Lachen befreit und der Pavillon glänzt
Martin Sonneborn erscheint im Graf-von-Stauffenberg-Look und stiehlt AfD-Politiker Björn Höcke die Show. Deniz Yücel und Günter Wallraff halten unverzagt der Gesellschaft kritisch den Spiegel vor – und der neue "Frankfurt-Pavillon" ist ein Hit.
Lachen befreit. Keine neue Erkenntnis. Doch für Strategien gegen rechtsextreme Provokateure auf der Frankfurter Buchmesse kann es nicht schaden, sich dieses kulturelle Basiswissen noch einmal ins Gedächtnis rufen. Dachte sich Martin Sonneborn und schlüpfte in eine Maskerade, die stark nach der militärischen Dienstkleidung des Hitler-Attentäters Graf von Stauffenberg aussah. Weil er Höcke nicht die braune Aktentasche bringen durfte, die er dabei hatte, sprach Sonneborn in Uniform gezielt ältere Buchmessenbesucher an:
"Haben Sie den Zweiten Weltkrieg noch erlebt?
Alte Dame: Nee!"
Mit seiner Theateraktion brachte Sonneborn nicht nur die schaulustigen Fachbesucher der Messe zum Lachen, sondern stahl am Ende auch Björn Höcke die Schau.
Yücel im neuen Frankfurt-Pavillon
Und das bei durchgehend strahlend blauer Himmel und sommerliche Temperaturen – die Buchmesse in Frankfurt am Main wird seit Jahren mehr und mehr zur Freiluftveranstaltung. Der große Platz inmitten der Ausstellungshallen - die sogenannte Agora – ist längst mehr als ein Fressbuden-Markt für die Mittagspause.
Buchgeschäfte lassen sich eben auch im Freien machen, wenn das Wetter mitspielt. Der wunderschöne "Frankfurt-Pavillon" auf dem Platz, den der Bundespräsident persönlich einweihte, ist bereits nach wenigen Tagen einer der wichtigsten neuen Anziehungspunkte in Frankfurt am Main.
Als Deniz Yücel dort auftrat, musste er sogar wegen Überfüllung geschlossen werden. Yücel informierte zunächst über den Stand des türkischen Prozesses gegen ihn. Der zweite Verhandlungstag wird im Dezember sein:
Kein Blatt vor dem Mund zu Erdogan
"Dem Antrag, dass ich meine Verteidigung in Deutschland machen kann, dem wurde zugestimmt. Offenbar legen die türkischen Behörden auch keinen großen Wert darauf, dass ich in die Türkei zurückkomme."
Deniz Yücel nahm er auf der Buchmesse kein Blatt vor den Mund. Erdogan wird seinen diktatorischen Kurs schon deswegen weiter halten, weil er Angst haben müsse, bei Machtverlust genau in dem Gefängnis zu landen, wo er ein Jahr gesessen habe, so Yücel:
"Es gibt da einige Leute, die dort arbeiten und darauf warten, ihn endlich empfangen zu können. Das weiß er. (…) Sie haben schon einiges in diesem Land kaputt gemacht und ich fürchte, sie werden noch einiges kaputt machen, bis diese Gangster endlich verschwinden".
Wallraff zu Hass-Mails und Selbstzensur
Politische Verzagtheit von Autoren und Verlegern – wie Yücel mag das auch Günter Wallraff gar nicht. Er nahm an einer Veranstaltung teil, bei der das deutsche PEN-Zentrum eine Umfrage unter mehr als 500 Schriftstellerinnen und Schriftstellern zu ihrer Reaktion auf Hass-Mails vorstellte. Dabei zeigte sich, dass ein Viertel der Autoren nach Hass-Mails mit politischen Äußerungen vorsichtiger wird. Meist unnötige Selbstzensur sei das, so Wallraff:
"Wenn jetzt Autoren sich Zurückhaltung auferlegen, sich wegducken, das verstehe ich nicht. Ich würde sagen, dann ignoriert man solche sogenannten sozialen oder asozialen Medien. Die muss man sich doch nicht antun. Ich frequentiere weder Facebook noch Twitter. Wenn ich das jeden Tag tun würde, mir wird das schon mal zugetragen – Mensch, dann wäre ich depressiv. Ich würde mich nicht abhalten lassen, meine Arbeit zu machen."
Die Arbeit, der Gesellschaft kritisch den Spiegel vorzuhalten – ob als Journalist oder als Schriftsteller.