"Besser als befürchtet"
Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele ist zufrieden mit dem Dokumentarfilm "Die Anwälte – eine deutsche Geschichte" der Regisseurin Birgit Schulz, der seit heute in den deutschen Kinos läuft. Schulz liefert darin ein Porträt der drei Rechtsanwälte Ströbele, Otto Schily und Horst Mahler, die als Verteidiger von Mitgliedern der RAF in den späten 60er- und 70er-Jahren von sich reden machten. Ströbele hofft, dass der Film dabei hilft, die Ereignisse damals für junge Leute zu erklären.
Christopher Ricke: Otto Schily, Hans-Christian Ströbele und Horst Mahler: der ehemalige Bundesinnenminister der SPD, der grüne Bundestagsabgeordnete mit dem einzigen Direktmandat seiner Partei und der verurteilte Rechtsextremist im Gefängnis. Die drei stehen weit auseinander, aber sie standen auch einmal gemeinsam, als Anwälte von RAF-Terroristen. Jetzt kommt der Film "Die Anwälte" in die Kinos, ein Film, der von der Filmbewertungsstelle bereits als "besonders wertvoll" bezeichnet wird. Hier ein Filmzitat - der ehemalige Anwalt Schily über seinen ehemaligen Kollegen, der auch einmal sein Mandant war - Mahler:
Otto Schily: "Horst Mahler war damals mein Mandant. Ich kann mich an eine Szene aus diesem Prozess erinnern. Ich habe damals glaub ich ein ganz gutes Plädoyer gehalten zu seinen Gunsten. Dann kam Horst Mahler und bekam als Angeklagter das letzte Wort und sagte dann: 'Mit Richtern spricht man nicht, auf Richter schießt man!' Da habe ich nur die Hände vorn Kopf geschlagen."
Christopher Ricke: Ich spreche jetzt mit dem Dritten in dem ehemaligen Bunde: Guten Morgen, Herr Ströbele!
Hans-Christian Ströbele: Ja, guten Morgen!
Ricke: Jetzt soll der Film, so heißt der Werbetext, eine spannende Reise durch die Zeitgeschichte sein und er wird von der Filmbewertungsstelle bereits als "besonders wertvoll" bezeichnet. Sind Sie denn mit dem Film zufrieden?
Ströbele: Ach, ich finde ihn eigentlich ganz gut. Er ist jedenfalls besser, als ich befürchtet habe.
Ricke: Die Regisseurin Birgit Schulz hat ja ausdrücklich eine Dokumentation vorgelegt, das ist sowohl cineastisch als auch inhaltlich etwas anderes als ein Spielfilm, als zum Beispiel der Spielfilm "Der Baader Meinhof Komplex" im letzten Jahr. Dennoch: Ergänzen sich die beiden Filme vielleicht in der zeitgeschichtlichen Betrachtung?
Ströbele: Ja, das hoffe ich doch sehr. Also, ich ärgere mich immer über die bisherigen sogenannten Dokumentationen, die man ja im Fernsehen und sonst überall immer wieder erleben musste, weil das meistens Actionfilme geworden sind, die eigentlich wenig erklären von dem, was damals passiert ist und wie es dazu gekommen ist. Da hoffe ich, dass dieser Film jetzt über die Anwälte jedenfalls einen kleinen Einblick gibt und ein bisschen weiterhilft.
Ricke: Jetzt haben Sie den Film ja schon gesehen. Erreicht denn der Film dieses gesteckte Ziel?
Ströbele: Das kann ich am schlechtesten beurteilen, weil für mich ist es natürlich so, wenn da Szenen aus früheren Dokumentationen, Filmen, aus der damaligen Zeit gezeigt werden, dann sagt mir das jeweils unendlich viel. Jedes Bild, was ich aus der ... von 1968 oder 1972 und so weiter in dem Film sehe, das lässt bei mir ganze Ereignisse ins Gedächtnis kommen. Ich weiß natürlich nicht, wie das heute wirkt auf junge Zuschauerinnen und Zuschauer, die das damals nicht miterlebt haben, bei denen solche Assoziationen damit nicht verbunden sind. Ob die das überhaupt in Zusammenhang bringen können und ob das bei ihnen was bewirkt, das müssen wir jetzt sehen und das soll ja jetzt ausprobiert werden, wenn der Film läuft.
Ricke: Ist das ein Film für Historiker, ein Film für Altlinke oder vielleicht sogar ein Film für den Sozialkundeunterricht?
Ströbele: Also, Letzteres wäre natürlich gar nicht schlecht. Ich habe Erfahrungen mit Veranstaltungen an Universitäten, auch an Schulen, zu diesem Thema, und stelle immer wieder fest, dass es bei sehr vielen ein ganz großes Interesse gibt, mehr über die damalige Zeit zu erfahren. Offenbar steht sehr wenig dazu in den Schulbüchern oder gar nichts, und auch viele Lehrerinnen und Lehrer haben wohl jahrzehntelang noch Hemmungen gehabt, an dieses Tabu sich heranzuwagen, vielleicht auch, weil sie befürchteten, dann irgendwie ins falsche Licht zu kommen. Also, da gibt es Aufklärungs- und Diskussionsbedarf, und vielleicht leistet der Film einen kleinen Beitrag dazu.
Ricke: Was den Film spannend macht – und spannend muss ja ein Film sein, der in den Kinos auch ein paar Zuschauer haben soll –, was den Film spannend macht, ist das damalige und das heutige Verhältnis zwischen diesen drei Männern, diesen drei ehemaligen Anwälten. Hatten Sie denn während der Dreharbeiten in irgendeiner Art und Weise Kontakt zueinander oder wurde das getrennt alles aufgenommen und dann von der Regisseurin zusammengefügt?
Ströbele: Nein, ich hatte mit den beiden Kollegen überhaupt keinen Kontakt, also, Otto Schily habe ich natürlich hin und wieder im Bundestag getroffen. Wir sind übrigens beide noch Rechtsanwälte, auch zugelassen, auch tätig als Rechtsanwälte, wenn auch nur sporadisch und sehr, sehr selten. Aber ich habe mich über diesen Film mit ihm seinerzeit nicht unterhalten. Wir haben auch nichts absprechen können oder wollen.
Ich war übrigens sehr zögerlich, ob ich da überhaupt mitmachen soll und es bedurfte vieler Überredungskünste der Regisseurin, mich dazu zu bringen, dann doch die Stunden hinzugeben für diese Interviews, die da gemacht worden sind, und wir waren jeweils ganz allein, also immer im Gerichtssaal mit der Befragerin und zwei, drei Kamerateams war jeder der befragten Anwälte allein.
Ricke: Was war letztlich das Argument, dass Sie mitgemacht haben? War es der Wunsch danach, den eigenen Blickwinkel auch noch einmal zu erläutern?
Ströbele: Ja. Ich habe ja schon gesagt, ich ärgere mich über viele Dokumentationen, und hier wurde mir zugesagt, dass aus einem Interview nicht nur fünf Worte oder ein halber Satz in irgendeinem komischen Zusammenhang dann gebracht wird, sondern dass man auch mal eine Argumentation entwickeln kann. Und das hat die Regisseurin auch eingehalten. Also, Sie hören sowohl von mir als auch von den Kollegen durchaus Erläuterungen, die, ich hoffe, verständlicher sind als das, was man sonst mitbekommt.
Ricke: Mahler, Schily, Ströbele, diese drei Namen sind ja ein Beispiel dafür, wie weit sich Lebenswege auseinanderentwickeln können. Sie haben schon gesagt, es gibt wenig bis keinen Kontakt, aber gibt es denn aus Ihrer Sicht eine Chance, dass Sie vielleicht doch noch einmal miteinander über vergangene Zeiten reden und sei es aus reiner Altersmilde?
Ströbele: Also, mit Otto Schily habe ich bei der Premiere geredet, da war er ja auch da, und wir haben jetzt nicht lange ... wir sind auch nicht lange anschließend Wein trinken gegangen, zumal ich gar keinen Wein trinke, aber wir sind uns ja nicht irgendwie böse, aber die Lebenswege sind schon so unterschiedlich und auch die politischen Auffassungen inzwischen, dass da jedenfalls nicht das Bedürfnis da ist bisher, darüber sich auseinanderzusetzen und zu diskutieren. Und zu Horst Mahler habe ich seit vielen, vielen Jahren überhaupt keinen Kontakt und er befindet sich ja derzeit im Gefängnis.
Ricke: Sollte er einmal wieder ein freier Mann sein, den Kontakt zu Ihnen suchen, würden Sie das ablehnen?
Ströbele: Das kommt sehr darauf an, um was es geht – wahrscheinlich ja.
Ricke: Hans-Christian Ströbele, vielen Dank!
Otto Schily: "Horst Mahler war damals mein Mandant. Ich kann mich an eine Szene aus diesem Prozess erinnern. Ich habe damals glaub ich ein ganz gutes Plädoyer gehalten zu seinen Gunsten. Dann kam Horst Mahler und bekam als Angeklagter das letzte Wort und sagte dann: 'Mit Richtern spricht man nicht, auf Richter schießt man!' Da habe ich nur die Hände vorn Kopf geschlagen."
Christopher Ricke: Ich spreche jetzt mit dem Dritten in dem ehemaligen Bunde: Guten Morgen, Herr Ströbele!
Hans-Christian Ströbele: Ja, guten Morgen!
Ricke: Jetzt soll der Film, so heißt der Werbetext, eine spannende Reise durch die Zeitgeschichte sein und er wird von der Filmbewertungsstelle bereits als "besonders wertvoll" bezeichnet. Sind Sie denn mit dem Film zufrieden?
Ströbele: Ach, ich finde ihn eigentlich ganz gut. Er ist jedenfalls besser, als ich befürchtet habe.
Ricke: Die Regisseurin Birgit Schulz hat ja ausdrücklich eine Dokumentation vorgelegt, das ist sowohl cineastisch als auch inhaltlich etwas anderes als ein Spielfilm, als zum Beispiel der Spielfilm "Der Baader Meinhof Komplex" im letzten Jahr. Dennoch: Ergänzen sich die beiden Filme vielleicht in der zeitgeschichtlichen Betrachtung?
Ströbele: Ja, das hoffe ich doch sehr. Also, ich ärgere mich immer über die bisherigen sogenannten Dokumentationen, die man ja im Fernsehen und sonst überall immer wieder erleben musste, weil das meistens Actionfilme geworden sind, die eigentlich wenig erklären von dem, was damals passiert ist und wie es dazu gekommen ist. Da hoffe ich, dass dieser Film jetzt über die Anwälte jedenfalls einen kleinen Einblick gibt und ein bisschen weiterhilft.
Ricke: Jetzt haben Sie den Film ja schon gesehen. Erreicht denn der Film dieses gesteckte Ziel?
Ströbele: Das kann ich am schlechtesten beurteilen, weil für mich ist es natürlich so, wenn da Szenen aus früheren Dokumentationen, Filmen, aus der damaligen Zeit gezeigt werden, dann sagt mir das jeweils unendlich viel. Jedes Bild, was ich aus der ... von 1968 oder 1972 und so weiter in dem Film sehe, das lässt bei mir ganze Ereignisse ins Gedächtnis kommen. Ich weiß natürlich nicht, wie das heute wirkt auf junge Zuschauerinnen und Zuschauer, die das damals nicht miterlebt haben, bei denen solche Assoziationen damit nicht verbunden sind. Ob die das überhaupt in Zusammenhang bringen können und ob das bei ihnen was bewirkt, das müssen wir jetzt sehen und das soll ja jetzt ausprobiert werden, wenn der Film läuft.
Ricke: Ist das ein Film für Historiker, ein Film für Altlinke oder vielleicht sogar ein Film für den Sozialkundeunterricht?
Ströbele: Also, Letzteres wäre natürlich gar nicht schlecht. Ich habe Erfahrungen mit Veranstaltungen an Universitäten, auch an Schulen, zu diesem Thema, und stelle immer wieder fest, dass es bei sehr vielen ein ganz großes Interesse gibt, mehr über die damalige Zeit zu erfahren. Offenbar steht sehr wenig dazu in den Schulbüchern oder gar nichts, und auch viele Lehrerinnen und Lehrer haben wohl jahrzehntelang noch Hemmungen gehabt, an dieses Tabu sich heranzuwagen, vielleicht auch, weil sie befürchteten, dann irgendwie ins falsche Licht zu kommen. Also, da gibt es Aufklärungs- und Diskussionsbedarf, und vielleicht leistet der Film einen kleinen Beitrag dazu.
Ricke: Was den Film spannend macht – und spannend muss ja ein Film sein, der in den Kinos auch ein paar Zuschauer haben soll –, was den Film spannend macht, ist das damalige und das heutige Verhältnis zwischen diesen drei Männern, diesen drei ehemaligen Anwälten. Hatten Sie denn während der Dreharbeiten in irgendeiner Art und Weise Kontakt zueinander oder wurde das getrennt alles aufgenommen und dann von der Regisseurin zusammengefügt?
Ströbele: Nein, ich hatte mit den beiden Kollegen überhaupt keinen Kontakt, also, Otto Schily habe ich natürlich hin und wieder im Bundestag getroffen. Wir sind übrigens beide noch Rechtsanwälte, auch zugelassen, auch tätig als Rechtsanwälte, wenn auch nur sporadisch und sehr, sehr selten. Aber ich habe mich über diesen Film mit ihm seinerzeit nicht unterhalten. Wir haben auch nichts absprechen können oder wollen.
Ich war übrigens sehr zögerlich, ob ich da überhaupt mitmachen soll und es bedurfte vieler Überredungskünste der Regisseurin, mich dazu zu bringen, dann doch die Stunden hinzugeben für diese Interviews, die da gemacht worden sind, und wir waren jeweils ganz allein, also immer im Gerichtssaal mit der Befragerin und zwei, drei Kamerateams war jeder der befragten Anwälte allein.
Ricke: Was war letztlich das Argument, dass Sie mitgemacht haben? War es der Wunsch danach, den eigenen Blickwinkel auch noch einmal zu erläutern?
Ströbele: Ja. Ich habe ja schon gesagt, ich ärgere mich über viele Dokumentationen, und hier wurde mir zugesagt, dass aus einem Interview nicht nur fünf Worte oder ein halber Satz in irgendeinem komischen Zusammenhang dann gebracht wird, sondern dass man auch mal eine Argumentation entwickeln kann. Und das hat die Regisseurin auch eingehalten. Also, Sie hören sowohl von mir als auch von den Kollegen durchaus Erläuterungen, die, ich hoffe, verständlicher sind als das, was man sonst mitbekommt.
Ricke: Mahler, Schily, Ströbele, diese drei Namen sind ja ein Beispiel dafür, wie weit sich Lebenswege auseinanderentwickeln können. Sie haben schon gesagt, es gibt wenig bis keinen Kontakt, aber gibt es denn aus Ihrer Sicht eine Chance, dass Sie vielleicht doch noch einmal miteinander über vergangene Zeiten reden und sei es aus reiner Altersmilde?
Ströbele: Also, mit Otto Schily habe ich bei der Premiere geredet, da war er ja auch da, und wir haben jetzt nicht lange ... wir sind auch nicht lange anschließend Wein trinken gegangen, zumal ich gar keinen Wein trinke, aber wir sind uns ja nicht irgendwie böse, aber die Lebenswege sind schon so unterschiedlich und auch die politischen Auffassungen inzwischen, dass da jedenfalls nicht das Bedürfnis da ist bisher, darüber sich auseinanderzusetzen und zu diskutieren. Und zu Horst Mahler habe ich seit vielen, vielen Jahren überhaupt keinen Kontakt und er befindet sich ja derzeit im Gefängnis.
Ricke: Sollte er einmal wieder ein freier Mann sein, den Kontakt zu Ihnen suchen, würden Sie das ablehnen?
Ströbele: Das kommt sehr darauf an, um was es geht – wahrscheinlich ja.
Ricke: Hans-Christian Ströbele, vielen Dank!