten. Ich danke Ihnen herzlich für das Gespräch, Frau Hoch!
Hoch: Danke!
Christina Hoch: Guten Tag!
Führer: Ja, Sie haben die Suchtdefinition des 13-jährigen Leonhard gerade gehört - hat er recht?
Hoch: Also das Hauptmerkmal für eine Abhängigkeitserkrankung auch beim Computer spielen wie bei allen anderen Abhängigkeitserkrankungen ist bei uns der Kontrollverlust. Das heißt, dass die Betroffenen es nicht regulieren können, wann sie anfangen zu spielen und wann sie es beenden. Wenn sie einmal drin sind, dass es ihnen nicht gelingt, von dem Spiel wieder Abstand zu gewinnen.
Führer: Insofern hat er recht, wenn er sagt: "Süchtig ist, wenn man gar nichts anderes mehr macht?"
Hoch: Genau. Die gesamten anderen Lebensbereiche - sei es Schule, sei es Ausbildung, Beruf, die sozialen Kontakte, Hobbys - gehen immer weiter zurück zugunsten des Computerspiels.
Führer: Wenn wir die Sucht mal ansehen als einen Versuch, eine Leere zu füllen, dann frage ich mich, was unterscheidet die Computerspielsucht von der Kaufsucht zum Beispiel oder von der Glücksspielsucht?
Hoch: Im Grunde gehen wir davon aus, dass eigentlich große Parallelen bestehen, dass der Effekt der gleiche ist. Auch über das Computerspiel holen sich die Jugendlichen/jungen Erwachsenen ein gutes Gefühl. Und das ist genauso beim Kaufen, das ist aber auch beim Alkoholkonsum, beim Drogenkonsum et cetera der Fall.
Führer: Vielleicht wäre ja ein Unterschied, habe ich so überlegt, dass zum ersten Mal jetzt die Kinder und Jugendlichen etwas treiben, wovon die meisten Eltern gar keine Ahnung haben?
Hoch: Das ist richtig. Das ist auch, glaube ich, etwas, warum die Computernutzung bei Jugendlichen ja auch oft erstmal gefördert wird. Es geht um Medienkompetenz, aber dann auch oftmals das Problem nicht so schnell erkannt wird, weil die Erwachsenen nicht mitbekommen, was macht mein Kind da, und sich auch gar nicht in diese Welt so einfühlen können, die ihr Kind da täglich besucht.
Führer: Ist nicht vielleicht auch ein weiteres Problem, dass gerade Onlinesüchtige den Kontakt zur Realwelt komplett verlieren, oder ist das bei Glückspielsüchtigen zum Beispiel ähnlich?
Hoch: Das ist bei Computerspielabhängigkeit schon noch mal verschärft, weil die Betroffenen ja viele Kontakte übers Internet knüpfen. Das ist eins der Faktoren, die sie auch besonders an das Spiel binden, dass sie hier Kontakte haben und die letztendlich auch bedeutungsvoller werden als die Kontakte in der realen Welt.
Führer: Frau Hoch: Von anderen Suchterkrankungen wissen wir ja, dass sich der Süchtige ja geradezu mit einem - wie soll man sagen - Ingrimm selbst schädigt: trinkt, raucht, Heroin nimmt, was auch immer, also sich verschuldet bei der Kaufsucht. Und wenn man ihm das verwehren will, indem man ihm also sein Suchtmittel wegnimmt, also den Alkohol versteckt, was auch immer, kann es zu sehr aggressiven Durchbrüchen kommen. Ist das bei dieser Onlinesucht auch so? Haben Sie so was auch schon gehört?
Hoch: Ja.
Hoch: Definitiv. Also es ist sowohl eine Fremdaggression, dass Eltern angegriffen werden, dass Möbel zertrümmert werden, aber auch, dass die Jugendlichen so weit zusammenbrechen, dass tatsächlich auch eine Suizidgefährdung vorliegt.
Führer: Welches Spiel steht denn ganz oben auf der Suchtskala?
Hoch: Also überdurchschnittlich häufig kommen zu uns Spieler, die "World of Warcraft" spielen.
Führer: Und warum, meinen Sie, ist das so süchtigmachend? Haben Sie es auch mal gespielt?
Hoch: Ich habe es angespielt, ja, und ich glaube, es hat verschiedene Faktoren. Also es ist schon die Struktur des Spieles, die einfach auffordert, sehr, sehr lange im Spiel zu bleiben, dass insbesondere intensives, exzessives Spielen belohnt und letztendlich auch nie zu Ende geht. Alle anderen Spiele haben irgendwann ein Ende, "World of Warcraft" kann man einfach immer weiterspielen. Dann ist es sicherlich auch die hohe Identifizierung mit dem Avatar, mit dem Spielcharakter, den die Betroffenen sich wählen, den sie weiterentwickeln und eine ganz hohe emotionale Bindung für sie auch bedeutet. Und letztendlich ist es die soziale Einbindung, in Gilden sich zu formatieren, dort wichtig zu sein, dort verantwortungsvolle Aufgaben zu übernehmen und auch das Gefühl zu bekommen: Ich bin da jetzt unentbehrlich.
Führer: Laut Drogenbericht der Bundesregierung sind drei bis sieben Prozent der Internetnutzer onlinesüchtig. Im Deutschlandradio Kultur Dr. Christina Hoch, sie behandelt Computerspiel-Süchtige an der Uniklinik Mainz. Frau Hoch, wer kommt denn zu Ihnen in die Therapiegruppe?
Hoch: Es sind hauptsächlich junge Männer, etwa 18 bis 28 Jahre, die so im Übergang stehen Schule hin zum Studium oder Berufsanfang und da große Probleme haben, weil sie zu viel spielen.
Führer: Warum Männer?
Hoch: Ich glaube, dass die Spiele schon eher das archaische Motiverleben von Männern anspricht: Kämpfen, Beherrschen, Macht ausüben. Die Frauen, die zu uns kommen, die bindet eher so der soziale Kontakt, die sind dann auch eher in Chatforen oder in Online-Communitys zu finden als in den Online-Rollenspielen.
Führer: Sie haben ja gesagt, ab 18 kommen die - Jugendliche kommen nicht oder wenig, warum nicht?
Hoch: Wenig. Die werden eher von ihren Eltern zu uns gebracht. Ich glaube, es geht tatsächlich darum, dass während der Schule, solange es nicht zu einem Schulabbruch kommt, da einfach die Einbindung noch besteht. Und sobald die Jungen aber mehr Eigeninitiative - sei es im Studium oder Berufsleben - übernehmen müssen, scheitern sie doch oft. Da fällt viel Struktur von außen noch mal weg.
Führer: Man sagt doch auch immer, eine Therapie ist eigentlich nur dann sinnvoll, wenn man sozusagen krankheitseinsichtig ist. Bringt denn das was, wenn die Eltern ihre Kinder da anschleppen zu Ihnen?
Hoch: Was wir probieren, ist, ein Stück weit Problembewusstsein bei den Jugendlichen zu schaffen. Teilweise geht's aber auch tatsächlich darum, die Eltern ein bisschen zu beruhigen. Also es ist ja auch momentan ein Thema, das sehr präsent ist in den Medien, und oftmals können wir da auch gut Entwarnung geben. Ansonsten, wenn tatsächlich ein Problem vorliegt, versuchen wir, Problembewusstsein bei den Jugendlichen zu locken. Aber im Endeffekt wirklich Therapie kann nur dann geschehen und kann nur dann erfolgreich sein, wenn die Jugendlichen/jungen Erwachsenen auch bereit dafür sind.
Führer: Und die Therapie geschieht bei Ihnen in Gruppen, und was wird da eigentlich genau gemacht? Geht's um die Gründe für die Sucht, werden verhaltenstherapeutische Übungen gemacht - wie stelle ich meinen Computer aus? -, oder was passiert da?
Hoch: Sowohl als auch. Also wir versuchen am Anfang schon, dem auf den Grund zu gehen - wie konnte es überhaupt zu dem exzessiven Spielen kommen, was hatte das Spiel für eine Funktion für mich, was für ein Motiv hat mich immer wieder angeregt zu spielen - und letztendlich einen funktionalen Umgang mit dem PC zu erlernen. Es geht nicht darum, den PC ganz abzuschaffen, sondern wirklich einen funktionalen Umgang damit aufzubauen. Und das bedeutet im Grunde auch andere Alternativen aufzubauen: alternative soziale Kontakte, Freizeitaktivitäten, aber besonders auch Alternativen, wie kann ich anders Problemen, mit Stress umgehen, mit Frustration und Misserfolg.
Führer: Das stelle ich mir ja schwierig vor, weil der Computer ja sozusagen aus dem Leben gar nicht mehr wegzudenken ist. Es ist ja, glaube ich, auch ein Problem von vielen Esssüchtigen - essen muss der Mensch -, also man kann das Suchtmittel nicht vollkommen meiden, wie zum Beispiel Alkoholsüchtige.
Hoch: Das stimmt, wobei man ja die Spiele meiden kann. Also PC-Nutzung heißt ja nicht unbedingt, dass ich da tatsächlich auch Online-Rollenspiele mit nutzen muss.
Führer: Sie haben diese Therapiegruppen jetzt seit anderthalb Jahren. Haben Sie schon Erkenntnisse über die Rückfallquote, oder ist das noch zu früh?
Hoch: Das ist zu früh, um wirklich seriöse Angaben zu machen. Wir haben die Gruppen, es sind jetzt insgesamt drei Gruppen, die abgeschlossen sind, und wirklich seriöse Angaben können wir da in ein, zwei Jahren machen und wenn wir auch tatsächlich Langzeitangaben haben. Momentan haben wir den Eindruck, dass die meisten es zumindest mit Abschluss der Therapie schaffen, ihr Leben wieder besser zu organisieren und auch wieder einen funktionaleren Umgang mit dem PC aufzubauen.
Führer: Sie begleiten diese Therapiegruppen ja auch wissenschaftlich. Haben Sie schon Kriterien herausarbeiten können, wer besonders anfällig ist für Onlinesucht?
Hoch: Besonders anfällig sind sicherlich junge Erwachsene oder Jugendliche, die Schwierigkeiten im sozialen Kontakt haben, die soziale Ängste aufweisen oder wirklich auch ein Defizit bezüglich sozialer Kompetenzen. Viele, die zu uns kommen, die auch schwere Hänseleien oder Ähnliches erlebt haben und sich dann eher etwas misstrauisch zurückziehen, auch in Kontakt eher erst mal vorsichtig, misstrauisch sind. Ansonsten aber auch viele, die Schwierigkeiten haben, sich zu strukturieren, die sogenannte Arbeitsstörungen haben, tatsächlich Aufgaben strukturiert anzugehen, durchzuführen, auch durchzuhalten, wenn es eben mal zu Schwierigkeiten oder Misserfolgen kommt. Die gleichzeitig hohe Ansprüche an sich haben, was will ich erreichen, aber eine geringe Leistungsmotivation, wenig Engagement, sich tatsächlich da reinzuknien, was sie erreichen wollen.
Führer: Was können denn Eltern vorbeugend tun, Frau Hoch?
Hoch: Ich denke, wichtig sind von Anfang an klare Regeln zu setzen über die Nutzungsdauer von PC-Spielen, aber auch ganz wichtig, die Altersbeschränkungen einzuhalten, ein konsequenter Umgang mit dem PC und nicht den Jugendlichen einfach machen lassen und wegschauen.
Führer: Dr. Christina Hoch von der Uniklinik Mainz. Dort werden Therapiegruppen für Onlinesüchtige angeboten. Ich danke Ihnen herzlich für das Gespräch, Frau Hoch!
Hoch: Danke!