Besucher bedrohen Weltkulturerbe

Der weltweite Massentourismus stellt für die unter Schutz stehenden Welterbestätten eine zunehmende Gefahr dar - dieser Auffassung ist der Präsident der deutschen UNESCO-Kommission, Walter Hirche. Aus seiner Sicht müsste es an den einzelnen Standorten eine viel strengere Nutzerlenkung geben.
Venedig, die Chinesische Mauer und das Wattenmeer - Welterbestätten ziehen Touristen magnetisch an. Doch die Menschenströme können den Stätten auch schaden. Auf der Jahrestagung der deutschen Welterbestätten diskutierten daher etwa 150 Experten über Konzepte zum Schutz und Erhalt des Welterbes, unter ihnen auch Walter Hirche, Präsident der deutschen UNESCO-Kommission.

Wie Hirche im Deutschlandradio Kultur sagte, müssten die Auswirkungen des Tourismus jeweils im Einzelfall betrachtet werden. Das Bremer Rathaus sei zum Beispiel anders zu bewerten als die historischen Stätten in Pompej, die durch die Touristenströme über Gebühr belastet würden:

"Wir haben durch Massentourismus in vielen Orten der Welt eine Übernutzung, so dass es jetzt darum geht, ganz konkret, wenn man auch Ziele für den Tourismus auf Dauer erhalten will und erschließen will, dass konkrete Nutzerorientierungen erfolgen, Nutzerlenkung zum Teil, und dass natürlich eine Orientierungsarbeit stattfindet über das, was den einzelnen Nutzer überhaupt erwartet und was er selber gegebenenfalls tun kann, um eine Welterbestätte zu erhalten."

Wie Hirche sagt, gibt es eine ganze Reihe von Konflikten zwischen den Interessen der Welterbestätten und denen der Tourismusindustrie. Um der Zerstörung von Kulturgütern vorzubeugen, müsse rechtzeitig über den Schutz sensibler Bereiche nachgedacht werden. Auch der saisonale Wechsel von Tourismus-Schwerpunkten könne zum Schutz der Welterbestätten beitragen, sagte Hirche.

Auch der Erhalt der Welterbestätten in Deutschland sei nicht immer einfach. Es gebe immer wieder Interessen oder auch mangelnde Dialogbereitschaft, die den Welterbe-Status tangieren oder aber auch gefährden könnten. Dies habe die Aberkennung des Welterbe-Titels in Dresden gezeigt.

"Und da muss man versuchen, Kompromisse zu schließen. Da muss es einen Dialog geben zwischen zunächst den unterschiedlichen Bevölkerungsinteressen vor Ort und dann auch mit dem Welterbezentrum in Paris."

Welterbestätten sollten nicht zu "toten Museen mutieren", sondern sie sollten lebendiges Beispiel dafür sein, wie Menschen früher gelebt haben und wie man noch heute "im Respekt vor überlieferter Kultur leben kann".


Das vollständige Gespräch mit Walter Hirche können Sie mindestens bis zum 24.04.2013 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.


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