Besser als ihr Ruf
Der Missionswissenschaftler und Vorstandsvorsitzende der christlichen Entwicklungshilfe-Organisation Kindernothilfe, Dr. Jürgen Thiesbonenkamp, hält die Missionsarbeit auch heute noch für zeitgemäß. Sie sei "Teil der christlichen Existenz", betonte Thiesbonenkamp.
Martin Buchholz: Anita G. wurde nur 24 Jahre alt, Rita S. starb mit 26. Die beiden deutschen Frauen wurden vor wenigen Wochen im Jemen ermordet. Die Täter, so wird vermutet, waren radikale Islamisten.
Schon bald nach dem ersten Schock über die grausame Tat entbrannte hierzulande eine heftige Diskussion. Denn Anita und Rita waren Schülerinnen der theologisch-konservativen, evangelikalen Bibelschule Brake, die von all ihren Studenten eine aktive Beteiligung an der christlichen Weltmission erwartet.
Sind die beiden strenggläubigen Frauen, die im Jemen ein Sozial-Praktikum in einem Krankenhaus absolvieren wollten, ihrem missionarischen Eifer zum Opfer gefallen?
In der öffentlichen Debatte wurde schnell deutlich, dass christliche Welt-Mission heutzutage in unserer Gesellschaft hauptsächlich ablehnendes Kopfschütteln hervorruft. Doch wie berechtigt sind diese Vorbehalte?
Der Missionswissenschaftler Dr. Jürgen Thiesbonenkamp hat jahrelang als Pfarrer im afrikanischen Kamerun gearbeitet. Heute ist er Vorstandsvorsitzender der christlichen Entwicklungshilfe-Organisation Kindernothilfe. Ich habe mit Jürgen Thiesbonenkamp in Duisburg gesprochen. Und zunächst wollte ich von ihm wissen: Hätte er die beiden deutschen Christinnen auch in das muslimisch geprägte Krisengebiet des Jemen ausreisen lassen?
Jürgen Thiesbonenkamp: Persönlich hätt' ich Praktikantinnen, die die beiden ja waren, in jedem Fall abgeraten, ein Praktikum im Jemen durchzuführen, einer solch schwierigen und extremen Situation sich auszusetzen. Man muss auch die jungen Leute ein bisschen vor sich selber manchmal schützen und auch vor dem Eifer, den sie haben. Ich denke, ein christliches Zeugnis könnten Praktikanten - wohlgemerkt: Praktikantinnen! - auch in einer anderen Lebenssituation geben.
Eine ganz andere Frage ist: wie beurteilen wir überhaupt die Präsenz von Christen in muslimischen Ländern, wie gehen wir damit um? Und die Berichterstattung, die nach dem bedauerlichen Mord - der zu verurteilen ist mit aller Schärfe! - dann in Deutschland losging, war ja doch sehr polarisierend, und das hat mich auch sehr erschreckt, dass eben plötzlich die Ermordeten mehr oder weniger beschuldigt wurden, fast selbst schuld an ihrer Ermordung gewesen zu sein, warum sie sich denn in diese Gefahr begeben hätten. Und aus dem Blick verloren geht, dass eben andere die Täter waren. Und umgekehrt in der Verteidigung dieser Position ist, wie ich finde, auch auf evangelikaler Seite mächtig überzogen worden. Dass sie also die beiden fast in eine Art Märtyrerrolle hineinstilisiert haben. Und ich denke: Beides ist völlig unangemessen.
Buchholz: In der Bibelschule Brake, wo die beiden Schülerinnen ausgebildet wurden, glaubt man ja an die Unfehlbarkeit der Bibel, man sieht alle Ungläubigen auf direktem Weg in die ewige Verdammnis. Darum erwartet die Bibelschule ja von allen ihren Schülern, sich, Zitat: "aktiv und vorrangig an der Weltmission zu beteiligen". Wie beurteilen Sie denn ein Missionsverständnis, das hier zum Ausdruck kommt?
Thiesbonenkamp: Das, was sie eben zitiert haben, finde ich schon sehr, sehr bedenklich und ich denke, wir leben in einer ökumenischen Situation, in der wir seit, wenn man überlegt, seit 1910 der Weltmissionskonferenz von Edinburgh, dessen Jubiläum wir im nächsten Jahr feiern wollen, doch in einer missionarischen Situation, wo wir sehr viel davon gelernt haben, dass eben die Kirchen an Ort und Stelle, die Christen, die in den Ländern zuhause sind, die Träger von Mission sein sollen und müssen, und was wir aus Europa dazu beitragen können, ist im wesentlichen eine Unterstützung dieser Partnerkirchen
Buchholz: Wie wichtig ist diesen Partnern eigentlich der spirituelle Aspekt? Wollen die jetzt hauptsächlich den neuen Brunnen haben oder vermissen die manchmal sogar von westlicher Seite oder aus Deutschland, dass auch Spiritualität überhaupt noch ne Rolle spielt?
Thiesbonenkamp: Natürlich, dieser Aspekt, wenn wir nur 30 Jahre mal zurückdenken, wurde in der Tat auch vermisst. Also wir haben ja viele Gespräche auch mit Partnerkirchen gehabt, die einfach sagten: Wo betet ihr eigentlich? Woran glaubt ihr? Wo findet eigentlich bei euch eben der Austausch von Frömmigkeit auch statt? Wenn es nur noch darum ging, eben Projekte zu realisieren, eben, wie Sie sagten, einen Brunnen zu bauen oder eben eine Hühnerfarm einzurichten. Nein, hier hat in den letzten Jahrzehnten ein gegenseitiges Lernen, ökumenisches Lernen im guten Sinne des Wortes stattgefunden. Ich glaube, die Rückkehr der Spiritualität in unser Leben, auch in unseren Kirchen heute, verdanken wir sehr stark dem Austausch mit den Partnerkirchen des Südens.
Buchholz: In welcher Form?
Thiesbonenkamp: Wenn sie einfach mal in einen ganz normalen Kirchenkreis oder eine Gemeinde schauen, die Kontakte nach Indonesien, Kontakte nach Afrika haben, ab und an Besucher von dort empfangen, dann sind das einfach Highlights im Gemeindeleben, nicht nur dass Exotik, wenn man so will, in die Gemeinde kommt, sondern dass auch dann, wenn die Gäste wieder weg sind, in den Gottesdiensten mal immer wieder Lieder gesungen werden aus deren Tradition, dass man zum Beispiel freier wird im Gebet, spontaner wird, dass man der Kollekte eine andere Bedeutung beimisst, dass sie eben Teil des gottesdienstlichen Geschehens und eben eine Dankesgabe ist, und viele andere Dinge mehr. Hier hat ein Lernen stattgefunden, von dem ich sehr hoffnungsvoll überzeugt bin, dass es auch noch weiter wirken wird.
Buchholz: In der öffentlichen Diskussion, um auf die noch mal zurückzukommen, nach der Ermordung der Bibelschülerinnen, wurde noch einmal sehr deutlich, dass christliche Mission heutzutage grundsätzlich einen ziemlich schlechten Ruf in der Gesellschaft hat. Ist denn der Missionsbefehl Jesu aus dem Matthäusevangelium, "alle Völker zu Jüngern zu machen", überhaupt nicht mehr zeitgemäß? Sollten vielleicht die christlichen Kirchen ihre Missionstätigkeit am besten komplett einstellen?
Thiesbonenkamp: Nein, sie sollten ihre Missionstätigkeit überhaupt nicht einstellen, sondern sie ist Teil der christlichen Existenz. Mission gehört zu unserem Leben. Ein Christ lebt seinen Glauben auch immer öffentlich, nicht nur hinter verschlossenen Mauern. Insofern beginnt Mission schon in diesen ganz schlichten Formen, wenn man so will.
Aber sie haben natürlich Recht. Das Wort "Mission" trägt einen enormen Ballast. Auf diesem Begriff liegen die blutigen Erfahrungen von Jahrhunderten. Und das sehen die Menschen natürlich insbesondere, wenn sie kritisch diesen Begriff wahrnehmen, sie sehen die Conquistadores in Südamerika, sie sehen die Verbindung mit dem Kolonialismus im 19. Jahrhundert, sie sehen die ungelösten Sklavenproblematiken und alles, was sich also in diesen Zeiten abgespielt hat und sagen: Aha! Das war auch offensichtlich alles Teil eurer Mission! Und da kann ich jeden kritischen Einwand gegen eben diese Mission, auch verstehen.
Aber auch hier bitte ich noch mal, dass wir einen Moment nachdenken! Es hat ja sehr viel Lernen stattgefunden, also im Rahmen der Ökumene, im Rahmen auch des Ökumenischen Rates der Kirchen hat ja ein großer Umdenkungsprozess stattgefunden. Und vor etwa 50 Jahren in der Nachkriegszeit auch mit der Erfahrung des Krieges ist ein sehr schöner Begriff geprägt worden. Der klingt zwar lateinisch, aber man kann ihn fast verstehen, der heißt: Mission ist die "missio dei". Das bedeutet, wir haben Anteil an der Sendung Jesu in diese Welt. Und Gott hat Jesus in diese Welt gesandt, damit wir das Leben in Fülle haben sollen. Das heißt, dass Menschen zu einem Leben finden, in dem Armut überwunden wird, in dem ein Vorschein von Gerechtigkeit und Frieden ist, in dem die Menschen Wohl und Heil ihres Lebens werden entdecken und hoffentlich für sich selbst auch finden können, und diese missio dei, also die Bewegung Gottes selbst hin zu einer veränderten Welt, hin zu einer neuen Welt, das, denke ich, ist unser Auftrag. Und der führt uns wieder auch frei und unbefangen in die Kooperation mit anderen, die sicherlich andere religiöse Hintergründe haben, aber die vielleicht darauf ansprechbar sind, dass eben die Ebenbildlichkeit Gottes der Menschen, dass die Menschenwürde, dass eben Gerechtigkeit unaufgebbare Werte sind, für die sich einzusetzen lohnt. Und für die wir als Christen eben auch stehen. Und es eben deutlich machen können, dass wir sie leben aus unserem Glauben heraus, und das kann man ohne Zwang, das kann ich frei und unbefangen tun.
Buchholz: Fulbert Steffensky, der Theologe, hat gesagt: "Mission heißt zeigen, was man liebt." Gilt das auch, wenn man dabei unter radikalen Islamisten sein Leben riskiert?
Thiesbonenkamp: Wir haben als Kindernothilfe sehr viele Kontakte nach Pakistan. Und viele Menschen wissen gar nicht, dass es in Pakistan Christen gibt. Aber es gibt eben in Pakistan Kirchen, die "Church of Pakistan", also christliche Kirche, mit der wir als Kindernothilfe zusammenarbeiten. Und die leben ihren Glauben unter enormen Bedrohungen. Und leben ihn immer wieder auch, dass sie aber einen Dienst an der Gesellschaft leben. Zum Beispiel durch ihre Schulen. Durch ihre Krankenhäuser. Und die Menschen erkennen: In den Christen muss etwas sein, was denen so unaufgebbar wichtig ist, dass sie trotz aller Bedrohungen, trotz aller Anfeindungen, die sie in dieser Gesellschaft erleiden, den Menschen sich verpflichtet fühlen. Und es gibt so viel Muslime zum Beispiel in Pakistan, die fern von Taliban und fern von Fundamentalismus sind, die genau das schätzen. Und denen es so wert und wichtig ist, dass sie, obwohl sie selber Muslime sind, die Christen wertschätzen, in dieser Art, wie sie ihre Arbeit dort tun. Und ich hab alle Hochachtung auch vor unseren Partnern dort. Die nicht das Martyrium suchen, aber bereit sind, ihren Dienst weiter zu tun, auch dann, wenn sie Leid erfahren müssen.
Buchholz: Herr Dr. Thiesbonenkamp, herzlichen Dank für das Gespräch.
Schon bald nach dem ersten Schock über die grausame Tat entbrannte hierzulande eine heftige Diskussion. Denn Anita und Rita waren Schülerinnen der theologisch-konservativen, evangelikalen Bibelschule Brake, die von all ihren Studenten eine aktive Beteiligung an der christlichen Weltmission erwartet.
Sind die beiden strenggläubigen Frauen, die im Jemen ein Sozial-Praktikum in einem Krankenhaus absolvieren wollten, ihrem missionarischen Eifer zum Opfer gefallen?
In der öffentlichen Debatte wurde schnell deutlich, dass christliche Welt-Mission heutzutage in unserer Gesellschaft hauptsächlich ablehnendes Kopfschütteln hervorruft. Doch wie berechtigt sind diese Vorbehalte?
Der Missionswissenschaftler Dr. Jürgen Thiesbonenkamp hat jahrelang als Pfarrer im afrikanischen Kamerun gearbeitet. Heute ist er Vorstandsvorsitzender der christlichen Entwicklungshilfe-Organisation Kindernothilfe. Ich habe mit Jürgen Thiesbonenkamp in Duisburg gesprochen. Und zunächst wollte ich von ihm wissen: Hätte er die beiden deutschen Christinnen auch in das muslimisch geprägte Krisengebiet des Jemen ausreisen lassen?
Jürgen Thiesbonenkamp: Persönlich hätt' ich Praktikantinnen, die die beiden ja waren, in jedem Fall abgeraten, ein Praktikum im Jemen durchzuführen, einer solch schwierigen und extremen Situation sich auszusetzen. Man muss auch die jungen Leute ein bisschen vor sich selber manchmal schützen und auch vor dem Eifer, den sie haben. Ich denke, ein christliches Zeugnis könnten Praktikanten - wohlgemerkt: Praktikantinnen! - auch in einer anderen Lebenssituation geben.
Eine ganz andere Frage ist: wie beurteilen wir überhaupt die Präsenz von Christen in muslimischen Ländern, wie gehen wir damit um? Und die Berichterstattung, die nach dem bedauerlichen Mord - der zu verurteilen ist mit aller Schärfe! - dann in Deutschland losging, war ja doch sehr polarisierend, und das hat mich auch sehr erschreckt, dass eben plötzlich die Ermordeten mehr oder weniger beschuldigt wurden, fast selbst schuld an ihrer Ermordung gewesen zu sein, warum sie sich denn in diese Gefahr begeben hätten. Und aus dem Blick verloren geht, dass eben andere die Täter waren. Und umgekehrt in der Verteidigung dieser Position ist, wie ich finde, auch auf evangelikaler Seite mächtig überzogen worden. Dass sie also die beiden fast in eine Art Märtyrerrolle hineinstilisiert haben. Und ich denke: Beides ist völlig unangemessen.
Buchholz: In der Bibelschule Brake, wo die beiden Schülerinnen ausgebildet wurden, glaubt man ja an die Unfehlbarkeit der Bibel, man sieht alle Ungläubigen auf direktem Weg in die ewige Verdammnis. Darum erwartet die Bibelschule ja von allen ihren Schülern, sich, Zitat: "aktiv und vorrangig an der Weltmission zu beteiligen". Wie beurteilen Sie denn ein Missionsverständnis, das hier zum Ausdruck kommt?
Thiesbonenkamp: Das, was sie eben zitiert haben, finde ich schon sehr, sehr bedenklich und ich denke, wir leben in einer ökumenischen Situation, in der wir seit, wenn man überlegt, seit 1910 der Weltmissionskonferenz von Edinburgh, dessen Jubiläum wir im nächsten Jahr feiern wollen, doch in einer missionarischen Situation, wo wir sehr viel davon gelernt haben, dass eben die Kirchen an Ort und Stelle, die Christen, die in den Ländern zuhause sind, die Träger von Mission sein sollen und müssen, und was wir aus Europa dazu beitragen können, ist im wesentlichen eine Unterstützung dieser Partnerkirchen
Buchholz: Wie wichtig ist diesen Partnern eigentlich der spirituelle Aspekt? Wollen die jetzt hauptsächlich den neuen Brunnen haben oder vermissen die manchmal sogar von westlicher Seite oder aus Deutschland, dass auch Spiritualität überhaupt noch ne Rolle spielt?
Thiesbonenkamp: Natürlich, dieser Aspekt, wenn wir nur 30 Jahre mal zurückdenken, wurde in der Tat auch vermisst. Also wir haben ja viele Gespräche auch mit Partnerkirchen gehabt, die einfach sagten: Wo betet ihr eigentlich? Woran glaubt ihr? Wo findet eigentlich bei euch eben der Austausch von Frömmigkeit auch statt? Wenn es nur noch darum ging, eben Projekte zu realisieren, eben, wie Sie sagten, einen Brunnen zu bauen oder eben eine Hühnerfarm einzurichten. Nein, hier hat in den letzten Jahrzehnten ein gegenseitiges Lernen, ökumenisches Lernen im guten Sinne des Wortes stattgefunden. Ich glaube, die Rückkehr der Spiritualität in unser Leben, auch in unseren Kirchen heute, verdanken wir sehr stark dem Austausch mit den Partnerkirchen des Südens.
Buchholz: In welcher Form?
Thiesbonenkamp: Wenn sie einfach mal in einen ganz normalen Kirchenkreis oder eine Gemeinde schauen, die Kontakte nach Indonesien, Kontakte nach Afrika haben, ab und an Besucher von dort empfangen, dann sind das einfach Highlights im Gemeindeleben, nicht nur dass Exotik, wenn man so will, in die Gemeinde kommt, sondern dass auch dann, wenn die Gäste wieder weg sind, in den Gottesdiensten mal immer wieder Lieder gesungen werden aus deren Tradition, dass man zum Beispiel freier wird im Gebet, spontaner wird, dass man der Kollekte eine andere Bedeutung beimisst, dass sie eben Teil des gottesdienstlichen Geschehens und eben eine Dankesgabe ist, und viele andere Dinge mehr. Hier hat ein Lernen stattgefunden, von dem ich sehr hoffnungsvoll überzeugt bin, dass es auch noch weiter wirken wird.
Buchholz: In der öffentlichen Diskussion, um auf die noch mal zurückzukommen, nach der Ermordung der Bibelschülerinnen, wurde noch einmal sehr deutlich, dass christliche Mission heutzutage grundsätzlich einen ziemlich schlechten Ruf in der Gesellschaft hat. Ist denn der Missionsbefehl Jesu aus dem Matthäusevangelium, "alle Völker zu Jüngern zu machen", überhaupt nicht mehr zeitgemäß? Sollten vielleicht die christlichen Kirchen ihre Missionstätigkeit am besten komplett einstellen?
Thiesbonenkamp: Nein, sie sollten ihre Missionstätigkeit überhaupt nicht einstellen, sondern sie ist Teil der christlichen Existenz. Mission gehört zu unserem Leben. Ein Christ lebt seinen Glauben auch immer öffentlich, nicht nur hinter verschlossenen Mauern. Insofern beginnt Mission schon in diesen ganz schlichten Formen, wenn man so will.
Aber sie haben natürlich Recht. Das Wort "Mission" trägt einen enormen Ballast. Auf diesem Begriff liegen die blutigen Erfahrungen von Jahrhunderten. Und das sehen die Menschen natürlich insbesondere, wenn sie kritisch diesen Begriff wahrnehmen, sie sehen die Conquistadores in Südamerika, sie sehen die Verbindung mit dem Kolonialismus im 19. Jahrhundert, sie sehen die ungelösten Sklavenproblematiken und alles, was sich also in diesen Zeiten abgespielt hat und sagen: Aha! Das war auch offensichtlich alles Teil eurer Mission! Und da kann ich jeden kritischen Einwand gegen eben diese Mission, auch verstehen.
Aber auch hier bitte ich noch mal, dass wir einen Moment nachdenken! Es hat ja sehr viel Lernen stattgefunden, also im Rahmen der Ökumene, im Rahmen auch des Ökumenischen Rates der Kirchen hat ja ein großer Umdenkungsprozess stattgefunden. Und vor etwa 50 Jahren in der Nachkriegszeit auch mit der Erfahrung des Krieges ist ein sehr schöner Begriff geprägt worden. Der klingt zwar lateinisch, aber man kann ihn fast verstehen, der heißt: Mission ist die "missio dei". Das bedeutet, wir haben Anteil an der Sendung Jesu in diese Welt. Und Gott hat Jesus in diese Welt gesandt, damit wir das Leben in Fülle haben sollen. Das heißt, dass Menschen zu einem Leben finden, in dem Armut überwunden wird, in dem ein Vorschein von Gerechtigkeit und Frieden ist, in dem die Menschen Wohl und Heil ihres Lebens werden entdecken und hoffentlich für sich selbst auch finden können, und diese missio dei, also die Bewegung Gottes selbst hin zu einer veränderten Welt, hin zu einer neuen Welt, das, denke ich, ist unser Auftrag. Und der führt uns wieder auch frei und unbefangen in die Kooperation mit anderen, die sicherlich andere religiöse Hintergründe haben, aber die vielleicht darauf ansprechbar sind, dass eben die Ebenbildlichkeit Gottes der Menschen, dass die Menschenwürde, dass eben Gerechtigkeit unaufgebbare Werte sind, für die sich einzusetzen lohnt. Und für die wir als Christen eben auch stehen. Und es eben deutlich machen können, dass wir sie leben aus unserem Glauben heraus, und das kann man ohne Zwang, das kann ich frei und unbefangen tun.
Buchholz: Fulbert Steffensky, der Theologe, hat gesagt: "Mission heißt zeigen, was man liebt." Gilt das auch, wenn man dabei unter radikalen Islamisten sein Leben riskiert?
Thiesbonenkamp: Wir haben als Kindernothilfe sehr viele Kontakte nach Pakistan. Und viele Menschen wissen gar nicht, dass es in Pakistan Christen gibt. Aber es gibt eben in Pakistan Kirchen, die "Church of Pakistan", also christliche Kirche, mit der wir als Kindernothilfe zusammenarbeiten. Und die leben ihren Glauben unter enormen Bedrohungen. Und leben ihn immer wieder auch, dass sie aber einen Dienst an der Gesellschaft leben. Zum Beispiel durch ihre Schulen. Durch ihre Krankenhäuser. Und die Menschen erkennen: In den Christen muss etwas sein, was denen so unaufgebbar wichtig ist, dass sie trotz aller Bedrohungen, trotz aller Anfeindungen, die sie in dieser Gesellschaft erleiden, den Menschen sich verpflichtet fühlen. Und es gibt so viel Muslime zum Beispiel in Pakistan, die fern von Taliban und fern von Fundamentalismus sind, die genau das schätzen. Und denen es so wert und wichtig ist, dass sie, obwohl sie selber Muslime sind, die Christen wertschätzen, in dieser Art, wie sie ihre Arbeit dort tun. Und ich hab alle Hochachtung auch vor unseren Partnern dort. Die nicht das Martyrium suchen, aber bereit sind, ihren Dienst weiter zu tun, auch dann, wenn sie Leid erfahren müssen.
Buchholz: Herr Dr. Thiesbonenkamp, herzlichen Dank für das Gespräch.