Big Brother aus der Steckdose
Wer seine Nachttischlampe anknipst, gibt auch etwas über sein Privatleben preis. Zumindest, wenn er einen intelligenten Stromzähler nutzt. Wenn solche Zähler flächendeckend eingeführt werden, sollte man sich bei seinem Anbieter sehr genau über die Verwendung der Daten informieren.
Intelligente Stromzähler, so genannte SmartMeter, können Stromverbrauchsdaten sekundengenau erfassen und analysieren. Im Zuge der Energiewende sollen sie bald in allen Haushalten Vorschrift werden. Zum Stromsparen ist das sinnvoll – aber in punkto Datenschutz längst nicht geregelt. Dazu Ulrich Greveler, IT-Sicherheitsexperte:
"Ich kann herausfinden, wie viele Personen zu Hause sind und welchen Lebenswandel sie führen. Wann sie schlafen und wann sie das Haus verlassen. Ich kann also recht tief in die Privatsphäre eingreifen."
Und Moritz Karg, Datenschützerm sagt:
"Dieser Stromverbrauch ist somit auch ein Spiegelbild dessen, wie ich mein Leben gestalte. Und das ist die Gefahr, vor der wir warnen, dass dadurch tatsächlich der gläserne Mensch entsteht."
Ulrich Greveler sieht fast alles. Der IT-Spezialist sitzt an seinem Computer – und schaut so einer Essener Familie beim Leben zu. Die Familie hat keine Überwachungskameras in ihrer Wohnung installiert – sondern lediglich einen intelligenten Stromzähler, auch SmartMeter genannt. Die Ruhrgebietsfamilie reizte die neue Technologie und die Aussicht, mit ihrer Hilfe die Stromkosten zu senken.
"Wir haben einen Live-Zugriff und können dort sekundengenau sehen, welche Geräte ein- und ausgeschaltet werden und dann Verbrauchsmuster erkennen. Ich sehe zum Beispiel, dass mittags gekocht wird, das Einschalten von Mikrowelle oder Herdplatten."
Ulrich Greveler erklärt, wie ein intelligenter Stromzähler funktioniert: Er misst alle zwei Sekunden den Stromverbrauch der Essener Familie und verschickt diese Information über das Internet an den Energieversorger. Das geübte Auge kann aus diesen Daten ziemlich viel über den Kunden und seinen Stromverbrauch erfahren. Bis hin zu intimsten Bereichen.
"Wir sehen die Türklingel. Dann kam jemand zu Besuch. Dass dann auch zwei Personen über Nacht da waren, das sieht man zum Beispiel an verschiedenen Lampen oder auch daran, dass morgens zwei Personen geduscht haben hintereinander. Und auf diese Weise können wir tatsächlich sehr tiefe Einblicke in einen privaten Haushalt gewinnen, obwohl wir uns nur den Stromverbrauch anschauen."
Ulrich Greveler ist Professor für IT-Sicherheit an der FH Münster-Steinfurt. Zusammen mit seinen Studenten untersucht er, was SmartMeter können – und wie sicher sie in punkto Datenschutz sind. Den Studenten hat die Essener Familie den Online-Zugriff erlaubt – sicher sind die Daten aber auch vor anderen nicht.
"Wir haben konkret das Angebot einer Firma getestet, Discovergy in Aachen. Da haben wir leider festgestellt, dass entgegen der vertraglichen Zusicherung diese Daten nicht verschlüsselt wurden. Das hat zur Folge, dass jemand diese Daten, die übers Internet übertragen werden, ablauschen kann."
Erschreckende Sicherheitslücken, die schnell geschlossen werden sollten, mahnt der IT-Experte. Denn digitale Stromzähler werden bald in jedem Haushalt hängen. Und ganz egal, ob dann die Schreibtischlampe angeknipst wird oder der Haarfön summt – intelligente Stromzähler registrieren Stromverbrauchsdaten alle 15 Minuten, manche sogar sekundengenau.
Aber sie erfassen die Daten nicht nur, sondern speichern sie auch und leiten sie weiter. SmartMeter sind damit ein wichtiger Baustein der Energiewende: Netzbetreiber können so Verbrauchsspitzen erkennen und gezielt Strom einspeisen. Morgens um halb acht zum Beispiel, wenn sich zeigt, dass dann in vielen Haushalten die Kaffeemaschinen heiß laufen.
Auch der Stromkunde wie die Essener Familie könnte profitieren, denn sie kann jetzt mittels Verbrauchsanalyse Stromfressern auf die Spur kommen. In Zukunft - wenn Strompreise über den Tag variieren - sollen SmartMeter sogar Haushaltsgeräte gezielt ein- und ausschalten. Einen Trockner zum Beispiel, wenn Strom im Netz zu einem günstigen Preis verfügbar ist. Grundsätzlich also eine gute Sache. Was den Datenschutz angeht, aber noch völlig unausgegoren – kritisiert Moritz Karg vom Unabhängigen Landesamt für Datenschutz in Kiel:
"Nach dem neuen Energiegesetz ist der Kunde verpflichtet, das zu dulden, wenn der Energieversorger sagt: Ich baue jetzt einen intelligenten Zähler ein. Wir sind da wirklich in einem Dilemma: Dass wir die gesetzliche Verpflichtung haben, das zu dulden als Einzelner, aber die datenschutzrechtlichen Grundlagen noch gar nicht ausformuliert sind."
Schon jetzt ist der Einbau von intelligenten Stromzählern in Neubauten und nach Kernsanierungen vorgeschrieben. Und bundesweit haben die großen Energieversorger bereits etliche hundert Haushalte mit SmartMetern versorgt – im Rahmen von Pilotprojekten wie dem von Vattenfall in Berlin zum Beispiel.
"Zukünftig wird es so sein, dass Sie entweder über ein Handynetz oder die Stromversorgung selber die Information versenden können. Und der Einzelne wird das vielleicht gar nicht mehr mitbekommen. Und das ist eben die Gefahr: Heute habe ich die Kontrolle, morgen dann nicht mehr. Die Informationen gehen einfach raus."
Big Brother aus der Steckdose. Moritz Karg vergleicht die Möglichkeiten intelligenter Stromzähler mit der Datensammelwut des sozialen Netzwerks Facebook. Mit einem heiklen Unterschied:
"Während bei Facebook man sagen kann: Da mach ich nicht mit. Ob ich mich Facebook ausliefere oder auch nicht, geht das beim Energieverbrauch nicht. Und da sehen wir, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gar nicht mehr gegeben ist."
Facebook sei nicht lebensnotwendig, meint Karg, Strom dagegen schon. Und so kann theoretisch der Stromversorger, der Netzbetreiber oder ein Ablesedienst Oma Käthe beim Staubsaugen, Bügeln und Wäschewaschen zuschauen. Die Steckdose saugt Alltags-Informationen ab. Bis hin zum eingeschalteten Fernsehprogramm. Intelligente Stromzähler ermöglichen deswegen Datenmissbrauch auf vielen Ebenen, meint IT-Sicherheitsexperte Ulrich Greveler:
"Es ist denkbar, dass ich auch mal gezielt auswerte, welche Sender eine bestimmte Person schaut. Das wäre dann ein enormer Missbrauch, weil ich dann Menschen herausziehe, die politische Sendungen anschauen."
Der Fachmann rät deswegen:
"Wenn ein Stromkunde davon Kenntnis hat, dass ein Smartmeter eingebaut wird, sollte er Fragen stellen: Welche Daten werden erhoben? An wen werden diese Daten weitergegeben? Wie werden diese Daten geschützt? Und insbesondere: Wann werden sie wieder gelöscht?"
Gegen den Einbau eines SmartMeters kann man sich zwar nicht wehren, gegen den wahllosen Umgang mit Daten allerdings schon.
"Ich kann herausfinden, wie viele Personen zu Hause sind und welchen Lebenswandel sie führen. Wann sie schlafen und wann sie das Haus verlassen. Ich kann also recht tief in die Privatsphäre eingreifen."
Und Moritz Karg, Datenschützerm sagt:
"Dieser Stromverbrauch ist somit auch ein Spiegelbild dessen, wie ich mein Leben gestalte. Und das ist die Gefahr, vor der wir warnen, dass dadurch tatsächlich der gläserne Mensch entsteht."
Ulrich Greveler sieht fast alles. Der IT-Spezialist sitzt an seinem Computer – und schaut so einer Essener Familie beim Leben zu. Die Familie hat keine Überwachungskameras in ihrer Wohnung installiert – sondern lediglich einen intelligenten Stromzähler, auch SmartMeter genannt. Die Ruhrgebietsfamilie reizte die neue Technologie und die Aussicht, mit ihrer Hilfe die Stromkosten zu senken.
"Wir haben einen Live-Zugriff und können dort sekundengenau sehen, welche Geräte ein- und ausgeschaltet werden und dann Verbrauchsmuster erkennen. Ich sehe zum Beispiel, dass mittags gekocht wird, das Einschalten von Mikrowelle oder Herdplatten."
Ulrich Greveler erklärt, wie ein intelligenter Stromzähler funktioniert: Er misst alle zwei Sekunden den Stromverbrauch der Essener Familie und verschickt diese Information über das Internet an den Energieversorger. Das geübte Auge kann aus diesen Daten ziemlich viel über den Kunden und seinen Stromverbrauch erfahren. Bis hin zu intimsten Bereichen.
"Wir sehen die Türklingel. Dann kam jemand zu Besuch. Dass dann auch zwei Personen über Nacht da waren, das sieht man zum Beispiel an verschiedenen Lampen oder auch daran, dass morgens zwei Personen geduscht haben hintereinander. Und auf diese Weise können wir tatsächlich sehr tiefe Einblicke in einen privaten Haushalt gewinnen, obwohl wir uns nur den Stromverbrauch anschauen."
Ulrich Greveler ist Professor für IT-Sicherheit an der FH Münster-Steinfurt. Zusammen mit seinen Studenten untersucht er, was SmartMeter können – und wie sicher sie in punkto Datenschutz sind. Den Studenten hat die Essener Familie den Online-Zugriff erlaubt – sicher sind die Daten aber auch vor anderen nicht.
"Wir haben konkret das Angebot einer Firma getestet, Discovergy in Aachen. Da haben wir leider festgestellt, dass entgegen der vertraglichen Zusicherung diese Daten nicht verschlüsselt wurden. Das hat zur Folge, dass jemand diese Daten, die übers Internet übertragen werden, ablauschen kann."
Erschreckende Sicherheitslücken, die schnell geschlossen werden sollten, mahnt der IT-Experte. Denn digitale Stromzähler werden bald in jedem Haushalt hängen. Und ganz egal, ob dann die Schreibtischlampe angeknipst wird oder der Haarfön summt – intelligente Stromzähler registrieren Stromverbrauchsdaten alle 15 Minuten, manche sogar sekundengenau.
Aber sie erfassen die Daten nicht nur, sondern speichern sie auch und leiten sie weiter. SmartMeter sind damit ein wichtiger Baustein der Energiewende: Netzbetreiber können so Verbrauchsspitzen erkennen und gezielt Strom einspeisen. Morgens um halb acht zum Beispiel, wenn sich zeigt, dass dann in vielen Haushalten die Kaffeemaschinen heiß laufen.
Auch der Stromkunde wie die Essener Familie könnte profitieren, denn sie kann jetzt mittels Verbrauchsanalyse Stromfressern auf die Spur kommen. In Zukunft - wenn Strompreise über den Tag variieren - sollen SmartMeter sogar Haushaltsgeräte gezielt ein- und ausschalten. Einen Trockner zum Beispiel, wenn Strom im Netz zu einem günstigen Preis verfügbar ist. Grundsätzlich also eine gute Sache. Was den Datenschutz angeht, aber noch völlig unausgegoren – kritisiert Moritz Karg vom Unabhängigen Landesamt für Datenschutz in Kiel:
"Nach dem neuen Energiegesetz ist der Kunde verpflichtet, das zu dulden, wenn der Energieversorger sagt: Ich baue jetzt einen intelligenten Zähler ein. Wir sind da wirklich in einem Dilemma: Dass wir die gesetzliche Verpflichtung haben, das zu dulden als Einzelner, aber die datenschutzrechtlichen Grundlagen noch gar nicht ausformuliert sind."
Schon jetzt ist der Einbau von intelligenten Stromzählern in Neubauten und nach Kernsanierungen vorgeschrieben. Und bundesweit haben die großen Energieversorger bereits etliche hundert Haushalte mit SmartMetern versorgt – im Rahmen von Pilotprojekten wie dem von Vattenfall in Berlin zum Beispiel.
"Zukünftig wird es so sein, dass Sie entweder über ein Handynetz oder die Stromversorgung selber die Information versenden können. Und der Einzelne wird das vielleicht gar nicht mehr mitbekommen. Und das ist eben die Gefahr: Heute habe ich die Kontrolle, morgen dann nicht mehr. Die Informationen gehen einfach raus."
Big Brother aus der Steckdose. Moritz Karg vergleicht die Möglichkeiten intelligenter Stromzähler mit der Datensammelwut des sozialen Netzwerks Facebook. Mit einem heiklen Unterschied:
"Während bei Facebook man sagen kann: Da mach ich nicht mit. Ob ich mich Facebook ausliefere oder auch nicht, geht das beim Energieverbrauch nicht. Und da sehen wir, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gar nicht mehr gegeben ist."
Facebook sei nicht lebensnotwendig, meint Karg, Strom dagegen schon. Und so kann theoretisch der Stromversorger, der Netzbetreiber oder ein Ablesedienst Oma Käthe beim Staubsaugen, Bügeln und Wäschewaschen zuschauen. Die Steckdose saugt Alltags-Informationen ab. Bis hin zum eingeschalteten Fernsehprogramm. Intelligente Stromzähler ermöglichen deswegen Datenmissbrauch auf vielen Ebenen, meint IT-Sicherheitsexperte Ulrich Greveler:
"Es ist denkbar, dass ich auch mal gezielt auswerte, welche Sender eine bestimmte Person schaut. Das wäre dann ein enormer Missbrauch, weil ich dann Menschen herausziehe, die politische Sendungen anschauen."
Der Fachmann rät deswegen:
"Wenn ein Stromkunde davon Kenntnis hat, dass ein Smartmeter eingebaut wird, sollte er Fragen stellen: Welche Daten werden erhoben? An wen werden diese Daten weitergegeben? Wie werden diese Daten geschützt? Und insbesondere: Wann werden sie wieder gelöscht?"
Gegen den Einbau eines SmartMeters kann man sich zwar nicht wehren, gegen den wahllosen Umgang mit Daten allerdings schon.