Die Biennale Architettura in Venedig wird vom 22. Mai bis 21. November 2021 stattfinden.
Bauwerke für das Zusammenleben der Zukunft
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Die Architekturbiennale 2021 blickt in die Zukunft und fragt sich, wie wir als Gesellschaften leben werden. Online können die Teilnehmerstaaten schon vorab ihre Ideen präsentieren. Ein Überblick von Architekturkritiker Nikolaus Bernau.
Die Architekturbiennale in Venedig ist das wichtigste Festival seiner Art weltweit, musste aber wie alle vergleichbaren Festivals coronabedingt 2020 verschoben werden, zunächst vom Frühjahr auf den August, dann auf das Frühjahr nächsten Jahres.
Ihr Generalthema wird sein: Wie werden wir zusammenleben? Angesichts von Klimawandel, Corona, Brexit, dem Aufstieg Chinas und autoritären Bewegungen keine kleine Frage. Also bereitet sich die Architekturbiennale schon mal online vor: Die Teilnehmerstaaten und die Organisatoren der Biennale um den amerikanischen Architekturtheoretiker und aktuellen Chefkurator Hashim Sarkis können Vorträge, Interviews, historische und neue Filme ins Internet stellen.
Vom Ökohaus bis Wassersymbolik
Da feiert etwa Finnland sein Sozialbauprogramm der 1940er-Jahre, als Zehntausende von Holzhäusern der staatlichen Firma "Puutalo" – was Holzhaus heißt – innerhalb kürzester Zeit vorproduziert, zusammengenagelt und bezogen wurden. Häuser, die bis in die letzte Fuge öko waren, indem etwa Holzwolle für die Isolierung und Pappe für die Innenverkleidung der Wände genutzt wurde, die fest eingebaute Standardküchen hatten – mit dem bald legendären Geschirrabtropfschrank über der Spüle von Maiju Gebhard. Ein Musterbeispiel, wie man auf knappem Raum und mit knappen Mitteln hervorragende Architektur für alle schaffen kann.
Die Volksrepublik China stilisiert das Hofhaus der Han-Chinesen zum Rollenvorbild für alle Bürger, also auch die vielen Minderheiten – und behauptet kühn, dass dieses Hofhaus das Idealbild einer harmonisch zusammenlebenden Gesellschaft sei. Die chinesische Literatur sieht es eher als Symbol ununterbrochener Familien- und Klassenkonflikte. Lassen wir das.
Dänemark führt schon mal vor, wie es Wasser als Symbol dafür inszenieren will, dass wir alle zusammengehören – und am Ende alles im Meer landet, die kleine Umweltverschmutzung irgendwo also Riesenfolgen an anderer Stelle haben kann. Die Deutschen wiederum, darin folgen sie den inzwischen international bekannten Vorbehalten des Landes gegen die Computerisierung des Lebens, haben ihren Pavillon noch nicht präsentiert.
Die Realität überholt die Onlinebeiträge
Manchmal wird auch diese Biennale schon in ihrer Vorbereitung von den Zeitumständen überholt: Hashim Sarkis lobt in einem Podcast-Vortrag das umstrittene technische Deichtorsystem Mo.S.E. überschwänglich, das Venedig vor Hochwassern und den Folgen des Klimawandels bewahren soll. Dumm nur, dass die Stadt weniger durch Klimawandel als vielmehr durch den unverantwortlichen Umgang mit der Lagunenökologie bedroht ist – und, obwohl Mo.S.E. gerade erst eingeweiht wurde, in dieser Woche wieder unter Wasser stand. Mo.S.E. wirkt nämlich erst ab einer gewissen Wasserhöhe.
Das sind die Tücken der Geotechnologie und der von Sarkis hochgelobten "Geoarchitecture". Er spricht übrigens – darin ganz klassisch westlicher Architekt – von Architektur vor allem als einem technischen und planerischen Prozess, nicht aber von ökologischen oder sozialen Umständen, in der sie entsteht.
Ach so, und dann gibt es noch eine Spotify-Playlist, die bisher vor allem durch elegante Popmusik auffällt, aber mal wieder in falsch verstandener Jugendlichkeit klassische Musik – egal welcher Kultur – auslässt. Aber es ist ja noch ein halbes Jahr Zeit, um die Liste und die Online-Architekturbiennale aufzufüllen.