Der diplomatische Kurator
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Yilmaz Dziewior wird 2021 den deutschen Pavillon bei der Biennale in Venedig kuratieren. Der Direktor des Museums Ludwig in Köln übte dort den Spagat zwischen Demontage und Präsentation der Kunstgeschichte, kommentiert Rudolf Schmitz.
So kantig, eigenwillig und durchgeknallt wie Susanne Pfeffer, die mit ihrer Schau von Anne Imhoff 2017 den Goldenen Löwen für den besten nationalen Beitrag der Biennale Venedig abräumte, ist er zweifellos nicht.
Yilmaz Dziewior beherrscht die Diplomatie des wohlgerundeten Wortes, in einer ersten Reaktion auf die Ernennung nannte er als wesentliche Frage die "gesellschaftliche Bedeutung von kultureller Produktion".
Na, da sind wir uns sicher alle einig. Das wirkt jetzt nicht wie eine erregende Botschaft zur deutschen Selbstdarstellung im Venedig von 2021.
Ein fortwährender Spagat
Seine Arbeit im Kölner Museum Ludwig beschrieb Yilmaz Dziewior als "Dekolonisierung", als "Institutionskritik", als Demontage der einen, selig machenden Kunstgeschichte.
Wenn man allerdings den Kanon der angeblich wichtigen und entscheidenden Kunstwerke infrage stellen will und gleichzeitig eine gewichtige Museumssammlung zu verwalten hat, dann ähnelt das einer Quadratur des Kreises. Einem fortwährenden Spagat.
Es ging Yilmaz Dziewior darum, die Blicke, die auf die Sammlung und die zeitgenössische Kunst fallen, zu vervielfältigen. Und dabei den Bestand nicht zu denunzieren. Eine durchaus heikle Aufgabe, die allein durch Zukäufe entsprechender Künstler wie Teresa Burga, Lubaina Himid, Marta Minujin oder Nil Yalter nicht wirklich zu bewältigen ist.
Mit einer für Juni geplanten Ausstellung, "Mapping the Collection", kündigt Dziewior an, den Blick auf die US-amerikanische Kunst der 1960er und 1970er Jahre durch Arbeiten von weiblichen, queeren, indigenen KünstlerInnen sowie Artists of Color zu erweitern und zu erneuern. Man darf gespannt sein auf diese kritische Hinterfragung.
Bauen, Basteln und Improvisieren
Was den deutschen Beitrag für Venedig angeht, so könnten nicht nur die Erkenntnisse der Coronakrise, sondern auch der von Yilmaz Dziewior mitunterzeichnete Aufruf zur Nachhaltigkeit in Museen erste Hinweise geben.
Wenn jedenfalls die Kunst "eine echte Ressource im Kampf gegen Umweltzerstörung" werden soll, dann wird sich das in Venedig zeigen müssen. Denn die verkehrstechnische Logistik zur Herbeischaffung entsprechender Kunstwerke ist für Venedig besonders herausfordernd, um nicht zu sagen: äußerst verschwenderisch. Da hilft nur: Bauen, Basteln und Improvisieren vor Ort.
Musterknabe sein macht Job nicht leicht
Ein Musterknabe in Sachen politischer Korrektheit, gendermäßiger Empfindsamkeit, globaler Verantwortlichkeit zu sein, macht den Job nicht grade leicht. Vor allem, wenn dann noch Originalität erwartet wird.
Die Latte ist, wie immer, hochgelegt. Das macht Venedig, so insular es auch scheinen mag, immer wieder zur olympischen Herausforderung. Yilmaz Dziewior jedenfalls traut sich den Sprung zu. Und da möchte man viel Glück wünschen.