Zu schade für den Müll
Ausgediente Sofas, alte Computer, nutzlos gewordenes Spielzeug: Auf dem Recyclinghof landet all das, was nicht in den Hausmüll darf. Doch was die Wegwerfgesellschaft hier entsorgen will, ist längst nicht alles Müll.
Der Andrang ist groß. Die Schlange der Autos, die hinter der Absperrung warten, wird immer länger. Stoßstange an Stoßstange reihen sie sich, um auf das Gelände des Recyclinghofs Rondenbarg in Hamburg-Bahrenfeld zu fahren. Hier können Hamburger – und nur Hamburger, das wird streng kontrolliert – hinbringen, was sie wegschmeißen wollen und was nicht in die normale Hausmülltonne passt - oder soll. Angefangen vom Flaschenkorken über Sperrmüll und Elektroschrott bis hin zum Altöl oder Haushaltschemikalien. Bei manchen, die an der Geländeschranke halten, stapelt sich der Müll bis unters Autodach.
"Ich habe renoviert und Tapetenreste, diese drei blauen Säcke. Einer ist halbvoll und zwei sind voll."
"Ja, das war alles?"
" Ja, das war alles."
Jan Henning gehört an diesem Samstagmorgen zum "Empfangskomitee" im Hamburger Recyclinghof Rondenbarg. Der hochgewachsene blonde Mann im kleinen Häuschen am überdachten Eingang öffnet die Schranke immer nur "Kunde für Kunde", damit der 47-Jährige genau in Augenschein nehmen kann, was im Kofferraum oder Anhänger so alles drin ist. Zum einen, weil zwar das meiste, aber nicht alles, hier kostenlos entsorgt werden kann. Zum anderen, um anzusagen, in welchen der vielen weißen Container der Abfall geworfen werden soll.
"Das wird immer mehr"
"Ja, die Leute bringen ihren Müll her, was sie entsorgen möchten und dann wird es halt sortiert. Je nachdem, nach Sperrmüll, Altholz, Wertstoffen, Altmetall und dann wird es in die entsprechenden Container entsorgt. Das wird jetzt über die Jahre immer mehr. Also, ich bin jetzt auch schon seit 1996 bei der Stadtreinigung auf dem Recyclinghof und denke, dass die Leute auch mehr wegschmeißen. Dass also Geräte oder auch Möbel und so weiter, die noch verwendbar sind, hier ankommen."
Das Bügelbrett, das Herbert Schröder gerade in den Altmetall-Container geworfen hat, hätte nicht so ohne weiteres weiter verwendet werden können, denn es fehlte das Polster. Also ab damit. Auch das Paar Pumps und ein paar angeschlagene Porzellantassen landen auf dem Müll. Der Familienvater ist öfter hier. Heute, um die Umzugsreste der Tochter abzugeben.
"Sammelt sich irgendwie schnell in der Familie zusammen, weil die Sachen sind auch nicht mehr so gebaut, wie es früher war, für die Ewigkeit, für Generationen. Das ist jetzt heutzutage so, wenn ich heute einen Schuhschrank nehme, der hält höchstens fünf, sechs Jahre – dann kannst Du ihn nur noch wegschmeißen. Wir sind ja auch eine Wegwerfgesellschaft. Generell glaube ich nicht, dass man von heute auf morgen da was ändern kann."
Zu schade für den Müllcontainer
Nebenan wuchtet jemand die Überreste eines Schlafsofas aus seinem Kombi. Lehnen, Polster, Innenleben – alles in Einzelteile zerlegt. Aus dem Kofferraum lugt noch ein funktionstüchtiges Skateboard hervor. Mitarbeiter Jan Henning fragt, ob der Besitzer dieses auch wegwerfen will, oder ob er es vielleicht gern spenden möchte? Als dieser nickt, klemmt sich Henning das Skateboard unter den Arm und steuert damit einen Verschlag an. Hier sammelt die Hamburger Stadtreinigung für ihr Kaufhaus "Stilbruch" gebrauchte Möbel und Haushaltsgegenstände, die zu schade für den Sperrmüllcontainer sind. Von den Erlösen beschäftigt die Stadtreinigung dort mehrere Langzeitarbeitslose. Und die gebrauchten Möbel finden für wenig Geld neue Besitzer.
"Ich finde eigentlich, ist ne gute Aktion, weil es viele Leute gibt, die nicht so viel Geld haben und die das dann günstig erstehen können. Also auch Elektrogeräte – wird auch immer mehr, weil das ja alles kurzlebig ist, die Geschichte mit den Elektrogeräten, und die sind ja nicht immer kaputt."
Ob kaputt oder nicht, bei Norman Knaus, der eine Treppe tiefer auf dem Recyclinghof Rondenbarg arbeitet, füllen sich die Container mit Elektrogeräten, die die Hamburger hierher bringen, stetig. Gerade wird wieder ein voller Behälter mit Kühlschränken, Waschmaschinen und Herden abgeholt und zur weiteren Entsorgung in einen Fachbetrieb in der Region gebracht. In der Bundesrepublik fallen jedes Jahr pro Einwohner über 20 Kilo Elektroschrott an. Kein Wunder, angesichts des Bergs von alten Druckern, Computern, Videorekordern, Lautsprechern, Telefonen oder Rasierern, der in einer der Kisten vor Norman Knaus Büro von Stunde zu Stunde wächst.
Viele Sachen halten nur zwei Jahre
"Viele Dinge, die da drin sind, funktionieren noch und die Leute kaufen sich dann einfach neue Dinge, weil die alt sind, nicht mehr schön sind oder zu viel Strom verbrauchen. Gerade bei den Kühlschränken. Das meiste sind Computer, Drucker und Stereoanlagen. Weil’s alte Geräte sind, manche bekommen keine Updates mehr. Da ist man dann quasi auch gezwungen, sich neue Dinge zu kaufen."
"Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe inzwischen auch das Gefühl, wenn ich etwas kaufe, die Sachen gehen heute schneller kaputt als früher."
"Das Gefühl habe ich mittlerweile auch. Also bei den neueren Sachen hat man das Gefühl manchmal, dass die wirklich nur zwei Jahre halten und dann kaputt gehen."