Bilder banaler Konsumgüter
Menschen hat Ed Ruscha von seinen Bildern eher zufällig ausgeklammert. Stattdessen zeigen seine Fotos und Gemälde Alltägliches und Unscheinbares. Bekannt ist vor allem seine Serie von Tankstellenfotos. Die Werke des Amerikaners, der als Popartist und Konzeptkünstler gesehen wird, sind nun in einer Ausstellung des Museums Ludwig in Köln zu sehen.
Siebzehn Länder bereiste er in sieben Monaten: Auf den Schwarzweiß – Fotos aber, die der junge Ruscha von seiner Europatour 1961 mitbrachte, sind statt der bekannten Sehenswürdigkeiten seltsame Fundstücke versammelt: Hundeleinen, die er in einem Schaufenster entdeckte, zwei abgetrennte Schweinsköpfe, Schuhe, Reklameschilder, ein gefüllter Kühlschrank.
Und mit diesem Hang zum eher Alltäglichen und Unscheinbaren ging er daheim sogar in Serie: Fotografierte reihenweise ganz normale Tankstellen und brachte diese Fotos 1963 in einem einfach aufgemachten Buch heraus, dem bis in die siebziger Jahre hinein weitere Fotopublikationen folgten, mit schlichten Apartments in Los Angeles, banalen Konsumgütern, mit leuchtend blauen Swimmingpools, aber auch mit tristen leeren Parkplätzen, aufgenommen aus der Vogelperspektive.
Und auf meterlangen Leporellos hat er jedes Gebäude zu beiden Seiten des "Sunset Strip” dokumentiert. Seine Fotos wirken zuweilen amateurhaft, einen Kunstwillen lassen sie jedenfalls nicht erkennen. Mit einem Nicht-Stil habe er eine Nicht-Aussage machen wollen, erklärte Ruscha später. Dennoch sind ihm die jeweiligen Serien-Motive nicht gleichgültig, am allerwenigsten die Tankstellen:
"Sie haben sich während meiner Reisen tief eingeprägt. Ich liebe es, unterwegs zu sein und über Highways zu fahren. Und da muss man eben auch mal an einer Tankstelle halten. Ich begann, diese Gebäude zu mögen, und stellte mir sogar vor, selber darin zu leben. Es ist sehr schön, seinen Wagen unterzustellen, raus aus der Sonne, und dann hinein an seinen Platz zu gehen. Ich liebe die Architektur von Tankstellen."
Durch die Fotografie habe er zur Malerei gefunden, schrieb Ed Ruscha. Was ja bedeuten könnte, dass es ohne die Fotografie den Maler gar nicht gegeben hätte.
"Vielleicht nicht...Aber ich sah vorher die Fotos von Walker Evans und von Robert Frank. Und konnte dort einen neuen Horizont erkennen. Besonders war ich von Robert Frank beeindruckt, weil in diesem Fall jemand, der nicht in Amerika gelebt hatte, hierher kommen musste, um den Amerikanern zu zeigen, wie ihr Leben wirklich aussieht."
Etliche seiner Fotomotive hat er in Zeichnungen und Gemälden weiterbearbeitet: Autos, Reklameschriften und gerade auch die Tankstellen. Die werden beim Übergang von der Fotografie ins andere Medium zum ästhetischen Ereignis. Unglaublich, wie ein solch schnödes Bauwerk auf dem farbigen Blatt oder auf der Leinwand durch die Wahl der Perspektive und ein diagonal durchs Bild verlaufendes Schild ins Heroische wächst und zum popigen Menetekel wird.
Mit Fotos bringt er die Motive aus der Wirklichkeit ins Zweidimensionale, bannt sie in die Fläche, macht sie künstlerisch verfügbar. Fotos sind so Stationen auf dem Weg zum gezeichneten oder gemalten Werk. Sollte man deshalb Ruscha gar nicht so sehr als Fotografen herausstellen, wie es die in New York konzipierte Schau schon im Titel versucht?
"Für mich ist es ganz offensichtlich, dass die Fotos die Grundlage bilden, um andere Bilder zu komponieren, die über die Fotos hinausreichen. Ich bin also kein Fotograf als solcher. Ich mache Schnappschüsse. Und die werden dann zum Werkzeug, um an etwas anderem zu arbeiten, für gewöhnlich sind es Gemälde."
Das Fotografieren hat er mal als Hobby bezeichnet, er sei ein Maler, der nebenbei Fotos mache. In New York und auch im Kölner Museum Ludwig gewichtet man es anders. Und entledigt sich der bloßen Berufszuordnung mit einem kunsthistorischen Schachzug: Ruschas frühes Werk stehe für den Übergang von der Fotografie ins "Fotografische". Denn die Fotografie durchdringe auch andere Medien, und der Blick des Fotografen Ruscha zeige sich eben auch auf dessen Zeichnungen und Ölgemälden.
Gerade in einer solchen Retrospektive fällt auf vielen Fotos allerdings eine markante Aussparung auf: ob Swimmingpools, Parkplätze, Tankstellen oder Apartments: Menschen fehlen hier:
"Mir ist es erst aufgefallen, als man mich darauf hingewiesen hat. Ich erinnere mich noch gut - als ich Andy Warhol zum ersten Mal traf und ihm ein Exemplar meines Buches mit den Tankstellen gab, da sagte er: Oh, ich liebe diese Fotos! Weil darauf keine Leute zu sehen sind! Und da erkannte ich erst, dass ich ganz unbewusst Menschen aus meinem Werk verbannt hatte, natürlich nicht vollständig, wenigstens hier und da muss es schon Figuren geben."
Viele Vergleiche wurden mit seinem Foto-Oeuvre angestellt, so rückte man seine urbanen Motive sogar in die Nachbarschaft der von Bernd und Hilla Becher seriell dokumentierten Industriebauten. Und stufte Ruscha nicht nur als Pop-Artisten ein, sondern auch als einen Pionier der Konzeptkunst. Von solchen Bezeichnungen hält er aber gar nichts, sie verdeckten immer einen Teil der Wahrheit, Etiketten wie zum Beispiel "Pop-Art" engten ihn ein.
Tatsächlich hat er nach suggestiv gemalten Logos wie "Hollywood”, "20th Century Fox” und nach all den Tankstellen immer mal den Stil gewechselt. Und auch in der Fotoschau präsentiert er sich mit verschiedenen Facetten. Wobei die phantasievoll arrangierten Farbfoto-Tableaus mit allerlei Gegenständen wie Luftpumpe, Obst und Süßigkeiten eher glatt wirken.
Von Gewicht bleibt das schwarzweiße Werk aus den sechziger und siebziger Jahren, als das eher Unauffällige des Alltags zur Attraktion und künstlerischen Innovation werden konnte. In Köln wird es auf schöne Weise vor Augen geführt.
Service: Die Ausstellung "Ed. Ruscha. Photographer" ist vom 2. September bis 26. November 2006 im Museum Ludwig in Köln zu sehen.
Und mit diesem Hang zum eher Alltäglichen und Unscheinbaren ging er daheim sogar in Serie: Fotografierte reihenweise ganz normale Tankstellen und brachte diese Fotos 1963 in einem einfach aufgemachten Buch heraus, dem bis in die siebziger Jahre hinein weitere Fotopublikationen folgten, mit schlichten Apartments in Los Angeles, banalen Konsumgütern, mit leuchtend blauen Swimmingpools, aber auch mit tristen leeren Parkplätzen, aufgenommen aus der Vogelperspektive.
Und auf meterlangen Leporellos hat er jedes Gebäude zu beiden Seiten des "Sunset Strip” dokumentiert. Seine Fotos wirken zuweilen amateurhaft, einen Kunstwillen lassen sie jedenfalls nicht erkennen. Mit einem Nicht-Stil habe er eine Nicht-Aussage machen wollen, erklärte Ruscha später. Dennoch sind ihm die jeweiligen Serien-Motive nicht gleichgültig, am allerwenigsten die Tankstellen:
"Sie haben sich während meiner Reisen tief eingeprägt. Ich liebe es, unterwegs zu sein und über Highways zu fahren. Und da muss man eben auch mal an einer Tankstelle halten. Ich begann, diese Gebäude zu mögen, und stellte mir sogar vor, selber darin zu leben. Es ist sehr schön, seinen Wagen unterzustellen, raus aus der Sonne, und dann hinein an seinen Platz zu gehen. Ich liebe die Architektur von Tankstellen."
Durch die Fotografie habe er zur Malerei gefunden, schrieb Ed Ruscha. Was ja bedeuten könnte, dass es ohne die Fotografie den Maler gar nicht gegeben hätte.
"Vielleicht nicht...Aber ich sah vorher die Fotos von Walker Evans und von Robert Frank. Und konnte dort einen neuen Horizont erkennen. Besonders war ich von Robert Frank beeindruckt, weil in diesem Fall jemand, der nicht in Amerika gelebt hatte, hierher kommen musste, um den Amerikanern zu zeigen, wie ihr Leben wirklich aussieht."
Etliche seiner Fotomotive hat er in Zeichnungen und Gemälden weiterbearbeitet: Autos, Reklameschriften und gerade auch die Tankstellen. Die werden beim Übergang von der Fotografie ins andere Medium zum ästhetischen Ereignis. Unglaublich, wie ein solch schnödes Bauwerk auf dem farbigen Blatt oder auf der Leinwand durch die Wahl der Perspektive und ein diagonal durchs Bild verlaufendes Schild ins Heroische wächst und zum popigen Menetekel wird.
Mit Fotos bringt er die Motive aus der Wirklichkeit ins Zweidimensionale, bannt sie in die Fläche, macht sie künstlerisch verfügbar. Fotos sind so Stationen auf dem Weg zum gezeichneten oder gemalten Werk. Sollte man deshalb Ruscha gar nicht so sehr als Fotografen herausstellen, wie es die in New York konzipierte Schau schon im Titel versucht?
"Für mich ist es ganz offensichtlich, dass die Fotos die Grundlage bilden, um andere Bilder zu komponieren, die über die Fotos hinausreichen. Ich bin also kein Fotograf als solcher. Ich mache Schnappschüsse. Und die werden dann zum Werkzeug, um an etwas anderem zu arbeiten, für gewöhnlich sind es Gemälde."
Das Fotografieren hat er mal als Hobby bezeichnet, er sei ein Maler, der nebenbei Fotos mache. In New York und auch im Kölner Museum Ludwig gewichtet man es anders. Und entledigt sich der bloßen Berufszuordnung mit einem kunsthistorischen Schachzug: Ruschas frühes Werk stehe für den Übergang von der Fotografie ins "Fotografische". Denn die Fotografie durchdringe auch andere Medien, und der Blick des Fotografen Ruscha zeige sich eben auch auf dessen Zeichnungen und Ölgemälden.
Gerade in einer solchen Retrospektive fällt auf vielen Fotos allerdings eine markante Aussparung auf: ob Swimmingpools, Parkplätze, Tankstellen oder Apartments: Menschen fehlen hier:
"Mir ist es erst aufgefallen, als man mich darauf hingewiesen hat. Ich erinnere mich noch gut - als ich Andy Warhol zum ersten Mal traf und ihm ein Exemplar meines Buches mit den Tankstellen gab, da sagte er: Oh, ich liebe diese Fotos! Weil darauf keine Leute zu sehen sind! Und da erkannte ich erst, dass ich ganz unbewusst Menschen aus meinem Werk verbannt hatte, natürlich nicht vollständig, wenigstens hier und da muss es schon Figuren geben."
Viele Vergleiche wurden mit seinem Foto-Oeuvre angestellt, so rückte man seine urbanen Motive sogar in die Nachbarschaft der von Bernd und Hilla Becher seriell dokumentierten Industriebauten. Und stufte Ruscha nicht nur als Pop-Artisten ein, sondern auch als einen Pionier der Konzeptkunst. Von solchen Bezeichnungen hält er aber gar nichts, sie verdeckten immer einen Teil der Wahrheit, Etiketten wie zum Beispiel "Pop-Art" engten ihn ein.
Tatsächlich hat er nach suggestiv gemalten Logos wie "Hollywood”, "20th Century Fox” und nach all den Tankstellen immer mal den Stil gewechselt. Und auch in der Fotoschau präsentiert er sich mit verschiedenen Facetten. Wobei die phantasievoll arrangierten Farbfoto-Tableaus mit allerlei Gegenständen wie Luftpumpe, Obst und Süßigkeiten eher glatt wirken.
Von Gewicht bleibt das schwarzweiße Werk aus den sechziger und siebziger Jahren, als das eher Unauffällige des Alltags zur Attraktion und künstlerischen Innovation werden konnte. In Köln wird es auf schöne Weise vor Augen geführt.
Service: Die Ausstellung "Ed. Ruscha. Photographer" ist vom 2. September bis 26. November 2006 im Museum Ludwig in Köln zu sehen.