Flüchtlinge im Ferienidyll
Sie marschieren über die Berge, verstecken sich auf den Dächern von Zügen oder wandern durch Autobahntunnel: Täglich passieren über 100 Flüchtlinge die grüne Grenze und kommen in Menton an. In Frankreich erhalten sie Hilfe von einigen engagierten Bürgern.
Menton: Bade-Idylle am Mittelmeer, am Fuß der Alpen an der Grenze zu Italien gelegen. Wo drückt den Menschen hier der Schuh?
"Das Problem hier in der Grenzregion ist die Einwanderung."
"Ich glaube, die Dinge verändern sich nicht unbedingt zum Guten. Das hängt mit den Flüchtlingen zusammen, die versuchen über die Grenze zu kommen und die Leute haben die Nase voll."
"Die Einwanderung kommt uns sehr teuer zu stehen, glaube ich."
Eine mehr gefühltes als reelles Problem?
"Man spürt nichts, der Alltag hat sich nicht verändert, man sieht hier keine Migranten,"
sagt die Boutiquebesitzerin Julie Tosselini. Das hat seinen Grund.
"Das Problem hier in der Grenzregion ist die Einwanderung."
"Ich glaube, die Dinge verändern sich nicht unbedingt zum Guten. Das hängt mit den Flüchtlingen zusammen, die versuchen über die Grenze zu kommen und die Leute haben die Nase voll."
"Die Einwanderung kommt uns sehr teuer zu stehen, glaube ich."
Eine mehr gefühltes als reelles Problem?
"Man spürt nichts, der Alltag hat sich nicht verändert, man sieht hier keine Migranten,"
sagt die Boutiquebesitzerin Julie Tosselini. Das hat seinen Grund.
"Ethnisch motivierte Kontrollen"
Menton Garavan: der erste Bahnhof in Frankreich. Das Nadelöhr für Flüchtlinge auf dem Weg nach Frankreich oder weiter in den Norden. Eine Gruppe von acht Sonderpolizisten der CRS in ihren blauschwarzen Uniformen besteigt den Zug. Der hält so lange, bis die Passagiere, bis jedes mögliche Versteck kontrolliert wurde: unter jeden Sitz, in jede Toilette, hinter jede Gerätetür wird geschaut.
"Natürlich sind es die Schwarzen, die aussteigen müssen. Von den Weißen verlangen sie keine Papiere. Das sind rein ethnisch motivierte Kontrollen …"
Und eigentlich unzulässig, kritisiert Martine Landry von Amnesty International. Der wegen der Terrorattacken immer wieder verlängerte Ausnahmezustand macht’s möglich.
"Negativ! Dieses Mal waren keine Verdächtigen dabei. Als ich wenige Minuten zuvor den Zug im italienischen Grenzort Ventimiglia bestieg, lungerten noch scharenweise Afrikaner am Bahnhof herum … Einige werden ihr Glück wohl in der Nacht versuchen."
Wer in Menton jedoch ohne Papiere erwischt wird, muss postwendend zurück nach Italien.
"In Frankreich sind die Leistungen besser als in Italien. Ich suche das Bessere. Ich liebe Frankreich – hier kann ich an der Uni studieren. In Italien geht das nicht," glaubt der Sudanese Muhammed Ibraheem Aamier. Wie sein Landsmann Tijane Abud Rahim Musa hat er es geschafft: über die beschwerliche Bergroute im Royatal."
Beim dritten Versuch sei er mit etwas zu Essen, Wasser und seinem Gepäck drei Tage durch die Berge gewandert und hätte glücklicherweise keine Soldaten oder Polizisten getroffen. Gelandet ist Tijane Abud Rahim Musa im Lager von Cédric Herrou, an einem abgelegenen Berghang bei Breil sur Roya.
"Wenn sie einmal da sind, dann setze ich sie auf eine Liste mit Asylbewerbern für die Gendarmerie und Präfektur. Dann werden sie nicht mehr nach Italien abgeschoben."
"Natürlich sind es die Schwarzen, die aussteigen müssen. Von den Weißen verlangen sie keine Papiere. Das sind rein ethnisch motivierte Kontrollen …"
Und eigentlich unzulässig, kritisiert Martine Landry von Amnesty International. Der wegen der Terrorattacken immer wieder verlängerte Ausnahmezustand macht’s möglich.
"Negativ! Dieses Mal waren keine Verdächtigen dabei. Als ich wenige Minuten zuvor den Zug im italienischen Grenzort Ventimiglia bestieg, lungerten noch scharenweise Afrikaner am Bahnhof herum … Einige werden ihr Glück wohl in der Nacht versuchen."
Wer in Menton jedoch ohne Papiere erwischt wird, muss postwendend zurück nach Italien.
"In Frankreich sind die Leistungen besser als in Italien. Ich suche das Bessere. Ich liebe Frankreich – hier kann ich an der Uni studieren. In Italien geht das nicht," glaubt der Sudanese Muhammed Ibraheem Aamier. Wie sein Landsmann Tijane Abud Rahim Musa hat er es geschafft: über die beschwerliche Bergroute im Royatal."
Beim dritten Versuch sei er mit etwas zu Essen, Wasser und seinem Gepäck drei Tage durch die Berge gewandert und hätte glücklicherweise keine Soldaten oder Polizisten getroffen. Gelandet ist Tijane Abud Rahim Musa im Lager von Cédric Herrou, an einem abgelegenen Berghang bei Breil sur Roya.
"Wenn sie einmal da sind, dann setze ich sie auf eine Liste mit Asylbewerbern für die Gendarmerie und Präfektur. Dann werden sie nicht mehr nach Italien abgeschoben."
Ein Helfer als Schlepper vor Gericht
Der Enddreißiger Herrou, ein eher intellektuell wirkender braungebrannter Alternativer mit runder Nickelbrille und Bart, lebt vom Verkauf seiner Oliven und Eier. Derzeit steht er als Schlepper im Berufungsverfahren vor Gericht. Sein Vergehen: Er hat Flüchtlinge, die im Grenzgebiet herumirrten, in seinem Wagen mitgenommen und sie beherbergt. Am Anfang waren es nur ein paar. Jetzt haben er und andere Bewohner des Roya Tales auf seinem Grundstück ein regelrechtes Lager errichtet.
Muhammed und Tijane sind zwei von ca. drei Dutzend Schwarzafrikanern, die sich Zelte, Wohnwagen, Küche, Toilette und Waschmaschine teilen.
"Die Minderjährigen werden jetzt von Hilfsorganisationen betreut, Asylbewerber können ihren Antrag auf der Präfektur stellen. Aber die Polizei ist ständig in meiner Nähe, um Migranten davon abzuhalten, zu mir zu kommen. Wenn sie erst einmal bei mir sind, werden sie nicht mehr nach Italien zurückgebracht."
… erklärt Cédric den Fortschritt. Zuvor wurden auch Minderjährige zurückgeschickt. Per Gericht wurde der Präfekt der Region Alpes Maritimes gezwungen, Asylanträge zuzulassen. Möglich ist das nur in Nizza: Über 30 Kilometer von der Grenze entfernt. Bis dorthin schaffen es die wenigsten, ohne der Polizei in die Arme zu laufen. Auffanglager gibt es außer dem von Cédric praktisch nicht. 20.000 Personen seien seit Beginn des Jahres am Grenzübertritt gehindert worden, erklärt indes Präfekt Georges-Francois Leclerc im Zeitungsinterview die restriktive Haltung als Erfolg. Er argumentiert mit den europäischen Asylbestimmungen, wonach der Antrag im EU Ankunftsland zu stellen ist.
Mehr als 100 kommen dennoch täglich über die grüne Grenze, auf Dächern von Zügen, durch den Autobahntunnel oder die unwegsamen Berge. Viele von ihnen stammen aus ehemaligen französischen Kolonien, wollen zu Verwandten in anderen europäischen Ländern.
"Nicht durch die neue Regierung, sondern die Aktionen der Bürger wird sich etwas ändern. Es geht um die wahre Politik vor Ort. In Roya gab es die höchste Enthaltung bei der Wahl seit 50 Jahren. Die Leute haben kein Vertrauen mehr in die Politik."
Den einen tut sie zu wenig gegen die Immigration. Menschen wie Cédric Herrou, seinen Mitstreitern der Organisation Roya Citoyenne und an die Tausend Organisationen zu wenig für die Flüchtlinge. Sie haben im April an die Regierung für mehr Humanität appelliert. Ist Deutschland, die Öffnung der Grenzen durch Kanzlerin Merkel mit mehr als einer Million Migranten ein Vorbild?
"Sie hat politischen Mut bewiesen, aber sie wusste doch auch, dass Deutschland verjüngt werden muss."
Muhammed und Tijane sind zwei von ca. drei Dutzend Schwarzafrikanern, die sich Zelte, Wohnwagen, Küche, Toilette und Waschmaschine teilen.
"Die Minderjährigen werden jetzt von Hilfsorganisationen betreut, Asylbewerber können ihren Antrag auf der Präfektur stellen. Aber die Polizei ist ständig in meiner Nähe, um Migranten davon abzuhalten, zu mir zu kommen. Wenn sie erst einmal bei mir sind, werden sie nicht mehr nach Italien zurückgebracht."
… erklärt Cédric den Fortschritt. Zuvor wurden auch Minderjährige zurückgeschickt. Per Gericht wurde der Präfekt der Region Alpes Maritimes gezwungen, Asylanträge zuzulassen. Möglich ist das nur in Nizza: Über 30 Kilometer von der Grenze entfernt. Bis dorthin schaffen es die wenigsten, ohne der Polizei in die Arme zu laufen. Auffanglager gibt es außer dem von Cédric praktisch nicht. 20.000 Personen seien seit Beginn des Jahres am Grenzübertritt gehindert worden, erklärt indes Präfekt Georges-Francois Leclerc im Zeitungsinterview die restriktive Haltung als Erfolg. Er argumentiert mit den europäischen Asylbestimmungen, wonach der Antrag im EU Ankunftsland zu stellen ist.
Mehr als 100 kommen dennoch täglich über die grüne Grenze, auf Dächern von Zügen, durch den Autobahntunnel oder die unwegsamen Berge. Viele von ihnen stammen aus ehemaligen französischen Kolonien, wollen zu Verwandten in anderen europäischen Ländern.
"Nicht durch die neue Regierung, sondern die Aktionen der Bürger wird sich etwas ändern. Es geht um die wahre Politik vor Ort. In Roya gab es die höchste Enthaltung bei der Wahl seit 50 Jahren. Die Leute haben kein Vertrauen mehr in die Politik."
Den einen tut sie zu wenig gegen die Immigration. Menschen wie Cédric Herrou, seinen Mitstreitern der Organisation Roya Citoyenne und an die Tausend Organisationen zu wenig für die Flüchtlinge. Sie haben im April an die Regierung für mehr Humanität appelliert. Ist Deutschland, die Öffnung der Grenzen durch Kanzlerin Merkel mit mehr als einer Million Migranten ein Vorbild?
"Sie hat politischen Mut bewiesen, aber sie wusste doch auch, dass Deutschland verjüngt werden muss."
Die Reihe "Populismus im Aufwind? Deutsch-französische Reportagen" entstand in Kooperation mit France Inter.