Besuch in einer Senioren-WG

Alt, aber nicht allein

Ein Schild weist bei Berlin den Weg zu einer Senioren-WG.
Wegweisend aber noch nicht sehr verbreitet: die Wohngemeinschaft für Senioren. © picture-alliance / dpa / Jens Kalaene
Von Katrin Albinus |
Alternative Wohnformen im Alter sind zurzeit noch die Ausnahme. Vereinzelt gibt es aber bereits Wohngemeinschaften für Senioren: In Hamburg-Altona leben zum Beispiel fünf Männer und Frauen zwischen 75 und 86 Jahren auf 200 Quadratmetern zusammen.
Frau: "Woody, mein Schiedder, was ist denn..."
Gisela Mosner: "Das ist ein Lhasa Apso, das ist ein tibetanischer Tempelhund, ja."
Der kleine rundliche WG-Hund Woody ist eigentlich auf Diät. Er kriegt die Pfunde aber nicht mehr runter, erklärt Gisela Mosner, seine Besitzerin. Zu wenig Bewegung.
Rohwer: "Das ist ein Adliger!"
Gisela Mosner: "Ja, ja, ist adelig..."
Elf Jahre ist Woody alt, 81 sein Frauchen. Dass der Hund mit einziehen durfte, war Gisela Mosner besonders wichtig, als sie vor eineinhalb Jahren in die Senioren-WG gezogen ist. Ihre vier Mitbewohner leben bereits seit drei Jahren zusammen, kennengelernt haben sie sich durch einen Aushang bei einem Pflegedienst.
Jeder hat ein eigenes Zimmer, es gibt zwei Bäder und natürlich die Küche, Mittelpunkt des WG-Lebens.
Irene Westphalen: "Für eine WG muss man ja wissen, mit wem man zusammen. Dann haben wir uns ein, zwei Jahre vorher immer einmal die Woche..."
Rohwer: "Alle 14 Tage..."
Irene Westphalen: "…alle14 Tage getroffen, um sich kennenzulernen. Das klappte, wir verstanden uns gut, und dann waren wir auf Wohnungssuche."
Gemeinsames Mittagessen am Küchentisch
Um kurz vor eins setzen sich alle zum Mittag essen an den Küchentisch. Kochen müssen sie nicht selbst, ebenso wenig putzen. Das erledigen vier Pflegekräfte, die die Bewohner außerdem je nach Bedarf unterstützen, etwa beim Waschen oder Anziehen.
"Peter, haben dir die Bratkartoffeln geschmeckt?"
"Ja."
"Hab ich gut gemacht, näh."
"Joaa..."
Für Frühstück und Mittagessen sorgt Gilda Stille, ein wenig gehen ihr die Senioren dabei zur Hand. Was auf den Tisch kommt oder wann sie essen, darüber entscheiden die Bewohner aber selbst. Ebenso wie über die Auswahl der Pflegekräfte und über neue Mitbewohner. Das war die Grundidee von Karin Hillengaß, der Initiatorin der WG:
"Dass die Senioren vom Moment des Einzugs bis zum letzten Tschüss selbstbestimmt bleiben. Nicht wir bestimmen hier den Tagesablauf, sondern eigentlich sind die Senioren die Chefs."
Eine Sozialpädagogin hat den Überblick
Karin Hillengaß ist studierte Sozialpädagogin. Zwei Mal in der Woche ist sie vor Ort, plant Einkäufe, Ausflüge, Dienstpläne für die Pflegekräfte oder auch WG-Besprechungen:
"Es muss immer jemand sein, der es koordiniert, der es lenkt. Weil im Alter fällt es immer schwerer, Kritik zu äußern, Kritik aus zu halten, seine Wünsche durch zu setzen, und die Generation, mit der ich es zu tun habe, die hat das eigentlich nicht gelernt."
Nach dem Essen ziehen sich die meisten Bewohner zurück und halten Mittagsruhe. Gisela Mosner hat ihr Zimmer gleich neben der Küche:
"Ich hab allerlei untergebracht, näh, wie Sie sehen. Ich hab fast alles mitgenommen."
Wie war ihr Umzug?
"Ja, das war die Hölle (lacht). In der Mitte waren 70 Kartons, stellen Sie sich das mal vor, ich bin ja bekloppt, näh."
Gisela Mosner hat zuvor in einer Zweizimmer-Wohnung gelebt. Die hat sie hier auf 35 Quadratmeter untergebracht: vier Schränke, Kommoden, Sessel, Tischchen, ein Bett natürlich, und mehrere Lagen Teppiche.
Die Seniorin wollte rechtzeitig umziehen, solange sie noch kann - und vor allem nicht in ein Heim.
"Meine Tochter arbeitet in so ner Pflege. Entsetzlich, was man da hört. Wenn Sie auf eine Demenzstation kommen. Die richtig Schwester gelernt haben, sind dafür da, die trocken zu halten, die anderen sind nur alle da, die alle abzufüttern immer. Katastrophe. Kannst dich gleich erschießen. Nee, wir sind hier wirklich frei und wenn ich mittags nicht komm, dann komm ich nicht. Ist auch in Ordnung."
Die WG-Stimmung ist meistens gut
Nebenan wohnt der 76-jährige Wilhelm Gutmann auf 15 Quadratmeter. Sein Zimmer ist nur mit dem Nötigsten ausgestattet. Die Möbel hat er von seinem Vormieter übernommen, der verstorben ist. Seine Eigenen zurückgelassen. Als ehemaligem Seefahrer ist ihm das nicht schwergefallen:
"Dann wurde das alles weggeworfen, fertig aus. Wie man vom Schiff fertig abgeheuert hat und neu wieder anfängt, auf einem anderen. So hab ich mir das immer leicht gemacht. Mit den Gedanken! Nützt ja auch nichts."
Obwohl Gisela Mosner und Wilhelm Gutmann beide lange allein gelebt haben, fällt ihnen das Zusammenleben in einer WG heute nicht schwer. Im Gegenteil, die Stimmung ist meistens gut.
Wilhelm Gutmann: "Herrlich! Endlich kann ich mal jemanden ärgern!"
Trotzdem wird es am Abend recht schnell still in der Wohnung, erzählt Karin Hillengaß. Sie trinkt noch einen Kaffee in der Küche, während Gilda Stille die Spülmaschine einräumt.
Karin Hillengaß: "Dann haben sie einfach die Nase voll von der gesamten Gruppe, dann ist jeder auf seinem Zimmer. Entweder Fußball zu gucken, Buch zu lesen, Krimi zu gucken,... näh, Peter? Hab ich recht?"
"Ja, ja..."
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