Beten gegen die Geschlechtertrennung
Einmal im Monat trifft sich eine Gruppe jüdischer Frauen an der Klagemauer, um bei den Männern zu beten. Für viele Religiöse ist das eine Provokation. Für die Mitglieder der "Women of the Wall", wie sich die Frauen nennen, ist es dagegen ein Akt der Befreiung.
Die Männer, die an diesem Morgen an der Klagemauer in Jerusalem singen, sind früh aufgestanden. Es ist Viertel vor sieben Uhr an diesem Rosh Hodesh, dem ersten Tag im neuen Monat des jüdischen Kalenders. Der Platz vor der Mauer ist gut gefüllt. Die Männer tragen die schwarz-weiß gestreiften Gebetsschals, sogenannte Tallitot. Und sie singen, tanzen und klatschen. Nebenan stehen und sitzen die Frauen. Sie tanzen und singen nicht. Nur ihre Lippen bewegen sich stumm zum Gebet. Frauen dürfen keinen Tallit tragen und auch nicht singen. Denn das könnte die Männer beim Gebet ablenken.
Gegen sieben Uhr soll sich das ändern. Dann wollen die "Women of the Wall", wie an jedem Rosh Hodesh, ebenfalls mit ihren Gebetsschals an der Klagemauer tanzen und singen. Seit 24 Jahren kämpfen sie mit dieser Aktion für gleiche Rechte an der Klagemauer. Doch seit einigen Monaten werden immer mehr von ihnen deswegen verhaftet.
Gegen sieben Uhr soll sich das ändern. Dann wollen die "Women of the Wall", wie an jedem Rosh Hodesh, ebenfalls mit ihren Gebetsschals an der Klagemauer tanzen und singen. Seit 24 Jahren kämpfen sie mit dieser Aktion für gleiche Rechte an der Klagemauer. Doch seit einigen Monaten werden immer mehr von ihnen deswegen verhaftet.
Wer sich Gebetsschals umhängt, wird verhaftet
Einen Tag vor Rosh Hodesh bereitet die Vorsitzende der "Women of the Wall", Anat Hoffman, zu Hause die Aktion vor. Eine Rabbinerin aus den USA ist gekommen, um die Frauen zu unterstützen. Anat rechnet damit, wieder verhaftet zu werden. Wie beim letzten Mal, als sie mit Tallit an der Klagemauer gebetet hat.:
"Ich ging zu einem Abendgebet, wurde verhaftet, ins Gefängnis gesteckt und musste eine Leibesvisitation über mich ergehen lassen. Ich bekam Hand- und Fußschellen angelegt und verbrachte die Nacht in der Zelle mit drei Kriminellen. Mir wird ganz schlecht, wenn ich daran denke. Es war furchtbar. Ich habe meinen Mut, meine gute Stimmung und mein Selbstvertrauen ziemlich schnell verloren."
Die 58-jährige Anat, die die Organisation mitgegründet hat, wirkt noch immer kampfbereit und selbstbewusst. Für sie gehört der Gebetsschal zur Glaubenspraxis dazu:
"Der Tallit ist ein Kleidungsstück, das dich in die Stimmung für das Gebet versetzt. Und wenn du regelmäßig betest, immer mit dem Tallit, dann gewöhnst du dich daran. Es ist wie ein Tanz, du machst es immer so, es bringt dich in Stimmung."
Anat sieht die Ausschreitungen an der Klagemauer als Teil einer Veränderung in der israelischen Gesellschaft:
"Die Geschlechtertrennung in der Öffentlichkeit hat in Israel stark zugenommen. Wir haben Trennungen in Bussen, bei einigen Radiosendern, sogar bei Regierungsfeierlichkeiten, wo Frauen und Männer getrennt sitzen müssen."
Studentinnen, Professorinnen, selbst Rabbinerinnen haben sich den "Women of the Wall" angeschlossen. Am nächsten Morgen allerdings werden die Frauen am Sicherheitscheck aufgehalten. Zum ersten Mal wird einigen Frauen der Gebetschal abgenommen. Sie dürfen ihn nur behalten, wenn sie versprechen, ihn nicht aus der Tasche zu holen und anzuziehen. Eine der Frauen ist nach der Kontrolle völlig aufgelöst, sie weint und zittert. Auch Shulamit Magnus musste versprechen, ihren Tallit nicht auszupacken. Mit dem Sicherheitsbeamten hat sie diskutiert – vergeblich:
"Er sagte: Du kannst nicht wie ein Mann beten. Ich antwortete: Mit meinem Tallit bete ich nicht wie ein Mann, sondern wie ein Jude. So habe ich die letzten gut 30 Jahre gebetet, diesen Tallit trage ich seit gut 30 Jahren. Das ist doch die Sache. Die machen etwas Männliches und Politisches daraus, was es nicht ist. Wir kommen her, um zu beten. Wenn sie uns nur lassen würden, wäre das alles kein Thema."
"Ich ging zu einem Abendgebet, wurde verhaftet, ins Gefängnis gesteckt und musste eine Leibesvisitation über mich ergehen lassen. Ich bekam Hand- und Fußschellen angelegt und verbrachte die Nacht in der Zelle mit drei Kriminellen. Mir wird ganz schlecht, wenn ich daran denke. Es war furchtbar. Ich habe meinen Mut, meine gute Stimmung und mein Selbstvertrauen ziemlich schnell verloren."
Die 58-jährige Anat, die die Organisation mitgegründet hat, wirkt noch immer kampfbereit und selbstbewusst. Für sie gehört der Gebetsschal zur Glaubenspraxis dazu:
"Der Tallit ist ein Kleidungsstück, das dich in die Stimmung für das Gebet versetzt. Und wenn du regelmäßig betest, immer mit dem Tallit, dann gewöhnst du dich daran. Es ist wie ein Tanz, du machst es immer so, es bringt dich in Stimmung."
Anat sieht die Ausschreitungen an der Klagemauer als Teil einer Veränderung in der israelischen Gesellschaft:
"Die Geschlechtertrennung in der Öffentlichkeit hat in Israel stark zugenommen. Wir haben Trennungen in Bussen, bei einigen Radiosendern, sogar bei Regierungsfeierlichkeiten, wo Frauen und Männer getrennt sitzen müssen."
Studentinnen, Professorinnen, selbst Rabbinerinnen haben sich den "Women of the Wall" angeschlossen. Am nächsten Morgen allerdings werden die Frauen am Sicherheitscheck aufgehalten. Zum ersten Mal wird einigen Frauen der Gebetschal abgenommen. Sie dürfen ihn nur behalten, wenn sie versprechen, ihn nicht aus der Tasche zu holen und anzuziehen. Eine der Frauen ist nach der Kontrolle völlig aufgelöst, sie weint und zittert. Auch Shulamit Magnus musste versprechen, ihren Tallit nicht auszupacken. Mit dem Sicherheitsbeamten hat sie diskutiert – vergeblich:
"Er sagte: Du kannst nicht wie ein Mann beten. Ich antwortete: Mit meinem Tallit bete ich nicht wie ein Mann, sondern wie ein Jude. So habe ich die letzten gut 30 Jahre gebetet, diesen Tallit trage ich seit gut 30 Jahren. Das ist doch die Sache. Die machen etwas Männliches und Politisches daraus, was es nicht ist. Wir kommen her, um zu beten. Wenn sie uns nur lassen würden, wäre das alles kein Thema."
Der Rabbi fühlt sich durch die Aktion provoziert
Mit einer halben Stunde Verspätung erreichen die meisten "Women of the Wall" die Klagemauer. Doch nicht alle Frauen schaffen es bis hierher. Vier werden verhaftet, weil sie den Tallit doch getragen haben. Der Rabbiner der Klagemauer, Schmuel Rabinowitz, kann von seinem Büro aus direkt auf das Geschehen an der Klagemauer schauen. Er sieht sich als Vater, der es keinem recht machen kann:
"Ich erzähle eine Parabel. Ein Vater hat zehn Kinder. Und diese zehn Kinder wachsen auf und werden ganz verschiedene Menschen mit anderen Bräuchen, anderen Kulturen. Der Vater will seine Kinder aber alle zusammen als eine Familie haben. Wenn aber jeder im Haus macht was er will, wird es Streit und Chaos geben. Die Kinder müssen sich also an den Vater, an die alte Generation anpassen. Die Regeln hier sind also die alten Regeln von vor 100, 200 Jahren. Wir bewahren diese Regeln, um einen gemeinsamen Nenner für alle zu finden."
Für ihn ist die Aktion der "Women of the Wall" eine Provokation. Schließlich gäbe es ja eine Stelle, an der Frauen laut und gemeinsam mit Männern singen können: Abseits des Hauptteils, am sogenannten Robinson-Bogen, im archäologischen Park nebenan.
"Wenn ihre Absichten rein sind und sie an der Klagemauer beten wollen, gibt es doch eine Lösung. Aber wenn sie kommen um zu provozieren und das Gebet nur ein Instrument ist, dann ist das kein Gebet, das erhört wird."
80 Frauen sind heute an die Klagemauer gekommen, vier von ihnen wurden verhaftet. Anat Hoffman sieht den Morgen als Erfolg:
"Hast du gehört, wie wir gesungen haben? Haben wir getanzt? Haben wir das Morgengebet abgehalten? Haben wir der Welt gezeigt, dass die israelische Polizei Tallit konfisziert? Ausgezeichnete Arbeit für heute!"
Für heute beenden sie den Gottesdienst am Robinson-Bogen. Hier beten alle gemeinsam, und die Frauen tragen sogar die Thorarollen. In ein paar Jahren aber will Anat ihren Enkelkindern erzählen können wir das damals war, als die Frauen am Hauptteil der Klagmauer noch ohne Tallit und ganz still waren.
Mehr zum Thema:
Heiliger Ort mit politischer Bedeutung
Die umstrittene kleine Klagemauer in Jerusalem (DLF)
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Für ihn ist die Aktion der "Women of the Wall" eine Provokation. Schließlich gäbe es ja eine Stelle, an der Frauen laut und gemeinsam mit Männern singen können: Abseits des Hauptteils, am sogenannten Robinson-Bogen, im archäologischen Park nebenan.
"Wenn ihre Absichten rein sind und sie an der Klagemauer beten wollen, gibt es doch eine Lösung. Aber wenn sie kommen um zu provozieren und das Gebet nur ein Instrument ist, dann ist das kein Gebet, das erhört wird."
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