Biennale von Havanna

Boykottaufruf für die Freiheit

05:52 Minuten
Die Skyline von Havanna auf Kuba
Kritik aus der Bevölkerung wird in Kuba brutal unterdrückt: Es gibt Tausende willkürlich verhafteter Demonstranten. © imago images / Joana Kruse
Von Peter Schumann |
Audio herunterladen
Kubanische Künstler rufen zu einem internationalen Boykott der Biennale in Havanna auf. Sie kritisieren, wie heftig die Regierung auf Proteste im Juli 2021 reagiert hat. Hunderte sitzen seitdem im Gefängnis, die Strafen sind mitunter drakonisch.
Die große Überraschung bezüglich der 14. Biennale von Havanna ist der Termin: Vom 12. November 2021 bis zum 30. April 2022 soll sie dauern. Über nahezu ein halbes Jahr soll sich Kubas wichtigstes offizielles Kunstereignis erstrecken, bislang war es lediglich ein Monat.

Biennale mit Nachhaltigkeits-Anspruch

In drei Phasen, drei sogenannten "Erfahrungen", soll die Veranstaltung ablaufen: Am Anfang werden theoretische Diskussionen, dann die kubanische Kunst im Mittelpunkt stehen, und schließlich soll es eine "von verschiedenen Kuratoren inszenierte Schau diverser Projekte" geben. Doch wozu muss das Ganze über ein halbes Jahr laufen? Dazu sagte Nelson Ramírez, Direktor der Biennale, auf einer Pressekonferenz:
"Wir wollen eine tragbare Biennale machen mit einem möglichst geringen Etat und möglichst geringen Auswirkungen auf den Planeten. Dazu gehören auch die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, in die alle Länder der Welt durch die Pandemie geraten sind. Eine Biennale mit großen Kosten widerspräche auch der Idee, das Leben auf dem Planeten lebenswert zu gestalten. Deshalb haben wir uns entschieden, die 14. Biennale von Havanna auf sechs Monate auszuweiten."
Es ist pure Augenwischerei, Kuba als ein Land darzustellen, das wie so viele andere "auf dem Planeten" durch die Pandemie in eine Krise geraten sei. Die Insel leidet seit Langem unter elementaren Versorgungsproblemen: ständige Stromsperren und ein marodes Gesundheitswesen, Probleme, die durch die Pandemie und die unsinnigen US-amerikanischen Restriktionen verschärft und noch sichtbarer geworden sind.

Drakonische Strafen nach friedlichem Protest

Hinzu kommt eine dramatische Unterdrückungspolitik seit dem Volksaufstand vom 11. Juli 2021. Ein Vertreter der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch resümierte in der letzten Woche:
"Die kubanische Regierung hat mit brutaler Repression auf jene reagiert, die es sich am 11. Juli erlaubt haben, friedlich für ihre Rechte zu demonstrieren. Wir haben mehr als tausend willkürlich Verhaftete dokumentiert, von denen sich noch immer mehr als 500 im Gefängnis befinden. 67 wurden verurteilt, zu teilweise drakonischen Strafen, nur weil sie protestiert haben."

Inhaftierte Kulturschaffende freilassen

Zu den Inhaftierten gehören auch zahlreiche Kulturschaffende wie Luis Manuel Otero Alcántara und Maykel Osorbo, zwei der bekanntesten Vertreter des kulturellen Widerstands. Deshalb haben mehr als 400 kubanische und internationale Künstlerinnen und Künstler zum Boykott der Biennale aufgerufen. Unter ihnen Tania Bruguera, die renommierteste Gegenwartskünstlerin der Insel. Sie sagte vor Kurzem:
"Die Biennale ist immer ein wichtiges Ereignis für die kubanischen Künstler und die Kunst außerhalb Kubas gewesen. Aber solange hier Kunstschaffende in Haft sind, haben viele von uns angekündigt, die kommende Biennale zu boykottieren. Und ich rufe die Künstler in Deutschland und im Ausland auf, nicht teilzunehmen. Denn es ist unmoralisch, solange auch nur ein kubanischer Künstler in Haft ist, wenn Künstler aus aller Welt durch ihre Anwesenheit dieses staatliche Projekt legitimieren."
Macht Kunst mit politischer Dimension: Tania Bruguera 
Macht Kunst mit politischer Dimension: Tania Bruguera © imago images / Martin Seeliger
Tania Bruguera hat selbst unter dem Regime gelitten, weil sie mit ihren politischen Performances dessen autoritären Charakter immer wieder entlarvt hatte. Vor Jahren bereits wurde sie kaltgestellt, zuletzt lebte sie monatelang im Hausarrest unter völliger Isolierung. Im August wurde sie ins US-amerikanische Exil abgeschoben.

Freilassung mit Verbannung

Das ist eine neue, perverse Taktik des Regimes: Bekannte Oppositionelle aus der Haft zu entlassen, wenn sie sich bereit erklären, dem Land auf Nimmerwiedersehen den Rücken zu kehren. Hamlet Lavastida, dem ehemaligen Stipendiaten des Berliner Künstlerhauses Bethanien, ist es genauso ergangen. Auch er ist gegen die diesjährige Biennale.
"Ich unterstütze den Boykott, weil in den letzten Jahren verschiedene Gesetze geschaffen wurden, die unsere in der Verfassung garantierten Grundrechte beschneiden wie die Meinungsfreiheit, die Versammlungs- und die Demonstrationsfreiheit. Und weil viele Personen in Haft sind, die diese Freiheiten reklamierten. Und weil die offiziellen Kulturinstitutionen, das Kulturministerium an der Spitze, sie nicht verteidigt, sondern sogar diffamiert haben."
Der Zeitrahmen der Biennale dürfte wohl auch deshalb auf ein halbes Jahr gestreckt worden sein, damit die zu erwartenden Konflikte mit Oppositionellen sich totlaufen. Als nächste Aktion des Widerstands haben Kulturschaffende für die Anfangstage einen Friedensmarsch angekündigt.
Mehr zum Thema