Bevölkerungsrückgang in China

Peking könnte nach außen aggressiver werden

07:29 Minuten
Eine Chinesin trägt ihr Kind an den Körper gebunden in einem Flughafen.
Ein Kind, selten mehr: Die Geburtsraten sind in China schon lange niedrig. © imago / ZUMA Wire / Alex Chan
Sebastian Heilmann im Gespräch mit Axel Rahmlow |
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Mit 1,4 Milliarden Menschen ist China das bevölkerungsreichste Land der Welt. Nun verzeichnet die Volksrepublik erstmals seit Jahrzehnten einen Rückgang: minus 850.000 Einwohner. Die Folgen für das Land und die Weltwirtschaft könnten gravierend sein.
Die Geburtsraten sind in China schon lange niedrig. Nun schlagen sie erstmals auch auf die Bevölkerungszahlen durch: Im Jahr 2022 sank die Zahl der Einwohner um 850.000. Das teilte das chinesische Statistikamt in Peking mit.
Sebastian Heilmann, Chinaforscher an der Uni Trier, sieht in dem Einbruch eine Langzeitfolge der strikten Geburtenkontrollpolitik Chinas seit den 1980er-Jahren. Die Geburtenkontrolle sei damals eingeführt worden, weil man gedacht habe, Chinas Wirtschaftswachstum werde durch die großen Bevölkerungszuwächse seit den 50er-Jahren „wieder aufgefressen“.

Alterung bremst Wirtschaftswachstum

Die Langzeitfolgen dieser Politik habe man dabei „nicht mit dieser Radikalität“ bedacht. Heilmann rechnet damit, dass der Anteil der Jüngeren in China absehbar verschwindend gering sein könnte. Die Jungen werden „unglaublich viele ältere Köpfe mitversorgen müssen“, sagt der Experte. Man werde in Chinas Bevölkerung das krasseste Missverhältnis zwischen Jung und Alt weltweit sehen.
Der China-Experte geht davon aus, dass der Einbruch Chinas Wirtschaft im Vergleich radikaler treffen wird, als dies in Deutschland oder Japan der Fall ist, die ebenfalls mit geringen Geburtsraten zu kämpfen haben.
„Es ist so, dass wir uns in so einem langsamen Niedergang der Geburtenrate an viele der Phänomene gewöhnen konnten, die damit einhergehen.“ Dies seien vor allem wesentlich höhere Kosten im Renten- und Gesundheitssystem durch eine ältere Bevölkerung. Heilmann rechnet damit, dass China in den nächsten Jahren und Jahrzehnten höhere Alterssicherungs- und Gesundheitsausgaben bevorstehen. „Und das bremst normalerweise das Wirtschaftswachstum. Das ist die Erfahrung in anderen Ländern“, sagt der Experte.

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Wachstumslokomotive geschwächt

Nach Ansicht Heilmann wird das Schrumpfen und Altern der chinesischen Bevölkerung weltweit Auswirkungen haben. China habe im letzten Jahrzehnt ein Drittel zum weltwirtschaftlichen Wachstum beigetragen. „Wir haben alle von dieser chinesischen Dynamik profitiert, vor allem die deutsche Exportwirtschaft. Wenn das nachlässt, heißt das, dass insgesamt die wichtigste Wachstumslokomotive der Weltwirtschaft geschwächt wird.“ Europa müsse mit den Amerikanern und Japanern alternative Wachstums- und Innovationszentren aufbauen, um unabhängiger von China zu werden.
Auch geo- und sicherheitspolitische Folgen sind nach Ansicht Heilmann möglich. „Es kann wirklich dazu kommen, dass China nach außen noch aggressiver wird, wenn es im Inneren kriselt. Das ist nicht auszuschließen.“
(tmk)
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