"Kraftwerk Block Beuys"
Ausstellung im Hessischen Landesmuseum Darmstadt
noch bis zum 24. Mai 2020
Anstoß für den permanenten Kunst-Diskurs
05:38 Minuten
Erleben war Joseph Beuys wichtiger als Verstehen. Vor 50 Jahren installierte er seinen "Block Beuys" im Hessischen Landesmuseum Darmstadt. Zum Jubiläum zeigt das Museum nun mit Filmen und Fotos, wie der Künstler seine Werke in Aktionen einsetzte.
Joseph Beuys sitzt starr mit einem toten Hasen im Arm auf einem Stuhl. Das Publikum strömt an ihm vorbei in einen Ausstellungsraum. Wenige Minuten vorher war Beuys noch in Bewegung. "Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt": So lautet der Titel einer Düsseldorfer Performance von 1965, die in Schwarz-weiß-Bildern festgehalten wurde. Nun wird der Film in Kinoleinwandgröße an eine Fläche im Dachgeschoss des Hessischen Landesmuseums Darmstadt projiziert.
Gleich gegenüber befinden sich die sieben Ausstellungsräume des sogenannten "Block Beuys", des mit 290 Werken weltweit größten Komplexes mit Arbeiten des Aktionskünstlers. "Es ist das Beste, was von Beuys überliefert ist. Es gibt nichts Besseres", sagt der Kunsthistoriker Götz Adrini, hier zitiert von Martin Faass, dem neuen Direktor des hessischen Landesmuseums Darmstadt.
Der "Block Beuys" umfasst Werke aus den drei Nachkriegsjahrzehnten. Es war der Darmstädter Industrielle Karl Ströher, der 1967 alle Werke einer Beuys-Ausstellung im neuen Museum Mönchengladbach kaufte und sich den Zugriff auf weitere Arbeiten sicherte. Nun feiert man in Darmstadt 50 Jahre "Block Beuys" mit einer großen Zusatzausstellung, die mit Video- und Fotomaterial belegt, dass viele Objekte nur als Teil der Aktionskunst des Joseph Beuys wirklich verständlich werden.
Diskussion um den Kunstbegriff
Jede Beuys-Ausstellung seit dem Tod des Künstlers 1986 müsse sich immer wieder die Frage stellen, wie man Beuys ohne Beuys ausstellen könne, so Gabriele Mackert. Sie ist die Kuratorin der Darmstädter Jubiläumsausstellung:
"Ganz klar wurde mir bei diesen Recherchen, dass Joseph Beuys erweiterter Kunstbegriff genau dort ansetzt, wo er eben beheimatet ist, nämlich im Museum, was er ja als Ort der permanenten Konferenz sieht. Nämlich die Konferenz, die wir als Besucher (veranstalten), die in den Medien, die in den Schulen stattfindet, aber auch auf der Straße und in der Straßenbahn. Dieser Diskurs, der über Kunst geführt wird und den Ausgangspunkt im Museum nimmt."
Deswegen habe Beuys aktiv daran mitgewirkt, im Darmstädter Landesmuseum vor einem halben Jahrhundert ein immer umstrittenes Monument zu schaffen, das als Anstoß für eine "permanente Konferenz" dienen könne, so Gabriele Mackert. Doch allein stehe der "Block Beuys" nicht:
"In den Recherchen ist doch klar geworden, er ist keineswegs das erste dieser Monumente, die er geschaffen hat. Denn das erste große Konvolut, das er zusammengestellt hat, von dem er wünschte, dass es als Konvolut zusammenbleibt, ist letztlich jetzt die Sammlung in Schloss Moyland, die mit den Gebrüdern van der Grinten erfolgt ist. Auch dort hat er einen Grundstock gebildet an Dingen, die nicht auseinandergerissen werden sollten, nicht in alle Winde zu Sammlern gehen sollten."
"Ganz klar wurde mir bei diesen Recherchen, dass Joseph Beuys erweiterter Kunstbegriff genau dort ansetzt, wo er eben beheimatet ist, nämlich im Museum, was er ja als Ort der permanenten Konferenz sieht. Nämlich die Konferenz, die wir als Besucher (veranstalten), die in den Medien, die in den Schulen stattfindet, aber auch auf der Straße und in der Straßenbahn. Dieser Diskurs, der über Kunst geführt wird und den Ausgangspunkt im Museum nimmt."
Deswegen habe Beuys aktiv daran mitgewirkt, im Darmstädter Landesmuseum vor einem halben Jahrhundert ein immer umstrittenes Monument zu schaffen, das als Anstoß für eine "permanente Konferenz" dienen könne, so Gabriele Mackert. Doch allein stehe der "Block Beuys" nicht:
"In den Recherchen ist doch klar geworden, er ist keineswegs das erste dieser Monumente, die er geschaffen hat. Denn das erste große Konvolut, das er zusammengestellt hat, von dem er wünschte, dass es als Konvolut zusammenbleibt, ist letztlich jetzt die Sammlung in Schloss Moyland, die mit den Gebrüdern van der Grinten erfolgt ist. Auch dort hat er einen Grundstock gebildet an Dingen, die nicht auseinandergerissen werden sollten, nicht in alle Winde zu Sammlern gehen sollten."
Allegorie über den Kalten Krieg
Aus einem Lautsprecher an der Decke dröhnt der erste Satz der Beuysschen "Sibirischen Symphonie für 2 Musikanten" aus dem Jahr 1963. Der gesamte erste Raum des "Block Beuys" ist der Installation "Transsibirische Bahn" gewidmet, eine Allegorie zur Überwindung des Trennenden zwischen Ost und West sowie die Vereinigung großer Weltkulturen als politische Utopie.
Nun wird dieser Raum der Dauerausstellung bis Ende Mai großformatig ergänzt durch den Film, in dem sich Beuys beinahe tänzerisch zwischen den Objekten bewegt, die die Bahn von West nach Ost in die sibirische Kälte stilisieren.
Digitaltechnik soll den fehlenden Künstler ersetzen
Gemeinsam mit der TU Darmstadt sollen nun Digitaltechniken entwickelt werden, mit deren Hilfe künftig die Performances des Joseph Beuys den stillen Objekten im dauerhaften "Block Beuys" beigefügt werden können. Museumsdirektor Martin Faass:
"Denn es fehlt natürlich in dem Block eigentlich der agierende Künstler. Es ist ja eine Form der Aktionskunst, die eigentlich auf das Periphere setzt. Die sagt: Wir wollen eigentlich keine bleibenden Werke schaffen, die dann dem Verwertungsprozess übergeben werden. Sondern die Kunst besteht im Moment."
"Denn es fehlt natürlich in dem Block eigentlich der agierende Künstler. Es ist ja eine Form der Aktionskunst, die eigentlich auf das Periphere setzt. Die sagt: Wir wollen eigentlich keine bleibenden Werke schaffen, die dann dem Verwertungsprozess übergeben werden. Sondern die Kunst besteht im Moment."
Der Moment wird dann verlängert zur "permanenten Konferenz". Auch diese Neuinterpretation des Museums durch Josef Beuys soll in Darmstadt wieder ins Gedächtnis gerufen und aktualisiert werden. Nicht nur durch Videoinstallationen, die Beuys zu 68er-Zeiten in der Diskussion mit Studierenden zeigen. Oder auf der Theaterbühne mit Claus Peymann im Frühjahr 1969 – im Hintergrund ein lebendiger Schimmel. Das Pferd wird zum Hauptdarsteller eines DADA-Happenings, das irgendwie auf Goethes "Iphigenie auf Tauris" zurückgehen soll. Beuys stellt das natürlich wieder zur Diskussion.
"Hessische Iphigenien-Beuys Auftritte in Darmstadt, Frankfurt am Main und im deutschen Fernsehen" lautet folgerichtig der Titel eines Vortrages, der bei der Tagung "Das Museum als permanente Konferenz" Ende März in Darmstadt zu hören sein wird.
"Kraftwerk Block Beuys" ist eine sehr sehenswerte und interaktive Ausstellung, die die Museums-Verhältnisse in Südhessen zum Tanzen bringt – zumindest bis Ende Mai.