Hermann Recknagel: "Suppengrün 0,99€"
Mit Texten von Hermann Recknagel, Katharina Schultens, Dr. Andrea Gnam, Dr. Marcel Schilling, Dr. Stephan Grätzel
kookbooks, Berlin 2017
224 Seiten, 49,00 Euro
Respektvolle Porträts: Wanderarbeiter und ihre Geschichten
Sie kommen zur Ernte nach Deutschland und arbeiten für einen mageren Lohn: Wanderarbeiter aus Südosteuropa. Der Fotograf Hermann Recknagel hat sie begleitet und porträtiert. Er sagt: Was in Deutschland als krasse Ausbeutung wahrgenommen werde, sichere das Leben der Arbeiter in ihre Heimat.
Leih- und Wanderarbeiter in der deutschen Landwirtschaft: Zwischen Salat und Sellerie, oder abgetaucht in Möhren und Radieschen. Den Blick auf den Boden gerichtet, den ganzen Tag, jeden Tag der Woche. Monatelang. Im Akkord.
Der Fotograf Hermann Recknagel hat diese Arbeiter beobachtet und mit seiner Kamera festgehalten. Sie stammen überwiegend aus Rumänien, Bulgarien oder der Türkei, denn kein Einheimischer macht diese Arbeit, die meist so schlecht entlohnt wird, dass man damit in Deutschland nicht seinen Lebensunterhalt bestreiten könnte.
Das Suppengrün, beispielsweise, das die Leiharbeiter ernten, wird später für 0,99 Euro im Supermarkt verkauft. Und so – "Suppengrün 0,99 €" – lautet auch der Titel von Recknagels Bildband.
Recknagel bemerkte - schon vor ein paar Jahren - immer wieder lange Kolonnen von "Menschen in einfachen Kleidern, die durch die Landschaft ziehen". Er wollte mehr wissen, nahm Kontakt auf und erfuhr die Geschichten der Wanderarbeiter - im Bildband werden sie von verschiedenen Autoren inklusive ihm selbst wiedergegeben.
Die Autoren begleiten die Arbeiter vom Aufstehen im ersten Frühnebel bis zum Zubettgehen in ihren knapp 13 Quadratmeter großen Containern, die sich je vier Personen teilten.
Respektvolle Porträts
Herzstück des Buches sind die Porträts - respektvoll nähert Recknagel sich den Arbeitern. Einige ihrer Geschichten hätten ihn besonders berührt - so etwa die einer Roma und eines rumänischen Arbeiters. Sie zart und klein, er riesig groß.
"Und was mich so fasziniert hat, ist, wie liebevoll er sich um diese Frau bemüht und kümmert."
Für das Foto schiebt er mehrere Gemüsekisten unter die kleine Frau - damit sie nicht so viel kleiner wirkt als er.
Recknagel, der für sein Buch tief in die Welt der Wanderarbeiter eingetaucht ist, mag jedoch nicht nur einseitig von Ausbeutung sprechen.
"Ich habe mal früher eine Weile in Rumänien gearbeitet und weiß von daher, wie niedrig die Bezahlung ist oder wie schlecht beispielsweise auch die Roma in Rumänien behandelt werden. Da ist es eigentlich auch eine ganz gute Sache, dass sie von zwei, drei Monaten Arbeit hier in Deutschland in Rumänien eine Familie fast ein Jahr lang ernähren können."
Einer der Wanderarbeiter, die er getroffen habe, sei sogar ein Universitätsprofessor. Dieser verdiene in Rumänien weniger als ein Feldarbeiter in Deutschland. Doch ganz überwiegend seien es junge Männer oder ganze Familien, die sich auf den Weg nach Deutschland machten.