Bewegende Geschichten

Von Susanne von Schenck |
Königin Luise von Preußen hat nicht nur ihre Zeitgenossen in Begeisterung versetzt, sondern fasziniert auch noch heute - 200 Jahre nach ihrem Tod. Angesteckt hat sich auch die Berlinerin Christine Gräfin von Brühl, die ein Buch über sie geschrieben hat.
Eine Gräfin schreibt über eine Königin. Das hat was. Noch dazu, wenn die Vorfahren der einen für die andere gearbeitet haben: Ein Graf von Brühl war Kammerherr bei der Königin Luise.

Luise: "Ich hab versucht zu begreifen, wie eine Frau, die mir auf den ersten Blick eigentlich recht einfältig erschien …"

Einfältig, eine Frau, die in nur 34 Lebensjahren soviel Aufmerksamkeit auf sich zog, dass Novalis, Kleist, Jean Paul und Schlegel sie in ihren Werken huldigen? Das verspricht spannend zu werden.

Luise: "Wenn man ihre Briefe liest, ihre Texte, über sie, wird sie einem als einfache Frau beschreiben, die eigentlich auch viele Fehler in ihren Briefen hat, die eigentlich nicht viel Französisch kann, die auch so scherzend und witzelnd immer schreibt - wie konnte diese Frau zu einer ungeheuren Beliebtheit kommen, auch ihre Schönheit ist ja durchaus relativ?"

Christine Gräfin von Brühl ist nicht zimperlich, wenn es um ihre "Buchheldin" geht. Das ist sympathisch, genauso wie die zierliche Frau selbst auch: Neugierig beäugt sie ihr Gegenüber, sie lacht gerne und viel. Den Gräfinnentitel lässt die 48-Jährige meist weg und stellt sich kurz als Christine Brühl vor.

Trotzdem, der Adel lässt sie nicht los, weder in der Arbeit noch privat. "Noblesse oblige, die Kunst, ein adliges Leben zuführen" hieß eines ihrer letzen Bücher. Und: Ihr Urahn ist Heinrich Graf von Brühl, einst höchst umstrittener Premierminister am sächsischen Hofe.

Sein Name ist in Dresden immer noch ein Begriff, nicht zuletzt wegen der Brühlschen Terrassen, einer Flaniermeile direkt an der Elbe. Wie bekannt ihr Urahn war, das bekam Christine Brühl zu spüren, als sie kurz nach dem Fall der Mauer nach Dresden zog. Dort begann sie nach ihrem Studium als Journalistin bei der Sächsischen Zeitung zu arbeiten.

Dresden: "Ich war natürlich in erster Linie die Tochter meiner Eltern und meine Eltern hießen Graf und Gräfin Brühl, also bin auch ich eine Christine Gräfin von Brühl, darauf wurde ich oft angesprochen in Dresden: Schön, dass Sie wieder da sind, hieß es da zu meiner Verblüffung. Dieser adlige Name geht einher mit einer relativ intensiven, traditionsverbundenen Erziehung."

Und die galt auch zuhause. Christine Brühl, streng katholisch erzogen, ist damit immer wieder aneinandergerasselt. Fast hätte sie sich aus der eigenen Familie hinauskatapultiert. Denn als sie ihren Eltern Henrik Schrat, einen Künstler aus Thüringen, als ihren künftigen Ehemann präsentierte, sorgte das im Hause Brühl für einen handfesten Skandal.

"Eine Adlige heiratet gefälligst einen Adligen, eine Gräfin einen Graf, möglichst derselben Konfession, und das tat ich mitnichten. Ich hatte mich verliebt in einen Mann, der alles, nur nicht adlig war, auch noch aus den neuen Bundesländern stammt zu allem Überfluss und auch noch Künstler. Ja, die Familie war erstmal not amused, wie man so schön sagt."
1962 kam Christine Brühl in Accra, der Hauptstadt Ghanas, zur Welt. Ihr Vater war dort Botschafter. An das afrikanische Land hat sie allerdings nur verschwommene Erinnerungen, denn bereits zweieinhalb Jahre später ging es weiter: London, später Brüssel, Bonn, Singapur, Warschau, dann Wien: Lust und Leid eines Diplomatenlebens, ständiger Wechsel zwischen Ländern, Kulturen und Sprachen. Dabei haben Christine Brühl und ihre vier Geschwister dieses bewegte Leben durchaus positiv erlebt. Aber:

"Privilegiert haben wir uns nie gefühlt, wir wussten, ahnten um diese Heimatlosigkeit und litten auch darunter, dass wir auch von den besten Freunden wussten, das ist alles nur auf Zeit, wir werden die wieder verlieren. Wir haben natürlich gelernt, sehr schnell Kontakt zu schließen, wir haben auch gelernt, Kontakt zu halten über viele Jahre hinweg. Das war absolut zweischneidig."

Als ihr Vater Anfang der Achtzigerjahre nach Warschau versetzt wurde, entdeckte Christen Brühl ein für sie bis dahin vollkommen unbekanntes Land. Es waren spannende Zeiten im Polen der frühen 1980er Jahre: Solidarnosc-Bewegung, Ausrufung des Kriegszustands. Christine Brühl war fasziniert. Und statt nach dem Abitur wie geplant, in Singapur Chinesisch zu büffeln, zog sie kurzentschlossen nach Lublin, lernte dort polnisch und studierte später Slawistik.

"Ich werd’ das nie vergessen. Diese Zeit in Polen, die war für mich unheimlich echt, unheimlich wahr, unheimlich verbindlich, unheimlich menschlich. Ich kam ja nachher nach Deutschland, hab in Mainz und Heidelberg studiert, empfand Deutschland als kalt, selbst mit Menschen, mit denen man im selben Haus wohnte, kannte man sich kaum, das war in Polen undenkbar ..."

Heute lebt Christine Brühl mit Mann und zwei Kindern als Autorin in Berlin. Gsanz ohne Standesdünkel. Nur in ihren Büchern spielt der Adel eine Rolle, so auch in ihrem letzten.
"Die preußische Madonna" ist Reiseführer und Biografie gleichermaßen.

Denn die Autorin folgt darin dem Weg, den die Kutsche nahm, als sie im Juli 1810 den Sarg mit der toten Königin Luise von Schloss Hohenzieritz über Neustrelitz, Gransee und Paretz nach Berlin brachte. In zahlreichen Rückblenden erzählt Christine Brühl die bewegende Geschichte einer Frau von Herzensbildung, die 34-jährig viel zu früh starb.

"Wer weiß, was passiert wäre, wenn sie friedlich noch 30 Jahre länger gelebt hätte, dann hätte sie sich vielleicht zu einer staatsmännischen Frau entwickelt."