Bilanz

FDP muss "ganzheitlichen Liberalismus" verkörpern

Moderation: Julius Stucke |
Die FDP darf nicht als eine Partei dastehen, die sich nur Wirtschaftsaspekten oder "einigen Randthemen" zuwendet. Das sagt Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vor dem außerordentlichen Parteitag der bayrischen FDP. Man müsse einen "ganzheitlichen Liberalismus" verkörpern, so die langjährige bayrische FDP-Vorsitzende.
Julius Stucke: Die ganz große Freiheit, das ist nicht immer leicht, und nicht in jedem Fall ist das gewünscht. Beispiel FDP: Die Liberalen sind gerade so ziemlich frei, frei von Regierungsverantwortung. Wenn in Hessen und im Bund neue Regierungen stehen, dann bleibt nur ein einziges Land, nur Sachsen, mit einer liberalen Regierungsbeteiligung. Und in sieben Ländern und im Bund sind sie gar nicht mehr im Parlament vertreten. Etwas weniger frei von Verantwortung darf es in den Augen der Liberalen sicher sein. Nur wie? Wie stellt sich die Partei in Zukunft auf, wie will sie auffallen, um zurückzukehren? Darüber spreche ich mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, scheidende FDP-Landesvorsitzende in Bayern und noch amtierende Bundesjustizministerin. Guten Morgen, Frau Leutheusser-Schnarrenberger!
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Guten Morgen, Herr Stucke!
Stucke: Heute beginnt in Bamberg - da sind Sie ja - ein außerordentlicher FDP-Parteitag, ein neuer Landesvorstand soll gewählt werden. Thomas Hacker wird Ihnen voraussichtlich als Landesvorsitzender nachfolgen. Sind Sie nach 13 Jahren froh, in dieser Phase nicht mehr an der spitze der Bayern-FDP stehen zu müssen?
Leutheusser-Schnarrenberger: Ich habe an der Spitze der Bayern-FDP gestanden 2000, als sie mit einem noch viel schlechteren Ergebnis als am 15. September dastand, da lagen wir bei unter zwei Prozent bei einer bayerischen Landtagswahl. Also ich weiß, dass das eine schwierige Situation ist, von daher habe ich mich noch nie gedrückt und auch nie, sage ich mal, den Wunsch gehabt, keine Verantwortung zu übernehmen. Aber es gibt Zeitpunkte, wo einfach dann eine Zäsur da ist. Deshalb ist es richtig, nicht, weil ich mich vor Verantwortung drücke, aber einfach, weil nach 13 Jahren jetzt ein Neustart der bayerischen FDP auch mit anderen Köpfen, mit anderen Persönlichkeiten einfach notwendig ist.
Stucke: Was geben sie denn aus der Erfahrung, die Sie da gesammelt haben, Thomas Hacker mit, was muss er jetzt tun, damit es für die FDP in Bayern weitergeht?
Leutheusser-Schnarrenberger: Die FDP kann natürlich nur dann wieder zurückkehren - wir haben in Bayern das Auf und Ab öfter gehabt, rein und raus aus dem Landtag, im Bund natürlich noch nie - wenn uns einmal fachliche Kompetenz zugerechnet wird, aber wir natürlich auch das, wofür wir stehen - und das ändert sich nicht -, nämlich für Freiheit, für diese offene Gesellschaft zu kämpfen, auch wenn der Mainstream mal ein anderer ist, genau das auch natürlich immer dann auch anhand von konkreten Themen in die Öffentlichkeit zu bringen und auf keinen Fall als FDP dazustehen, die sich jetzt ausschließlich einigen vielleicht Wirtschaftsaspekten oder einigen Randthemen zuwendet, sondern wirklich diesen ganzheitlichen Liberalismus verkörpert. Das, glaube ich, hat sich als Botschaft nicht geändert. Aber natürlich ist es außerparlamentarisch viel schwieriger als mit der Plattform Land- oder Bundestag.
Die Linien müssen stimmen
Stucke: Das heißt, da höre ich auch Kritik an der Vergangenheit heraus, zu viel Konzentration auf die Wirtschaft. dann sagen sie, es wird schwerer aufzufallen jetzt in Zukunft. Womit will man dann auffallen, mit welchen Themen kann die FDP auffallen, um im Bund wieder ins Parlament zu kommen?
Leutheusser-Schnarrenberger: Also wenn man jetzt sieht, wie die große Koalition sich versucht zusammenzufinden, dann, glaube ich, ist natürlich einmal ein sozial geprägter marktwirtschaftlicher Kurs der FDP, und da auch ein Auseinandersetzen mit Alternativlösungen zu dem, was jetzt sich da in der großen Koalition zusammenfindet, bestimmt das Richtige. Denn es wird vieles zulasten von Arbeitsplätzen, von Wirtschaft, von Bürgerinnen und Bürgern gehen. Aber genauso, dass natürlich wir verkörpern, auch anders als die Grünen, die ja gerade sich als Verbotspartei im Wahlkampf besonders profiliert haben, dass gesellschaftliche Freiheiten verteidigt werden müssen. Und zwar national, europäisch, international.
Ich glaube, wir müssen unsere Positionierung als eine Partei, die weit auch über nationale Grenzen hinweg Politik machen will, ganz, ganz deutlich formulieren, und nicht zu jedem Thema und zu jeder politischen tagesaktuellen Auseinandersetzung meinen, immer was gegensetzen zu müssen. Die Linien müssen stimmen, wie wir mit den Herausforderungen der Generationengerechtigkeit aus liberaler Sicht, mit dem politischen Liberalismus umgehen.
Stucke: Frau Leutheusser-Schnarrenberger, könnte es sein, dass jetzt in dieser Phase dann aber auch, weil man auffallen will, weil man auffallen muss, das eine Chance ist für Euro-Skeptiker, für Populisten in der Partei, dass sie ihre Stimme lauter machen?
Leutheusser-Schnarrenberger: Ich bin sehr, sehr zuversichtlich, dass die FDP weder eine populistische und dann vielleicht auch noch nicht aus der Mitte, sondern mehr vom rechten Bereich getragene Partei wird ... Das ist nicht die FDP, das ist nicht die FDP in Deutschland. Aber ich sehe auch nicht, dass die FDP mit einem strikten Euro-kritischen und dann vielleicht sogar noch Europa-skeptischen Kurs reüssieren könnte. Dass wir ganz klar dieses Europa, das wir mit gebaut haben in Deutschland, dass wir dieses brauchen ... Dass wir uns über manche Entwicklungen, auch Tendenzen in der Kommission kritisch auseinandersetzen: Ja. Aber nie in einem Kurs, der heißt, weniger Europa, weg von Europa, besinnen auf nationale Politik und auf den alten Nationalstaat, das ist keine Zukunft für die FDP und so wird sie auch nicht werden.
"Nicht mehr an herausgehobenen Ämtern"
Stucke: Und diesen Kurs überlassen Sie jetzt allerdings den anderen. 13 Jahre waren Sie Landesvorsitzende in Bayern, zweimal waren Sie bundesjustizministerin. Wohin wollen Sie mit all Ihrer liberalen Energie denn in Zukunft gehen?
Leutheusser-Schnarrenberger: Ich kann mich natürlich an vielen Stellen in der FDP, aber eben nicht mehr an herausgehobenen Ämtern einbringen. Ich werde das auch viel im ehrenamtlichen Bereich tun, ich glaube, wir brauchen ja gerade jetzt die liberalen in der Zivilgesellschaft, bei Initiativen, bei vielem anderen mehr. Von daher werde ich genug Gelegenheit haben, wirklich auch einmal meine liberale Stimme voller Empathie zu erheben und einzubringen. Aber es ist gut und richtig, wenn jetzt Persönlichkeiten an der Spitze sind, die dann ja auch in vier und in fünf Jahren wieder in einen Wahlkampf auf Bund- und Landesebene eintreten sollen.
Stucke: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, sie sind in Bamberg beim außerordentlichen FDP-Parteitag. Ist da irgendwas Überraschendes heute zu erwarten?
Leutheusser-Schnarrenberger: Wir werden bestimmt spannende Wahlen bekommen. Denn außer, dass für den Vorsitz nur Thomas Hacker kandidiert, haben wir eine Fülle von Kandidaturen. Das zeigt: Es sind ganz, ganz viele in der FDP da, die sich einbringen wollen. Also von daher, in dieser ganz, ganz schwierigen Stunde haben wir auch ein Stück Hoffnung, aber es wird jetzt hier nicht den großen Krach und nicht den großen Streit geben, sondern ich denke, wirklich eine offene und ehrliche Analyse und einen guten Ausblick.
Stucke: Hoffnung in schwierigen Zeiten, sagt die FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Ich danke Ihnen fürs Gespräch, und ein erfolgreiches Wochenende!
Leutheusser-Schnarrenberger: Ja, danke Ihnen, Herr Stucke, Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema