Radfahrer sind freie Menschen
Der Bundesgerichtshof hat ein wichtiges Urteil zugunsten der Radfahrer gesprochen. Gut so, denn eine grundsätzliche Vorschrift zur Helmpflicht wäre Unfug.
"Für Radfahrer ist das Tragen eines Helmes nicht vorgeschrieben" – so der Vorsitzende Richter bei der Urteilsbegründung am Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Und damit ist doch eigentlich alles gesagt. In Deutschland sind Radfahrer freie Menschen. Sie dürfen selbst entscheiden, ob sie einen Fahrradhelm tragen wollen oder nicht. Das Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig, dass einer un-behelmten Radfahrerin eine Teilschuld an ihren Kopfverletzungen zuschieben wollte, ist nach dem heutigen Tag aufgehoben.
Gut so. Nicht, weil Helme grundsätzlich Unfug sind, aber weil es Unfug wäre, Fahrradhelme grundsätzlich vorzuschreiben. Einen Fahrradhelm aufsetzen bei der sonntäglichen Gemütlichkeitstour ins nächste Café? Oder auf dem Liegefahrrad, wo er die Beweglichkeit des Fahrers einschränkt? Und wer in einer fremden Stadt ein Rad ausleiht, soll bitte den perfekt passenden Helm mitbringen? Was wäre da aus der Spontaneität geworden, die das Radfahren so wertvoll macht? In Ländern, in denen die Helmpflicht gilt – Australien oder Neuseeland beispielsweise – fahren inzwischen weniger Menschen Rad. Tolle Wurst. Oder sollte man sagen: Speckröllchen. Die Umwelt bräuchte man wohl erst gar nicht fragen, was sie zu einer Helmpflicht meinte.
Fensterputz-Helm und Treppen-Steige-Helm
Ein "verständiger Mensch" trage aber einen Helm beim Fahrradfahren, um sich vor Kopfverletzungen zu schützen, entschied das Oberlandesgericht Schleswig vor einem Jahr. Ja, und seit wann ist Vernunft Gesetz? Und wie weit sollte man da gehen? Inwiefern ein Helm vor Kopfverletzungen schützt, steht bislang noch unbeantwortet im Raum. Aber falls er es wirklich tut, bin ich dann auch dazu verpflichtet, mir einen Fensterputz-Helm und einen Treppen-Steige-Helm anzuschaffen?
Hätte der Bundesgerichtshof das Urteil des OLG Schleswig heute bestätigt – wir wären in eine vollkommen falsche Richtung gerudert, also: geradelt. Haftpflichtversicherer hätten nach Radunfällen grundsätzlich versucht, un-behelmten Radfahrern eine Teilschuld zuzuschieben. Und die hätte sich dann nicht nur um ihre Gesundheit, sondern auch noch um ihr Erspartes Sorgen machen müssen. Es ist nicht so gekommen, zum Glück. Dann können wir ja jetzt die wichtigeren Diskussionen fortsetzen, etwa: Welche Straßen muss man bauen, damit alle Verkehrsteilnehmer heil ans Ziel kommen, damit keiner übersehen, an- oder umgefahren wird? Was kann man tun, damit aus einem Gegeneinander im Straßenverkehr ein Miteinander wird? Wenn der BGH in diesen Fragen ähnlich klug entscheidet wie heute in Sachen "Helmurteil" – ich würde freiwillig mit Helm nach Karlsruhe radeln.