Bewegende Bilder

Von Silke Lahmann-Lammert |
Es ist der bedeutendste Preis, den ein Fotograf bekommen kann: Der World Press Photo Award. In diesem Jahr mussten die Juroren 78.000 Einsendungen in Augenschein nehmen. Am Ende siegte der Amerikaner Spencer Platt mit einem Bild aus dem zerbombten Beirut. Das Gewinnerbild und alle weiteren prämierten Arbeiten sind jetzt im <papaya:link href="http://www.guj.de/index.php4?/de/presse/pressemappen/pressemappe.php4" text="Gruner und Jahr Pressehaus" title="Gruner und Jahr Pressehaus" target="_blank" /> in Hamburg zu sehen.
14. August 2006: Im Süden Beiruts türmen sich die Trümmer. Fünf Wochen lang hat die israelische Armee diesen Teil der Stadt bombardiert. Seit heute herrscht Waffenstillstand und die Menschen kehren zurück: Bewohner des Viertels, die ihre Häuser verloren haben. Und Schaulustige.

Krasser könnte der Gegensatz nicht sein: Vor Bergen von Schutt cruised ein rotes Cabriolet durch die zerstörten Straßen. Fünf junge Leute begutachten den Kriegschauplatz. Mit ihren Sonnenbrillen und Markenklamotten sehen sie aus, als unternähmen sie gerade eine Spritztour über den Hollywood-Boulevard.

"Ich hätte es nicht besser arrangieren können! Es war pures Glück. Das ist das Großartige am Fotografieren: Manchmal drückt man einfach auf den Auslöser und alles passt."

Spencer Platt ist Vertragsfotograf bei Getty Images. Dass er in jener Sekunde das World Press Photo im Kasten hatte, war dem Amerikaner nicht bewusst. Im Gegenteil. Nachdem er etwa 30 Bilder aus Beirut an seine Agentur in die USA geschickt hatte, bekam er einen Anruf von einem Redakteur:

"Er fragte, ob ich nicht ein Bild hätte, auf dem man mehr von dem Auto sehen könnte. Und ich dachte: Verdammt! Ich hab’s vermasselt."

Damals, im Libanon, hat Platt sich noch nicht gefragt, was in den jungen Männern und Frauen in ihrem roten Luxusflitzer vorgeht:
"Ich war ein Voyeur, sie waren Voyeure, wir alle sind Voyeure. Sie haben es nur mit mehr Stil und Tamtam getan als der Rest von uns. Aber es ist ja auch ganz normal, dass wir sehen und begreifen wollen. Ich verurteile sie nicht. Es ist schließlich ihr Beirut, ihr Land. Und sie wollen wissen, was dort passiert ist."

Spencer Platts Foto erzählt von dem Leid und der Zerstörung. Aber gleichzeitig erfahren wir etwas über junge Menschen in Beirut. Eine Generation, die westlich orientiert ist, sich amüsieren und ein ganz normales Leben führen will. Diese Vielschichtigkeit zeichnet auch andere Bilder des Jahrgangs aus: Es sind Fotos, die Geschichten erzählen, sagt Jurymitglied Ruth Eichhorn.

"Die Fotografen, die heutzutage journalistisch arbeiten, müssen sich halt durchsetzen auch gegen diese Bilderflut der Amateure, die im Internet und so weiter überall zu sehen sind, und dadurch bilden sich ganz besondere Bildsprachen heraus."

Fotos sozialer Brennpunkte und Bilder, die das schmutzige Geschäft des Kriegs vor Augen führen, machen den größten Teil der prämierten Arbeiten aus. Den dritten Preis in der Kategorie "aktuelle Themen" hat der Schwede Per-Anders Pettersson mit einem Bild aus dem Kongo gewonnen. Drei Prostituierte hocken auf dem müllübersäten Boden. Die jüngste von ihnen raucht eine Zigarette, während ihr eine Kollegin das Haar frisiert:

"Also hier auf diesem Bild sieht man ein neunjähriges Mädchen, das hergerichtet wird sozusagen für die Prostitution. Sie sehen im Ausdruck: Das Gesicht ist irgendwie 40 Jahre alt. Schrecklich."

Aber in der Hamburger Ausstellung gibt es auch komische Szenen aus dem Alltag, Naturaufnahmen und Bilder von berührenden Sportereignissen. Ruth Eichhorn erinnert sich an die erste Jury-Runde:

"Ich habe 78.000 Bilder gesehen und in der Kategorie Sport war natürlich das Ereignis die Fußballweltmeisterschaft. Und es gab unheimlich viel, also Fotos von Fußballern natürlich, aber auch relativ viel Fotos von Party machen, um das Ereignis herum. Und das war gar nicht einfach, da was zu erkennen, was ne besondere eigene Handschrift hat. Und diese Bilder von David Klammer haben besonders beeindruckt, weil sie einfach so unglaublich klar und emotional sind."

Klammer zeigt die Tränen und den Jubel der Fans bei der Fußball-WM im Juni 2006. Eigens für diese Aufnahmen hat er sich einen schwenkbaren Blitzlichtarm gebastelt, der es ihm ermöglichte, Schlaglichter auf die Gesichter der völlig ergriffenen Fans zu richten. So gelingt ihm etwas, was nur große Fotografie schafft: Ein Blick aufs Bild – und alle Gefühle von damals sind wieder da.

Service: World Press Photo Award 2007
Zu sehen sind die besten Pressefotos des Jahres noch bis zum 24. Mai im Gruner und Jahr Pressehaus in Hamburg.