Überflüssige Aufregung um einen unscharfen Satz
"Der Islam gehört zu Deutschland" - diesen Satz hält der neue Innenminister Seehofer für falsch. Hilfreich wäre ein Minister, der "schärfer formuliert", meint Sebastian Engelbrecht: Integrationsfragen müssten ebenso geklärt werden wie die verfassungsrechtliche Rolle des Islam.
Bei allem Respekt vor dem früheren Bundespräsidenten Christian Wulff und seinen Absichten – der Satz "Der Islam gehört zu Deutschland" ist als politisches Programm oder politischer Slogan untauglich. Er ist unscharf, undeutlich, missverständlich.
Was bedeutet "zugehören"? Der Satz könnte bedeuten: Der Islam existiert in Deutschland, Der Islam ist Teil Deutschlands, Der Islam passt zu Deutschland, Der Islam ist in Deutschland integriert, Der Islam ist integraler Bestandteil Deutschlands.
Und wofür steht "Deutschland" in diesem unseligen Satz? Gehört der Islam zur deutschen Gesellschaft - oder ist gemeint, dass es ihn in diesem Landstrich zwischen Rhein und Oder gibt? Oder ist er gar Teil des deutschen Staates?
Und: Was ist der Islam? Alle Muslime auf der Erde? Die Muslime in Deutschland? Die Summe der islamischen Glaubenslehren?
Schließlich: Beschreibt der Satz einen Zustand oder ist er eine politische Vision?
Ungeeignet für vernünftige Auseinandersetzung
Kurzum: Ähnlich wie der Begriff "Leitkultur" ist der umstrittene Satz für eine vernünftige politische Auseinandersetzung ungeeignet. Im Kern geht es um zwei Themen.
Erstens: Die Integration muslimischer Bürgerinnen und Bürger in die deutsche Gesellschaft: Sprechen sie Deutsch? Identifizieren sie sich mit diesem Staat und seinen Rechtsnormen?
Und zweitens: Der Status der islamischen Religionsgemeinschaften im deutschen Staat: Sollen sie wie die Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt werden? Sollen sie religionsverfassungsrechtlich mit Kirchen und jüdischen Religionsgemeinschaften gleich behandelt werden?
Hier spricht der Populist Seehofer
Das Thema ist zu wichtig und zu ernst, als dass wir es mit einfachen Parolen abhandeln könnten. Deshalb war es ein Fehler von Bundesinnen- und -heimatminister Horst Seehofer, dass er Wulffs Aussage von 2010 in so plakativer Weise verneint hat: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland", sagte der Heimatminister. Und er erläutert den Satz, indem er hinzufügt: Deutschland sei "durch das Christentum geprägt". Man werde die "landestypischen Traditionen und Gebräuche" nicht aufgeben. Hier spricht der Populist Seehofer über ein Thema, auf das er weder als Innen- noch als Heimatminister einen Einfluss hat. In Duisburg-Marxloh und Berlin-Neukölln ist von der christlichen Prägung Deutschlands faktisch nicht mehr viel zu sehen. Das ist in Berchtesgaden und in Aue anders.
Die einzige substanzielle Aussage, die Seehofer in diesem Zusammenhang getroffen hat, bezieht sich auf die Feiertage. Er bekennt sich zum arbeitsfreien Sonntag und zu den kirchlichen Feiertagen als allgemeinverbindlichen Grundlagen des Zusammenlebens in diesem Staat. An dieser Stelle hat Seehofer recht. Die christliche Feiertagsordnung ist eine über Jahrhunderte gewachsene Tradition, die bis heute über die Grenzen der christlichen Kirchen hinaus gesellschaftlichen Zusammenhalt stiftet. Es wäre fahrlässig, diese Ordnung aufzugeben.
Der strittige Satz aber ist die Aufregung nicht wert: Gehört der Islam zu Deutschland oder nicht? Um diese Frage geht es nicht. Wir brauchen einen Heimatminister, der schärfer formuliert. Populistische Phrasen helfen nicht weiter.