„Ich bin total glücklich. Ich bin froh, in Bhutan geboren zu sein. Es ist der sicherste Ort der Welt.“
„Glück klingt immer so nach: Hahaha, ich bin immer happy. Hier ist Glück eher der innere Frieden mit sich selbst.“
"Unser Land ist doch wie ein Paradies. Wir haben hier keinen Krieg wie in anderen Ländern. Wir betrügen einander nicht. Unser Land ist mit Glück gesegnet.“
Bhutan als Postkartenmotiv: Pero Taktsang, das "Tigernest", ein buddhistisches Kloster im Parotal in einer Höhe von über 3000 Metern im Himalaja.© IMAGO / Christian Offenberg / IMAGO / Christian Offenberg
Manchmal klingt es wie aus einem märchenhaften Königreich, wenn Menschen aus Bhutan über ihr Land erzählen. Und vieles wirkt in der Tat zauberhaft: schneebedeckte Berge, wenige Menschen, Geschichten von Dämonen und Geistern, abgelegene Klöster, tiefgrüne Reisfelder und Wälder.
Schon der Anflug ist exklusiv. Einige sagen allerdings, er sei alles andere als märchenhaft. Die Landebahn gehört zu den gefährlichsten der Welt.
Zweieinhalb Jahre Corona-Lockdown
Der einzige internationale Flughafen von Bhutan liegt zwischen fast 5000 Meter hohen Gipfeln in einem Tal. Nebel verdeckt oft die Sicht. Und nur speziell ausgebildete Piloten dürfen den Flughafen ansteuern. Kaum eine Handvoll Maschinen landen hier am Tag, kurz nachdem Bhutan seine Grenzen für Touristinnen und Touristen geöffnet hat.
Zweieinhalb Jahre durfte wegen der Corona-Pandemie fast niemand das Land besuchen. Bhutan war in der Zeit wieder so abgeschieden von der Außenwelt wie vor rund 50 Jahren. Erst seit 1974 war es überhaupt möglich, touristisch nach Bhutan zu reisen.
Buchstäblich hinter den Bergen lag das Land auch bei der Einführung von Internet und Fernsehen: Jahrzehnte später als in vielen anderen Ländern der Welt wurden erst 1999 die Leitungen gezogen. Und Bhutan ist derzeit auf der Suche nach Lösungen, um auf dem Weg in die Moderne nicht alle Traditionen zu verlieren.
In welche Richtung soll es jetzt gehen im "Drachenland"? – Noch gibt es keine Ampeln in Bhutan.© Silke Diettrich, ARD-Studio Neu Delhi
In einer Karaoke-Bar in der Hauptstadt Thimphu wird gerade Abschied gefeiert. Namgay zieht in den nächsten Tagen nach Australien. Für ihre Freundinnen singt sie heute zum letzten Mal einen Song von John Legend:
US-Songs sind in der Bar angesagt, manchmal auch Lieder aus Bollywoodfilmen. Alte Lieder aus Bhutan stehen nicht auf der Liste. Diese Bar könnte sich überall auf der Welt befinden, hier scheint nichts mit der märchenhaften buddhistischen Tradition übereinzustimmen.
Jeans, kurze Shirts, hochhackige Schuhe
Die Leute tragen Jeans, kurze Shirts, hochhackige Schuhe. Die bhutanische Generation Z: Sie ist die erste, die mit Internet und Fernsehen groß geworden ist. Die Entwicklung in ihrem Land hänge daher noch weit zurück, sagt Namgay:
„Wir haben noch einen sehr weiten Weg vor uns. Wir fangen ja gerade einmal an, uns zu entwickeln. So viele Leute hier leben hier noch so rückständig. Aber jetzt hat die Jugend begriffen, dass für sie in Bhutan nichts zu holen ist. Es ist wirklich schwer, hier zu überleben.“
In Sachen Entwicklung steht Bhutan tatsächlich ganz weit hinten auf der Liste der Länder in der Welt. Fast 40 Prozent der Menschen sind Bauern, die sich selbst versorgen, ein Viertel der Menschen hat kaum 28 Dollar im Monat zu Verfügung.
Dabei sind gerade die jungen Leute im Land sehr gut gebildet. Der Schulbesuch ist für sie kostenlos, viele sprechen fließend Englisch. Das sei großartig, sagt auch Namgay. Sie ist eine ausgebildete Krankenschwester. Niemand im Land müsse für medizinische Versorgung zahlen. Aber: Sie verdient keine 200 Euro im Monat. Deswegen will sie nach Australien. Ihre Schwestern leben schon dort:
Ohne Geld geht es nicht im Leben. Und auch unsere Jugend hat verstanden, wie wichtig es ist, Geld zu haben. Nur mit Geld kann auch Glück kommen.
Namgay aus Bhutan wandert nach Australien aus.
Glück spielt in Bhutan eine große Rolle, Geld hatte lange Zeit keine gespielt. Schon aus dem 18. Jahrhundert gibt es Quellen in einem alten Rechtskodex.
Darin wird erwähnt, dass die Regierung des Landes keine Existenzberechtigung habe, wenn sie dem Volk kein Glück bescheren könne.
Im Land gibt es keinen Zweifel an der Monarchie. Die Königsfamilie ist hochverehrt und so eine Art "Glücksgarant" in den Augen des Volkes.© imago images / PPE / PPE via www.imago-images.de
Im Jahr 1979 hat der vierte König von Bhutan zum ersten Mal das sogenannte „Bruttonationalglück“ ins Spiel gebracht. In einem Interview betonte der König, dass dies wichtiger sei, als das Bruttoinlandsprodukt, an dem bekanntlich ja die Wirtschaftsleistung in der globalisierten Welt gemessen wird.
Zahlreiche Bücher und Abhandlungen sind seitdem über das einzigartige Bruttonationalglück von Bhutan geschrieben worden.
Warum verlässt die Jugend das Land des Glücks?
Es bedeutet, kurz runtergebrochen, dass ein Gesetz in Bhutan nur erlassen werden darf, wenn es dem Glück der Bevölkerung nicht entgegensteht. Darunter fallen vor allem die vier Staatsziele: Erstens: Die Wirtschaftsentwicklung soll sozial und gerecht sein. Zweitens: Kultur und Religion sollen bewahrt werden, drittens: Umweltschutz und viertens: eine gute Führung der Regierung.
Im Jahr 2008 ist in Bhutan die Demokratie eingeführt worden, die Menschen können seitdem selbst darüber bestimmen, ob sie die vorherige Regierung abwählen oder behalten wollen.
Fünf Jahre lang war Tshering Tobgay Ministerpräsident des Landes und kandidiert auch wieder für die Wahlen im nächsten Jahr. Er sieht keinen Widerspruch darin, dass gerade junge Menschen das Land mit dem Bruttonationalglück verlassen wollen:
„Unsere Wirtschaft, so nachhaltig und gerecht sie auch ist, hat nicht mit dem sozialen Fortschritt Schritt gehalten. Wir können derzeit nicht ausreichend Jobs zur Verfügung stellen. Wir haben Arbeitsplätze in der Landwirtschaft oder auf dem Bau, aber unsere Jugend ist für bessere Jobs ausgebildet worden. Uns so lange wir keine entsprechenden Stellen anbieten können, schauen sie natürlich außerhalb des Landes nach Jobs.“
Spiritualität ist ein wichtiger Teil der Gesellschaft. Der Buddha Dordenma vor den Toren der Hauptstadt Thimphu ist mit mehr als 50 Metern einer der größten der Welt.© IMAGO / Christian Offenberg / IMAGO / Christian Offenberg
Hat sich Bhutan in der globalisierten Welt also in den zurückliegenden Jahren zu sehr aufs Glück verlassen und die Augen vor der Realität des weltweiten Kapitalismus verschlossen? Der ehemalige Premierminister wiegelt ab.
Ich glaube fest daran, dass es letzten Endes wichtig ist, dass sich die Menschen wohlfühlen und glücklich sind. Und weil wir nicht ausreichend Jobs haben, sollten wir deswegen unsere Jugend ungebildet lassen? Nach dem Motto: Sie sind glücklich, aber unwissend? Das kann doch nicht die Wahl sein, auch wenn sie nun das Land verlassen wollen. Natürlich ermöglichen wir es, dass sie sich weiterbilden können, um die soziale Leiter hochzusteigen.
Tshering Tobgay, Ex-Ministerpräsident von Bhutan
Tradition und Moderne prallen im ganzen Land aufeinander, jetzt gehe es darum, ein gutes Gleichgewicht zu finden:
„Wir brauchen Investitionen, aber solche, die nicht gegen unser Bruttonationalglück verstoßen. Bei uns ist doch nicht alles schiefgelaufen. Wir haben Probleme, auch soziale. Auch hier leiden Menschen unter Depressionen. Andere wollen mehr Geld.
Wir sind auch einfach nur Menschen. Ihr von außen schaut auf unser Land und sagt, es sei der Himmel auf Erden. Das haben wir nie behauptet. Dann kommt ihr her und seid enttäuscht. Das ist nicht fair!“
Bhutans neuer Slogan: Glaube statt Glück
Die Erwartungshaltung, dass Bhutan das glücklichste Land der Welt ist und ein Himmel auf Erden sein könnte, kommt aber ja nicht nur von außen. Jahrzehnte lang hat die eigene Tourismusbranche damit geworben:
„Glück ist ein Ort“ – so hieß der Slogan bis vor Kurzem. Jetzt, nach der langen Corona-Sperre hat sich der Leitspruch geändert, sagt der Direktor des Tourismus-Rates Dorji Dhradhul:
„Wir wollen in Zukunft authentischer sein. Mag sein, dass wir Ausländer und Ausländerinnen mit dem Glück anlocken konnten. Aber für uns Menschen in Bhutan ist das sinnlos. Was bedeutet das eigentlich wirklich? Glück? Und sind alle Menschen hier glücklich? Das kann man doch wirklich anzweifeln, deshalb finden wir den Slogan mittlerweile zu künstlich.“
"Wir finden den Glücksslogan mittlerweile zu künstlich“, sagt Dorji Dhradhul, Direktor des Tourismusrates.© Silke Diettrich, ARD-Studio Neu Delhi
Die alten Plakate und Flyer mit „Glück ist ein Ort“ liegen jetzt in unzähligen Kisten im Büro von Dorji Dhradhul, um sie zu entsorgen. Der neue Slogan hängt schon an seiner Wand und auf prangt auf Jutebeuteln. Er lautet: „Glaube!“
Wir wollen an unsere Zukunft glauben, die groß sein wird für uns. Wir wollen auch an uns selbst glauben, dass wir das schaffen. Wir sollten eigentlich schon ein gut entwickeltes Land sein, aber wir straucheln. Wir müssen zu viele Sachen importieren, weil wir selbst kaum etwas herstellen. Und wir dürfen unsere Werte dabei nicht verlieren, an die müssen wir weiterhin glauben.
Dorji Dhradhul, Direktor des Tourismusrates
Mit diesem Leitspruch will die Regierung die Menschen in Bhutan auf tief greifende Reformen vorbereiten. Sämtliche Beamtinnen und Beamte müssen jetzt Prüfungen durchlaufen, wer sie nicht besteht, muss gehen. Ähnliches gilt für die Tourismusführer, für Hotels und ihre Angestellten, für die Tourismusagenturen. Wer nicht professionell genug ist, muss verbessern oder schließen.
Gäste müssen 200 Euro pro Tag zahlen
Denn Bhutan setzt seit der Öffnung nach der Corona-Pandemie noch mehr als zuvor auf "Klasse statt Masse". Seitdem müssen fast alle Gäste rund 200 Euro für jeden Tag zahlen, an dem sie sich in Bhutan aufhalten. Sozusagen eine sehr teure Kurtaxe. Die bhutanische Regierung nennt es „Gebühr für nachhaltige Entwicklung“.
„Wir wollen jede und jeden in Bhutan willkommen heißen. Aber wir zielen auf Menschen ab, die bewusst reisen wollen. Die unsere Kultur respektieren, unsere Natur, unsere Regeln. Einfach Menschen, die auch unsere nationalen Werte und Ziele teilen.“
Ein Dorf in der Nähe der Kleinstadt Punakha ist nur über eine lange Hängebrücke zu erreichen. Über einen glasklaren Fluss herüber. Am Horizont saftig grüne Hügel. Bauern und Feldarbeiterinnen ernten Reis, ohne Maschinen, alles per Hand. Sie bündeln die langen Halme und schlagen die Rispen auf einen großen Stein. Die Reiskörner fallen auf eine Plastikplane herab.
Glück in der Heimat: Landwirtin Dawa ist zufrieden mit ihrem Leben und ihrer Arbeit und kommt deshalb gar nicht auf die Idee auszuwandern.© Silke Diettrich, ARD-Studio Neu Delhi
Dawa wischt sich den Schweiß von der Stirn und zieht die Ärmel ihres Pullovers hoch, auf dem in knallig pinker Farbe überall „Love“ geschrieben steht. Die 32-Jährige hat von ihrer Familie ein Stück Land geerbt und sich dann entschlossen, als Landwirtin zu arbeiten. Sie begrüßt auf Englisch:
„I forgot english now." Sie habe leider so viel verlernt, sagt sie. Bis zur 12. Klasse ist sie in die Schule gegangen. Und in den meisten wird auf Englisch unterrichtet. Dawa hatte schon davon profitiert, dass Kinder in Bhutan kostenlos eine gute Ausbildung erhalten:
Ich bin glücklich. In Bhutan stehen gerade viele Reformen an, gerade bei den Beamten. Aber ich bin ja keine Beamtin. Ich bin eine Landwirtin. Keiner gibt mir Befehle. Ich muss nirgendwo pünktlich in einem Büro erscheinen. Ich bin mein eigener Boss. Ich kann mir meine Zeit selbst einteilen. Das macht mich glücklich.
Dawa, Landwirtin
Hype um das Auswandern
Dawas Zähne und Lippen sind rötlich gefärbt. Sie schmatzt beim Sprechen, weil sie auf einer Betelnuss herumkaut. Das ist eine Tradition in Südasien, die schon mehrere Tausend Jahre alt ist. Das Kauen der Betelnuss bezeichnen einige als Volksdroge. Es hinterlässt eine angenehme, berauschende Wirkung und der Appetit geht verloren. Vielleicht trägt auch das dazu bei, dass Dawa sich gerade so glücklich fühlt.
Viele andere junge Leute aus ihrem Dorf, sagt sie, wollten lieber raus aus Bhutan:
„Viele wollen nach Australien, sogar meine Schwester plant das gerade. Das hat auch mit den Veränderungen bei den Staatsbeamten zu tun. Die Leute denken, wenn nicht einmal dieser Job sicher ist, dann versuche ich es besser woanders. Hunderte aus unserem Land gehen hier im Monat nach Australien.“
Es gibt keine gesicherten Zahlen darüber, wie viele Menschen Bhutan verlassen. Denn einige versuchen es mit einem Touristenvisum, andere über Studienvisa. Mehr als 30.000 Menschen aus Bhutan leben derzeit schon in Australien. Dawa und ihr Mann Namgay können den Hype um das Auswandern nicht ganz nachvollziehen:
„Unser Land ist doch wie ein Paradies. Wir haben hier keinen Krieg wie in anderen Ländern, wir betrügen einander nicht und wir leben glücklich unter unserem König, unser Land ist mit Glück gesegnet. Ich habe ausreichend zu essen, das meiste direkt von unserem Feld. Nur Öl und Salz muss ich noch dazu kaufen.“
Wie fast überall im Land hat das Ehepaar auch auf dem Dorf fast immer Strom und Internet. Sie sagen, sie hätten nicht das Gefühl, irgendetwas in ihrem Leben zu vermissen.
Staatsreligion: Etwa 73 Prozent der Bevölkerung gehören dem buddhistischen Glauben an. Deshalb sind sie glücklich, sagt Nonne Pema Choden.© Silke Diettrich, ARD-Studio Neu Delhi
So geht es auch Pema. Mit rund einem Dutzend anderer Nonnen sitzt sie im Gebetsraum eines Frauenklosters in der Nähe der Hauptstadt Thimphu.
Sie alle tragen rötlich violette Roben und lehnen sich im Schneidersitz an große Kissen an, während sie beten, oder einige von ihnen in die Dungchen blasen. Das sind sehr langhalsige traditionelle Trompeten.
Ich denke, die Menschen hier in Bhutan sind glücklich, weil wir alle Buddhisten sind. Wir sind gut zu Tieren und wir sind einfühlsame Menschen. Wir hören einander zu. Wir sind wie eine große Familie. Wir verspüren keinen großen Druck, können uns frei bewegen. Das ist aus meiner Sicht wahres Glück.
Pema Choden, Nonne
Damit dieses Glück auch weiterhin anhalten kann, würde Bhutan nun eine historische Transformation durchlaufen, sagt Azusa Kubota. Seit mehr als drei Jahren ist sie in Bhutan die Chefin des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen.
Verbesserungen mithilfe der Vereinten Nationen
Die Corona-Pandemie habe dabei vieles neu angestoßen. Innerhalb nur weniger Wochen waren alle Menschen im Land geimpft.
Es leben zwar nur rund 800.000 Menschen in Bhutan, aber weit verteilt in unzähligen Tälern und Bergen. Nun hat das Land zusammen mit den Vereinten Nationen verschiedene Apps entwickelt und sucht weiterhin nach Lösungen, um ein elektronisches Gesundheitssystem zu entwickeln:
„Ein Beispiel ist CTG. Das ist ein kleines Gerät, das wie ein Herz aussieht. Das legen schwangere Frauen auf ihren Bauch und die Informationen, die das Gerät herausliest, gehen direkt an die Frauenärzte im Land.
Auf diese Weise können die schwangeren Frauen lange Wege vermeiden oder eben umgekehrt, falls es Komplikationen gibt, können sie rechtzeitig Hilfe suchen. Das ist nur ein Beispiel von vielen, wie digitale Lösungen hier auch in Zukunft helfen sollen, Menschen Dienstleistungen näher zu bringen.“
Bhutan hat kaum Industrie, wegen der vielen Berge ist es dem Land kaum möglich, große Fabriken zu bauen. Strom gewinnt Bhutan aus Wasserkraftwerken und kann sogar so viel produzieren, dass der Verkauf von Strom nach Indien die Haupteinnahmequelle für das Land darstellt, neben dem Tourismus.
"Den Menschen mit digitalen Lösungen helfen", sagt Azusa Kubota, Chefin des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen in Bhutan.© Silke Diettrich, ARD-Studio Neu Delhi
Doch Indien investiert selbst viel in erneuerbare Energien. Bhutan muss sich für die Zukunft also neue Ziele setzen.
Einziges Land mit einer negativen CO2-Bilanz
Und die sollen weiterhin im Einklang mit Umweltschutz stehen. Bhutan ist derzeit das einzige Land der Welt mit einer negativen CO2-Bilanz, das heißt, das Land bindet mehr Kohlendioxid, als es ausstößt:
„Bhutan hat sich selbst dazu verpflichtet, CO2 neutral zu bleiben, auch in den nächsten Jahren. Der König hat das festgelegt und ich glaube, alle Menschen im Land stehen auch dahinter. Dafür jedoch muss das Land neue Technologien entwickeln, neue Strategien und andere Wege finden. Aber diese Transformation findet ja gerade statt und sie ist dringend notwendig.“
Auf dem Platz des Uhrenturms mitten in der Hauptstadt liegt ein Hipster-Café. Tshering Denker – große Hornbrille und breites Grinsen – trinkt hier einen Smoothie. Auf einer Glücksskala von null bis zehn liege ihr Leben bei neun, oder fast zehn, sagt die 32-Jährige und lacht:
„Generell sind die Leute hier schon ziemlich happy, denke ich. Viele Leute von außerhalb sagen: Du kommst aus dem Land des Glücks. Und ich kann da nur zustimmen.“
"Veränderungen sind unvermeidbar", meint Tshering Denker. Sie ist die erste Buddhistin in Bhutan, die einen Reiseblog betreibt.© Silke Diettrich, ARD-Studio Neu Delhi
Tshering ist die erste Reise-Video-Bloggerin aus Bhutan. Sie ist in jeden Winkel ihres Landes gereist, hat sämtliche Berge bestiegen und darüber ein Buch geschrieben. Vor allem aber hat sie Videos für ihren Vlog gemacht.
Leute in meiner Generation haben die Welt gesehen. Einige vielleicht eher durch die sozialen Netzwerke. Und ich glaube, gerade wir Millennials in Bhutan durchlaufen eine ziemliche Krise. Wer wollen wir sein und wer nicht? Können wir unsere eigene Kultur dabei bewahren? Als erste Generation, die all die Einflüsse von außen sehen kann: Das kann den Seelenfrieden schon stören. Das ist eine große Herausforderung für Bhutan, aber ich glaube, es muss sein, Veränderungen hier sind unvermeidbar.
Tshering Denker, Reise-Video-Bloggerin aus Bhutan
Aber sie selbst sei doch auch ein gutes Beispiel dafür, dass der vermeintliche Kultur-Clash auch etwas Positives hervorbringen könne, sagt Tshering stolz. Sie sei die erste Buddhistin, die einen Reiseblog gestartet hat, zu einer Zeit, in der kaum jemand in Bhutan wusste, was überhaupt ein Blog im Internet ist.
Sogar der König habe sie deswegen schon eingeladen und ihr Mut gemacht, diesen Weg weiterzugehen. Der Glaube an die Natur sei in ihrem Land tief mit dem Buddhismus verwurzelt.
Für kein Geld der Welt: Auf die über 6000 Meter hohen Berggipfel in Bhutan darf niemand klettern. Sie gelten als heilig.© imago / Danita Delimont / imago stock&people
Um die Berge zu schützen, darf niemand in Bhutan die Gipfel besteigen, die höher als 6000 Meter liegen. Es sind schon hohe Summen geboten worden, aber die Berge sind hier heilig:
„Wir leben nicht nur in Harmonie mit der Natur, sondern auch mit den Göttern. Es leben Götter und Geister auf den Bergen und wenn wir sie stören, wäre das ein großes Desaster für die Menschen im Tal.
Die Natur versorgt uns mit so vielem. Also ist es an uns, dass wir sie nicht komplett ausbeuten. Und deswegen besteigen wir eben auch nicht die höchsten Berge hier. Daher haben wir den zweithöchsten Berg der Welt hier, der nie bestiegen wurde.“
Bhutan ist voll mit Legenden von Göttern und Dämonen. Ist ein Ort voller Mystik und Zauber. Und das letzte Königreich im Himalaja, in dem die Menschen absolut von der Monarchie überzeugt sind.
Gleichzeitig ist Bhutan Vorreiter bei der Bewahrung von natürlichen Ressourcen und damit eines der sehr wenigen Länder auf der Welt, das sich an das Klimaabkommen von Paris hält. Und versucht, für die Zukunft eine Balance zu finden: zwischen buddhistischen Traditionen und modernen Technologien sein Glück zu finden.