"Besser spät als nie"
Eine geradezu erleichterte Stimmung prägte die Grundsteinlegung des neuen NS-Dokuzentrums in München, dort, wo früher das Braune Haus der NSDAP stand. Auch Max Mannheimer war erleichtert. Der 92jährige ist einer der letzten Zeitzeugen des Nazi-Terrors.
Mannheimer überlebte das nahegelegene KZ Dachau ebenso wie Auschwitz. Die Nazis haben sechs seiner Familienangehörigen ermordet. Aber Mannheimer, einer der letzten lebenden jüdischen Zeitzeugen des Nazi-Terrors, strahlt voller Freude:
"Nicht nur Freude – ich bin begeistert! Auch wenn viele sagen: es ist so spät. Besser spät als nie. Gerade jetzt, in einer Zeit des Auflebens der Neonazis, ist es ein großes Signal. Und ein wirklicher Lernort für die Jugend."
Es sind viele junge Menschen im Festzelt der Grundsteinlegung. Etwa die vier Musiker von der Hochschule für Musik gleich nebenan. Sie studieren heute dort, wo einst Adolf Hitler im Führerbau residierte. In der 5.Reihe sitzt Carina Überacher, 20 Jahre alt, von der Münchner Berufsschule für Medien. Sie arbeitet am Ausstellungskonzept mit, zum Beispiel durch Zeitzeugen-Interviews:
"Es beschäftigt mich schon, weil ja damals auch meine Großeltern gelebt haben. Und es interessiert mich schon, wie die das erlebt haben. Ich möchte nicht, dass so etwas wieder passiert. Aber ich fühle mich jetzt auch nicht schuldig. Ich denke, wenn wir dafür sorgen, dass so etwas nicht mehr passiert, dann ist das der richtige Weg."
Dort, wo Carina Überacher sitzt, soll bald ein heller Kubus stehen. Ein weißer, lichtdurchfluteter Würfel, der die alten Führerbauten nebenan überragt. 2014 – also fast 70 Jahre nach Kriegsende, soll er fertig sein, sagt Münchens OB Christian Ude.
"Zugegeben, es ist spät. Die Idee, eine Erinnerungsstätte zur Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Unrechts-Regime zu errichten, entstand ja noch 1945. Gleich nach dem Ende des 2.Weltkriegs. Das bezog sich auf das Gelände der Gestapo-Zentrale an der Brienner Straße."
Der jetzige Ort ist gleich nebenan, am Münchner Königsplatz, in Sichtweite der Alten Pinakothek und der neuen Hochschule für Fernsehen und Film. München, die frühere Hauptstadt der Bewegung, hat lange gerungen – vor allem um die Finanzierung des NS-Dokuzentrums. Nun teilen sich die Stadt, der Freistaat Bayern und der Bund die Kosten von rund 30 Millionen Euro. Ausnahmsweise, erklärt Kulturstaatsminister Bernd Neumann:
"Prinzipiell ist es ja so, dass laut Grundgesetz die Länder für Gedenkstätten-Politik zuständig sind. Es ist letzlich im großen Maß ein Verdienst des Kuratoriumsvorsitzenden Dr. Theo Waigel, dass sich der Bund nun mit 9 Millionen Euro, also einem Drittel der Baukosten, beteiligt."
Theo Waigel war und ist ein besonders hartnäckiger Kämpfer für das NS-Dokuzentrum. Zusammen mit dem früheren Münchener Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel setzte er vor vier Jahren die Große Koalition in Berlin unter Druck:
"Hans-Jochen Vogel hat den damaligen Finanzminister Peer Steinbrück bearbeitet, ich hab die Kanzlerin Angela Merkel bearbeitet. Und ich hab vor allem darauf hingewiesen: So, eines erwarte ich! Dass Ihr mich als Kuratoriumsvorsitzenden nicht schlechter behandelt als Oskar Schneider, den Kuratoriumsvorsitzenden der Gedenkstätten in Nürnberg."
Nürnberg. Der Name der fränkischen Nachbarmetropole fällt häufig bei der Grundsteinlegung in München. Meistens mit respektvollem Unterton. Denn Nürnberg hat auf dem ehemaligen Reichsparteitags-Gelände eine vorbildliche Gedenkstätte geschaffen, die die Stadt heute geradezu schmückt. Mit mehreren hunderttausend Besuchern pro Jahr, wie Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle betont:
"Ich glaube feststellen zu können, dass wir nach wie vor ein sehr reges Interesse an dieser schwärzesten Phase der deutschen Geschichte haben. Das NS-Dokumentationszentrum ist in München und für München jetzt wichtig. Wir werden weltweite Beachtung finden. Insofern ist heute ein guter Tag."
Noch sind nicht alle Probleme aus dem Weg geräumt. Das geplante Ausstellungskonzept ist längst noch nicht fertig. Und wenn es endlich steht, muss es erst noch in das Gebäude integriert werden. Nicht einfach, sagt Tobias Scheel, einer der drei Architekten:
"Das ist eine Herausforderung. Es ist allerdings so, dass wir mit dem Gebäude auf einem sehr guten Weg sind. Das Gebäude ist so flexibel ausgelegt, dass wir es nicht für problematisch halten, dass man in der verbleibenden Zeit eine vernünftige Ausstellung integriert."
Eine Ausstellung, die für Charlotte Knobloch von der Israelitischen Kultusgemeinde München vor allem die Entstehung des Nationalsozialismus beleuchten soll:
"Für mich ist das Wichtigste, dass die Zeit der Vorgeschichte, die 20er Jahre, die Zeit bis zum 30.Januar 1933, ganz klar dargestellt wird. Besonders im Hinblick auf die jetzige Situation. Ich möchte nicht vergleichen oder sagen, das Heute, das Momentane, ist dieselbe Zeit wie damals, sondern dass die Nazis, Hitler und Konsorten, klein angefangen haben und groß endeten."
Am Ende der feierlichen Grundsteinlegung erhebt sich der 92 Jahre alte Zeitzeuge Max Mannheimer mühsam, aber energisch aus seinem Sitz. Er freut sich auf 2014 – auf die Eröffnung der Ausstellung.
"Ich bin zwar körperlich nicht so fit, an der Olympiade kann ich nicht teilnehmen, aber ich trinke nicht, ich rauche nicht. Ich werde versuchen, bis zu diesem Zeitpunkt… das wird für mich die Krönung meines Lebens sein. Dann bin ich 94. Immerhin!"
Es wird nicht leicht sein, den Verlust von Zeitzeugen wie Max Mannheimer zu verschmerzen, wenn sie einst nicht mehr leben. Das NS-Dokuzentrum soll helfen, ihre Erinnerungen lebendig zu halten.
Links auf dradio.de:
Der Würfel hat gefallen - Das neue Konzept für ein Münchner NS-Dokumentationszentrum
Ende mit Schrecken - Stadt München setzt Direktorin des NS-Dokuzentrums ab
Mit oder ohne "NS"?
Kontroverse um die Bezeichnung des geplanten Dokuzentrums in München
"Nicht nur Freude – ich bin begeistert! Auch wenn viele sagen: es ist so spät. Besser spät als nie. Gerade jetzt, in einer Zeit des Auflebens der Neonazis, ist es ein großes Signal. Und ein wirklicher Lernort für die Jugend."
Es sind viele junge Menschen im Festzelt der Grundsteinlegung. Etwa die vier Musiker von der Hochschule für Musik gleich nebenan. Sie studieren heute dort, wo einst Adolf Hitler im Führerbau residierte. In der 5.Reihe sitzt Carina Überacher, 20 Jahre alt, von der Münchner Berufsschule für Medien. Sie arbeitet am Ausstellungskonzept mit, zum Beispiel durch Zeitzeugen-Interviews:
"Es beschäftigt mich schon, weil ja damals auch meine Großeltern gelebt haben. Und es interessiert mich schon, wie die das erlebt haben. Ich möchte nicht, dass so etwas wieder passiert. Aber ich fühle mich jetzt auch nicht schuldig. Ich denke, wenn wir dafür sorgen, dass so etwas nicht mehr passiert, dann ist das der richtige Weg."
Dort, wo Carina Überacher sitzt, soll bald ein heller Kubus stehen. Ein weißer, lichtdurchfluteter Würfel, der die alten Führerbauten nebenan überragt. 2014 – also fast 70 Jahre nach Kriegsende, soll er fertig sein, sagt Münchens OB Christian Ude.
"Zugegeben, es ist spät. Die Idee, eine Erinnerungsstätte zur Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Unrechts-Regime zu errichten, entstand ja noch 1945. Gleich nach dem Ende des 2.Weltkriegs. Das bezog sich auf das Gelände der Gestapo-Zentrale an der Brienner Straße."
Der jetzige Ort ist gleich nebenan, am Münchner Königsplatz, in Sichtweite der Alten Pinakothek und der neuen Hochschule für Fernsehen und Film. München, die frühere Hauptstadt der Bewegung, hat lange gerungen – vor allem um die Finanzierung des NS-Dokuzentrums. Nun teilen sich die Stadt, der Freistaat Bayern und der Bund die Kosten von rund 30 Millionen Euro. Ausnahmsweise, erklärt Kulturstaatsminister Bernd Neumann:
"Prinzipiell ist es ja so, dass laut Grundgesetz die Länder für Gedenkstätten-Politik zuständig sind. Es ist letzlich im großen Maß ein Verdienst des Kuratoriumsvorsitzenden Dr. Theo Waigel, dass sich der Bund nun mit 9 Millionen Euro, also einem Drittel der Baukosten, beteiligt."
Theo Waigel war und ist ein besonders hartnäckiger Kämpfer für das NS-Dokuzentrum. Zusammen mit dem früheren Münchener Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel setzte er vor vier Jahren die Große Koalition in Berlin unter Druck:
"Hans-Jochen Vogel hat den damaligen Finanzminister Peer Steinbrück bearbeitet, ich hab die Kanzlerin Angela Merkel bearbeitet. Und ich hab vor allem darauf hingewiesen: So, eines erwarte ich! Dass Ihr mich als Kuratoriumsvorsitzenden nicht schlechter behandelt als Oskar Schneider, den Kuratoriumsvorsitzenden der Gedenkstätten in Nürnberg."
Nürnberg. Der Name der fränkischen Nachbarmetropole fällt häufig bei der Grundsteinlegung in München. Meistens mit respektvollem Unterton. Denn Nürnberg hat auf dem ehemaligen Reichsparteitags-Gelände eine vorbildliche Gedenkstätte geschaffen, die die Stadt heute geradezu schmückt. Mit mehreren hunderttausend Besuchern pro Jahr, wie Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle betont:
"Ich glaube feststellen zu können, dass wir nach wie vor ein sehr reges Interesse an dieser schwärzesten Phase der deutschen Geschichte haben. Das NS-Dokumentationszentrum ist in München und für München jetzt wichtig. Wir werden weltweite Beachtung finden. Insofern ist heute ein guter Tag."
Noch sind nicht alle Probleme aus dem Weg geräumt. Das geplante Ausstellungskonzept ist längst noch nicht fertig. Und wenn es endlich steht, muss es erst noch in das Gebäude integriert werden. Nicht einfach, sagt Tobias Scheel, einer der drei Architekten:
"Das ist eine Herausforderung. Es ist allerdings so, dass wir mit dem Gebäude auf einem sehr guten Weg sind. Das Gebäude ist so flexibel ausgelegt, dass wir es nicht für problematisch halten, dass man in der verbleibenden Zeit eine vernünftige Ausstellung integriert."
Eine Ausstellung, die für Charlotte Knobloch von der Israelitischen Kultusgemeinde München vor allem die Entstehung des Nationalsozialismus beleuchten soll:
"Für mich ist das Wichtigste, dass die Zeit der Vorgeschichte, die 20er Jahre, die Zeit bis zum 30.Januar 1933, ganz klar dargestellt wird. Besonders im Hinblick auf die jetzige Situation. Ich möchte nicht vergleichen oder sagen, das Heute, das Momentane, ist dieselbe Zeit wie damals, sondern dass die Nazis, Hitler und Konsorten, klein angefangen haben und groß endeten."
Am Ende der feierlichen Grundsteinlegung erhebt sich der 92 Jahre alte Zeitzeuge Max Mannheimer mühsam, aber energisch aus seinem Sitz. Er freut sich auf 2014 – auf die Eröffnung der Ausstellung.
"Ich bin zwar körperlich nicht so fit, an der Olympiade kann ich nicht teilnehmen, aber ich trinke nicht, ich rauche nicht. Ich werde versuchen, bis zu diesem Zeitpunkt… das wird für mich die Krönung meines Lebens sein. Dann bin ich 94. Immerhin!"
Es wird nicht leicht sein, den Verlust von Zeitzeugen wie Max Mannheimer zu verschmerzen, wenn sie einst nicht mehr leben. Das NS-Dokuzentrum soll helfen, ihre Erinnerungen lebendig zu halten.
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