Bildband "Mom" von Charlie Engman

Die eigene Mutter ständig im Blick

09:15 Minuten
Zwei Portraitaufnahmen von Kathleen McCain Engman aus dem Fotobuch "MOM"
Die Vielfalt der Porträtaufnahmen von Kathleen McCain Engman ist erstaunlich. © Charlie Engman "MOM" / Edition Patrick Frey, 2020
Lotta Wieden im Gespräch mit Timo Grampes |
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Ungewöhnliche Aufnahmen seiner Mutter präsentiert der Fotograf Charlie Engman in seinem Bildband "Mom". Wer die Bilder ansieht, staunt über die Beziehung der beiden - und denkt über sein eigenes Verhältnis zur Mutter nach.
Wir kennen es alle, dass Eltern ständig ihre Kinder fotografieren. Ungewöhnlicher ist es, dass der Fotograf Charlie Engman seit elf Jahren seine eigene Mutter fotografiert und daraus einen Bildband gemacht hat. Er zeigt die 69-jährige Kathleen McCain Engman dabei, wie sie ihren BH anzieht, aber auch als coole Business-Frau, oft spärlich bekleidet oder splitternackt. Sie ist im Fotobuch "Mom" auf rund tausend verschiedenen Bildern zu sehen.

Jenseits von Schönheitsidealen

Dem Betrachter werde nicht langweilig, sagt unsere Redakteurin Lotta Wieden. Das liege daran, dass der Fotograf seine Mutter obsessiv fotografiert habe.
"Das ist keine Mutter, die irgendwelche klassischen Schönheitsideale bedienen würde", beschreibt Wieden die Faszination der Aufnahmen. Kathleen sei eine Art von Frau, von der im öffentlichen Raum selten Bilder existierten, "weil zu alt, zu wenig sexy, zu normal".
Mehrere nebeneinander angeordnete Portraitaifnahmen von Kathleen McCain Engman aus dem Fotobuch "MOM"
Charlie Engman "MOM"© Charlie Engman "MOM" / Edition Patrick Frey, 2020
Engman habe mit Anfang 20 angefangen, seine Mutter zu fotografieren, weil sie verfügbar gewesen sei und er sich als Berufsanfänger fotografisch ausprobieren wollte, sagt Wieden. Heute sei er ein erfolgreicher Modefotograf in New York, aber an dem Sujet der Mutter immer drangeblieben und habe es weiter entwickelt.

Unklare Beziehung

Was die Motivation der Mutter angehe, stellten sich einige Fragen: "Ist das eine Frau, die sich für den Sohn aufopfert und einfach alles macht, was er möchte?" Es sei unklar, ob sie Spaß gehabt oder sich ausgeliefert habe.
Für den Betrachter bleibe auch das Verhältnis von Mutter und Sohn ungeklärt, werfe aber Fragen nach dem Verhältnis zur eigenen Mutter auf. "Warum könnten die meisten von uns nie derartige Fotos von ihrer Mutter oder ihrem Vater machen und wie ist unsere Beziehung zu unseren Kindern?"
Es sei ein mutiges und kluges Buch mit coolem Design, sagt Wieden. Aber dieses Gemeinschaftsprojekt von Mutter und Sohn hätte es eigentlich verdient, dass beide Namen auf dem Buch stünden.
(gem)

Charlie Engman: "Mom"
Edition Patrick Frey, Zürich 2020
220 Seiten, 58 Euro

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