Berlin Biennale

Künstlerprotest gegen Folterbilder

06:22 Minuten
Außenansicht des Hamburger Bahnhofs - Museum für Gegenwart in Berlin
Die Werke des französischen Künstlers Jean-Jaques Lebel sind im Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart in Berlin zu sehen. © LauraFiorio
Carsten Probst im Gespräch mit Britta Bürger · 03.08.2022
Audio herunterladen
In seiner Installation „Lösliches Gift“ im Hamburger Bahnhof in Berlin benutzt Jean-Jacques Lebel schockierende Bilder von Folterpraktiken des US-Militärs im Irak. Das empört irakische Künstler bei der Berlin Biennale: Sie sprechen von Retraumatisierung.
Im Gefängnis von Abu Ghraib wurden während der letzten Irak-Invasion der USA zahlreiche irakische Gefangene durch amerikanische Militärangehörige gefoltert. Bekannt wurden die menschenverachtenden und extrem erniedrigenden Praktiken erst 2004 durch ein Datenleak von Fotos, die die Folterer selbst von ihren Opfern gemacht hatten und die an die Weltöffentlichkeit gelangten.
Bis heute kursieren einige der Aufnahmen. Der französische Aktivist und Aktionskünstler Jean-Jacques Lebel machte aus stark vergrößerten Ausschnitten dieser Bilder 2013 eine labyrinthartige, begehbare Installation, mit der er zum Widerstand gegen Krieg und Gewalt aufrufen will.
Ein irakischer Soldat schließt eine Zellentür im Gefängnis Abu Ghraib.
Im Gefängnis Abu Ghraib im Irak spielten sich unter US-amerikanischer Besatzung menschenunwürdige Szenen ab.© picture alliance / AP Photo
Die Arbeit wurde seither schon öfter ausgestellt, so auch auf der aktuellen Berlin Biennale, die Mitte Juni eröffnet wurde. Dort aber regt sich nun Protest. Eine Gruppe von Künstler:innen beschuldigt die Organisator:innen, mit der Ausstellung der Werke die Opfer von damals erneut zu erniedrigen und sie auch nicht um ihre Einwilligung zur Verwendung der Bilder gebeten zu haben. Auf diese Weise würde die erniedrigende Praxis der Folterknechte von damals noch erweitert, so der Einspruch.
Die harten Vorwürfe richten sich vor allem gegen Kurator Kader Attia, der selbst mit dieser Biennale den Blick auf Gewalt und Willkürregime in aller Welt lenken will.

Die Komposition ist entscheidend

Kunstkritiker Carsten Probst hat das Werk von Jean-Jacques Lebel in Berlin bereits gesehen und kann die Kritik nachvollziehen: "Das Thema von Lebel ist eigentlich nicht die Situation der Iraker damals, sondern die perfide Folterpraxis der amerikanischen Soldatinnen und Soldaten." Insofern passe die Arbeit nicht wirklich zu Werken von irakischen Künstler:innen, die den Widerstand aus dem Inneren thematisieren.
Allerdings verstehe Probst den Vorwurf nicht, dass Jean-Jacques Lebels Werke die Strategie der Täter von damals noch erweitern würden. "Lebel hat immer gegen Gewalt und alle möglichen Folterpraktiken agitiert und das auch immer sehr politisch und überzeugend", sagt der Kunstkritiker.

"Kuratorisch eine ungünstige Entscheidung"

Jean-Jacques Lebels Installation wurde bereits 2018 im Pariser Palais de Tokyo in einer gemeinsamen Ausstellung mit dem jetzigen Biennale-Kurator Kader Attia gezeigt. "Niemand ist damals auf die Idee gekommen, diese Arbeit derart anzugreifen, wie es jetzt geschehen ist", kritisiert Carsten Probst. Kuratorisch sei es aber schon damals eine ungünstige Entscheidung gewesen.

Abonnieren Sie unseren Hörspiel-und-Feature-Newsletter!

Wöchentlich erhalten Sie mit diesem Newsletter Informationen zu den wichtigsten Hörspielen, Features und anderen Hörstücken unserer Sender.

Vielen Dank für Ihre Anmeldung!

Wir haben Ihnen eine E-Mail mit einem Bestätigungslink zugeschickt.

Falls Sie keine Bestätigungs-Mail für Ihre Registrierung in Ihrem Posteingang sehen, prüfen Sie bitte Ihren Spam-Ordner.

Willkommen zurück!

Sie sind bereits zu diesem Newsletter angemeldet.

Bitte überprüfen Sie Ihre E-Mail Adresse.
Bitte akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung.
Zwar plädiert der Kunstkritiker für die Beibehaltung der jetzigen Ausstellung von Jean-Jacques Lebel im Rahmen der Berlin Biennale, allerdings müsse es Konsequenzen für folgende Kurationen solcher Arbeiten geben.
"Lebel ist ein bedeutender Künstler, der über jeden Vorwurf erhaben ist, das Leid von Gewaltopfern irgendwie zu instrumentalisieren. Nur die kuratorische Entscheidung, diese Arbeit direkt mit den Arbeiten von betroffenen Künstler:innen aus dem irakischen Widerstand direkt dort in der Umgebung zu platzieren, war ungeschickt", so Probst. Dem müsse nun vonseiten der Berlin Biennale Rechnung getragen werden.
(lsc)

Die Berlin Biennale findet vom 11. Juni bis zum 18. September 2022 an sechs unterschiedlichen Ausstellungsorten in Berlin statt und widmet sich laut eigener Aussage der Frage, wie Kolonialismus und Imperialismus in der Gegenwart fortwirken.

Mehr zum Thema