"Ich fühl' mich wie in Deutschland”
Goethe-Institute gibt es an 159 Standorten in 98 Ländern. Eines der ältesten hat seit 1958 seinen Sitz in Kairo. Vor fünf Monaten wurde dort ein hochmoderner Neubau eingeweiht - und auch eine neue Bibliothek. Der Andrang der jungen Ägypter ist groß.
Es ist laut. Es ist hektisch im trostlos-grauen Häusermeer am Mesaha-Platz in Kairo. Doch gleich um die Ecke gibt es seit fünf Monaten eine Oase der Ruhe. Inmitten eines Palmengartens hat das Goethe-Institut hier einen Neubau errichtet und darin seine Bibliothek. Mit Blick ins Grüne, leuchtend orange-farbenem Interieur und gemütlichen, großen Sofa-Ecken.
"Ich bin erst zum zweiten Mal in der neuen Bücherei. Es ist super bequem hier, ruhig und offen für alle”, sagt Khaled:
"Wir haben uns hier gerade eine arabischsprachige Übersetzung des Philosophen Immanuel Kant angesehen.”
"Und Heidegger ...”, ergänzt seine Freundin Ebtessam.
Die meisten Besucher sind Studenten
Die meisten Besucher an diesem Tag sind ägyptische Studierende. Einige von ihnen lernen am Goethe-Institut Deutsch oder sind Germanistik-Studenten. Sie blättern in einer der zahlreichen deutschen Tageszeitungen, sitzen mit Laptop und dicken Wörterbüchern an Übersetzungen. Andere stehen neugierig vor den sogenannten Medientürmen, in denen Bibliotheksleiterin Abier Megahed und ihre Kollegen deutsche Neuerscheinungen und literarische Ereignisse präsentieren:
"Martin Walser wird in diesem Monat 90 und dazu haben wir einiges vorbereitet, an Texten, an Büchern. Es gibt aber auch andere Themen: Poetry Slam oder … wenn Welttag des Buches ist. Wir versuchen damit, unsere Benutzer über Deutschland, aber auch über die Szene in Deutschland zu informieren. Und die Bücher gehen dann wie heiße Semmeln weg. Die werden dann ausgeliehen."
An einem sogenannten "Selbstverbucher"-Platz können die Besucher die Bücher dabei ganz leicht selbst ausleihen. Schräg gegenüber blickt der alte Goethe in Form einer Bronze-Büste in die Runde, auf Info-Tafeln mit bunter LED-Laufschrift und einen riesigen Flachbildschirm, der auf Veranstaltungen hinweist.
Was noch auffällt: Die langen Bücherregale, vollgepackt mit deutscher und aus dem Deutschen übersetzter Literatur, sind fast völlig aus dem Blickfeld der Besucher verschwunden. Entweder sind sie nur hüfthoch und in Tische mit Arbeitsplätzen integriert oder sie befinden sich mit der verschlossenen Regal-Rückseite am Rand des Raumes liegend. Mit Absicht, wie die Düsseldorfer Architektin Sabine Weismüller erklärt:
Motto: "Die smarte Oase"
"Für uns war der Punkt, dass das ein Ort ist für Beziehungen, natürlich zu Büchern und Kultur und so weiter, aber auch für Beziehungen zu Menschen. Und das Motto, was dann kam, war: 'Die smarte Oase.' Das heißt: Die Oase ist die arabische Gastfreundschaft, jemand willkommen heißen. Deshalb Sessel und Sofas, und es ist bequem und es hat schöne Farben. Aber die Oase ist auch ein Ort für den Wissensdurst, den man hier stillen kann. Und das 'smart' ist das Neue, die digitalen Medien, die man sich hier eben auch erschließen kann."
Zum Beispiel im "Sonic Chair”, einem halbkugelförmigen Sessel mit eingebauten Lautsprechern.
"Bitte sehr ... dann Arabisch …"
Mitarbeiterin Lubna Mohamed zeigt einer Besucherin auf dem Ipad die Funktionen.
"Dadrin kann man Musik hören, Filme anschauen oder E-Books hören. Das ist ganz neu in Ägypten und was ganz besonders ist, dass die Stimme oder die Musik aus dem Stuhl selbst kommt. Und vielleicht kann man in Zukunft auch Kaffee zur gleichen Zeit trinken. Das ist gemütlich, glaub ich ..."
"Sehr gut ..."
... findet Aya. Die Germanistik-Studentin kommt regelmäßig hierher, um sich deutschsprachige Literatur auszuleihen, heute ein Buch von Hertha Müller, wie die 21-Jährige schüchtern zeigt.
Aya hat fast alles von Hertha Müller gelesen
"Ich habe einen Roman von Hertha Müller ausgeliehen. Er heißt: 'Mein Vaterland war ein Apfelkern.' Ich habe viele Romane von Hertha Müller schon gelesen und habe viel daraus gelernt. Die ganze Bibliothek gefällt mir sehr."
"Deine Bibliothek, Dein Ort”, so das Motto des deutschen Kulturinstitutes in Kairo. Für Leiterin Abier Megahed bedeutet das:
"Dass wir wirklich einen Ort anbieten wollen, nicht nur zum Arbeiten, sondern einen Ort, der frei ist, wo man eben über Themen diskutieren kann, über die man heutzutage, in diesen schwierigen Zeiten nicht so sprechen darf. Und darauf bin ich stolz. Es ist ein Freiraum."
Auch für ägyptische Schriftsteller. Denn anders als sonst in Goethe-Instituten üblich, wo in der Regel Literatur mit Deutschland-Bezug präsentiert wird, veranstaltet man in Kairo jetzt auch einmal monatlich Lesungen einheimischer Autoren.
"Am Freitag begann mit seinem neuesten Roman der Autor Mohamed Abdel Nabi."
"Und zwar geht es um Homosexualität. Und das hätte man so in Kairo nicht einfach besprechen können, aber hier am Goethe-Institut, in der Bibliothek schon."
Das Konzept der neuen Goethe-Bibliothek kommt bei den jungen Ägyptern gut an:
"Ja, es ist mehr cool geworden."
"Ich fühl' mich hier wie in Deutschland."